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(Ein Kapitel aus dem Buch: "ALLAH IST GANZ ANDERS", Singrid Hunke, SKD Bavaria Verlag, 1. Auflage, 1999)

 

Doch es gab Ausnahmen inmitten des Jahrhundertkampfes zwischen Abend- und Morgenland, zwischen Christenheit und Islam, die - Angehörige zweier Nationen – dem An­dersgläubigen nicht als Feind begegneten. Da waren ein­zelne Stimmen von Deutschen, die sich ohnehin schwer getan hatten,9 sich der von den Päpsten entfachten Kreuz­zugsbegeisterung anzuschließen, und den von den päpstli­chen Legaten überbrachten Ermahnungen zur Kreuznahme Bedenken und Ablehnung entgegensetzten. Wo sie sich zum Eingreifen entschlossen, waren es nicht religiöse, vielmehr hochpolitische Belange des Reiches, denen man lediglich den Anschein des kirchenpolitischen Zieles gab angesichts der ohnehin nicht konfliktfreien Beziehungen der Staufer zum Heiligen Stuhl.

 

 

So ergab es sich, dass die Kreuzzugsunternehmen in er­ster Linie die Sache West- und Südeuropas blieben. Immer wieder nutzten die Päpste die Kreuzzüge nämlich gerade­zu als Waffe zur Schwächung und Zerstörung von Kaiser und Reich und ihren im germanischen Königtum begrün­deten Heiligkeitsanspruch1o, verwendeten die einkassierten Kreuzzugssteuern für ihren Kampf gegen die Hohenstaufen, ja predigten den „Kreuzzug" gegen das „Hei­lige Reich". Als die Staufenkaiser sich entschlossen, in den Kreuzzugstrend einzusteigen, geschah dies in einem bewussten Gegensatz zum Papsttum, um ihm die gegen sie geschmiedete politische Waffe zu entwinden und in die eigene Hand zu nehmen.

 

 

Um drei deutsche Kaiser weben sich im Windschatten des seit drei Menschenaltern aufgeputschten Glaubensfa­natismus Freundschaftsbande mit islamischen Herrschern. Doch warum geizt die Geschichtsschreibung damit, von ihnen - ausgenommen Friedrich II. - und ihren außerge­wöhnlichen Umständen zu sprechen? Wer weiß von den höchst verwunderlichen Vorkommnissen bereits zwischen seinem Großvater, Kaiser Friedrich I., und dem islami­schen Sultan Salah ed-Din, den das Abendland als Saladin kennt? Die von ihnen in jener Zeit des Kreuzzugsfiebers friedlich unterhaltenen diplomatischen Beziehungen neh­men eines Tages eine unerwartete Entwicklung, als 1173 in Aachen eine Abordnung aus Kairo ein Schreiben des Sultans überreicht, mit dem Saladin für seinen Sohn um die Hand der deutschen Kaisertocher anhält, während die­ser zum deutschen Kaiser gekrönt werden möge. Welch ein Antrag! Welch eine Vision einer Verbindung zwischen Morgen- und Abendland! Der Kaiser lässt sich Zeit. Er behält die arabischen Gesandten ein halbes Jahr an seinem Hof und lässt sie durch mehrere Städte des Reiches führen. Ein Jahr darauf sendet er den Vitzthum Burchard von Straßburg mit diplomatischen Dankesbezeugungen nach Kairo.

 

 

Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den ober­sten Herrschern beider Welten nehmen dadurch keinen Schaden. Zwar kommen 1178 alarmierende Nachrichten von der verheerenden Niederlage der Franken in der Schlacht bei Hittin auf den Golan-Höhen mit dem Verlust des Heiligen Kreuzes und von Saladins Rückeroberung Jerusalems, die Schreck und Entsetzen in der Christenheit auslösen. In der richtigen Erkenntnis, dass nachhaltiger als Worte das Bild die Gemüter zu beeindrucken vermag, bla­sen die Kreuzzugswerber das nur noch glimmende Rache­flämmchen mithilfe martialischer Cartoons an, die von Mönchen in härenen Säcken unter Wehe-Rufen durch die Straßen getragen werden, auf denen ein wildaussehender Reitersmann das Grab Christi mit den Hufes seines Pfer­des zerstampft, das darauf uriniert; oder ein Mann Jesus das Gesicht blutig schlägt, wozu der entsetzte Betrachter erfährt, das sei „Mohammed, der ihn geschlagen, verwun­det und getötet" habe.11

 

Dreimal erscheinen päpstliche Legaten vor dem Kaiser, so auch auf dem Hoftag zu Straßburg, und ziehen alle Re­gister geübter Stimm- und Sprachgewalt, um ihn zur Kreuznahme zu bewegen. Doch der Erfolg bleibt aus. Erst ein Jahr später rüstet der Kaiser zum Aufbruch aus eige­nem Entschluss und in alleiniger Vollmacht. Er hat bereits am 26. Mai 1188 seinen Gesandten Graf Heinrich von Dietz mit einem Schreiben an Sultan Saladin geschickt. Darin dankt er ihm für empfangene Briefe und drückt sein Bedauern aus, dass er sich kriegerisch gegen ihn wenden müsse, sofern Saladin ihm nicht Jerusalem herausgebe und die fränkischen Gefangenen wieder ausliefere. Auf Ritter­art fordert der Kaiser den Sultan zum Zweikampf am 1. November 1189 in der Ebene Zoan im äußersten Norden Ägyptens. Saladins umgehende Antwort an seinen „wahren, großen und erhabenen Freund Friedrich, König von Deutschland", bietet dem Deutschen , die Freigabe aller fränkischen Gefangenen an, dazu christlichen Gottesdienst in der Grabes-Kirche als Dauereinrichtung und freien Zu­gang für alle Pilger zum Heiligen Grab gegen die Rückga­be aller von den fränkischen Invasoren besetzten Festun­gen; was freilich ja nicht in Friedrichs Macht stand.

 

 

Wir kennen nicht die Entscheidung des Kaisers, die dem Ablauf der Kreuzzüge vielleicht eine andere Wendung hätte geben können, hätte den Siebzigjährigen auf seinem Zuge nach Zoan durch Südanatolien während der orienta­lischen Junihitze in dem eisigen Gebirgswasser des Saleph nicht ein Herzschlag ereilt und der Tod den ritterlichen Zweikampf der Freunde an der Spitze der beiden tödlich verfeindeten Weltmächte abgeblasen. Wie sieben Jahre danach ebenfalls den mit Muslimen partnerschaftlich abgesprochenen Heereszug seines Sohnes Kaiser Heinrichs VI.

 

 

Es war ihr Enkel und Sohn, Kaiser Friedrich II., der bei seinem „Kreuzzug" ohne Kriegswerkzeug und ohne Blut­vergießen alle einstigen Angebote Saladins, ja weit darüber hinaus alle den Christen geheiligten Plätze, dazu frei­en Zugang für alle christlichen Pilger zu Jerusalem in voller Gleichberechtigung und gegenseitiger Achtung mit den Muslimen und Juden, die alle hier ihre heiligsten Stätten haben, durch feierlich beschworenen Friedensver­trag mit Sultan al-Kamil, Saladins Neffen, empfing. Damit ist das „Werk glücklich vollbracht", lässt er seinem Heer durch Hermann von Salza verkünden, „das seit langen Zeiten keiner der Fürsten und Gewaltigen des Erdenrunds weder durch die Menge des aufgebotenen Volks noch durch Furcht oder andere Mittel zu vollbringen vermoch­te". Doch der ausgezogen war und das hohe Ziel erreicht hatte, „die Herzen getrennter Völker zu einen" - er wird gerade damit zur Zielscheibe des Heiligen Vaters in Rom. Ein derartiger Erfolg, der den vom Papsttum unter Einsatz äußerster Mühen und Mittel, unter Aufbietung ungeheurer Menschenmassen und Menschenverlusten im Namen Gottes zwecks „Befreiung des Heiligen Grabes" entzün­deten Weltbrand peinlicherweise mit den feierlich be­schworenen Friedensverträgen zur Befreiung und Siche­rung des Heiligen Grabes dazu ohne Menschenverluste austritt - gerade dies treibt den Hass des obersten Hirten der Christenheit zur Weißglut. Allein - er lässt es mit Bannfluch und Toterklärung des siegreichen Kaisers, des­sen Königreich Sizilien er durch seine „Schlüsselsoldaten" überfallen lässt, dessen Untertanen er von ihren ihm ge­schworenen Eiden löst, nicht bewenden - er fordert heim­lich sogar seinen eigenen Todfeind, den Sultan der „Un­gläubigen", auf, Friedrich das Heilige Grab nicht heraus­zugeben und - Gipfel apostolischer Entwürdigung - be­reitet mit den Templern einen Mordanschlag auf den Kai­ser vor, während der sich zur Taufstelle am Jordan bege­ben wird. Der muslimische Sultan persönlich ist es, der dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches das Leben rettet: „Angeekelt von diesem niederträchtigen Verrat", sende er ihm das mit dem Siegel des Ordensmeisters der Templer versehene, verräterische Schriftstück zu. Vor seiner Heimreise macht sich die kirchliche Wut über den Friedens- und Gleichberechtigungsvertrag Luft durch Verhängung des Interdikts über Jerusalem und das Schweigen aller Glocken, solange Friedrich sich dort aufhält, und durch Schleudern von Kot auf den Kaiser und das abziehende Heer.

 

 

Von seiner Bindung an die arabischen Freunde zeugt sein Abschiedsgruß, den er nach seiner Abreise auf See an den Emir Fachr al-Din geschrieben hat, der schon als Gesandter des Sultans an seinem Hof in Sizilien weilte und in Jaffa das Zelt mit ihm teilte, während er die Verhandlun­gen zwischen beiden Fürsten führte. Nicht von ungefähr ist diese in arabischer Sprache, die Friedrich von Jugend auf in seiner sizilianischen, zum Teil von Arabern be­wohnten Heimat neben der lateinischen lernte, an den ara­bischen Freund gerichtete Brief das ergreifendste, weil persönlichste Dokument, das aus der Feder dieses Kaisers geflossen ist, geschrieben nach ihrer Trennung, die dem in menschlichen Beziehungen sonst so Zurückhaltenden das stürmische Bekenntnis entreißt:

 

 

„Im Namen des liebenden und gütigen Gottes (Al­lah)! Die Herzen ankerten fest trotz Unserer Fahrt: Sie machten sich los vom Körper, von Wesen und Art und gaben sich Eurer Freundschaft ewig in Pacht. Dann flogen sie auf zurück zu Unserer Macht. Nicht denken Wir von dem Kummer zu sprechen, den Uns Liebe leiden ließ, von der schlimmen Schwermut nicht, die Uns beschlichen, noch davon, wie sehr Wir Uns sehnen nach der beseligenden Gemeinschaft des Fachr - Gott verlängere seine Ta­ge! ...

 

 

Wohl allzu weit haben Wir in diesem Eingang Uns gehen lassen; doch wühlt die Verwirrung des Man­nes Uns auf, der sich einsam sieht in der Welt nach Zeiten der Stille und Gemeinschaft. Die Trauer der Trennung folgte auf Seligkeit und befriedeten Drang, Verzweiflung auf die Begeisterung unserer Gespräche" - und indem er mit der konventionellen Form des majestätischen Plurals alle Hüllen seiner Seele fallen lässt -„Da du schiedest, war mir so, dass, hätte man mir die Wahl gewährt zwischen Ferne und Tod, ich ihm zugerufen hätte: Wohltat erweisest du mir!"12

 

 

Diese Haltung, den Gegner sachlich und frei von Feind­seligkeit oder Hassgefühlen als Menschen zu sehen und, sofern er es wert ist, als solchen zu achten, ist die spezifi­sche Eigenart der drengskapr-Ethik, die in der germani­schen Kriegerethik die starre Racheform abgelöst hatte13 Als eine Frühform germanischer Ritterlichkeit setzt sie sich im Rittertum vor allem in Deutschland fort. Nicht nur die Geschichte selbst hat kostbare Zeugnisse dieser von Feindschaft freien Gegnerschaft gezeitigt, die sachliche Wertung, Würdigung und Achtung, ja Ehrung und Freundschaft zwischen den Gegnern wachsen lässt.

 

 

Vor allem Wolfram von Eschenbach hat, während die Kreuzzugsgräuel auf dem Weg ins Heilige Land und dort ­selbst ins Kraut schossen, diese besondere Blüte der Ritterlichkeit14 speziell dem arabischen Gegner gegenüber immer erneut mit besonderer Hingabe gezeichnet: im Zweikampf Parzivals mit seinem arabischen Halbbruder, dem edelmütigen Feirefiz, der sein Schwert von sich wirft, als Parzivals Schwert zerbrochen und dieser ihm waffen­los ausgeliefert ist; im „Willehalm" im Verhalten des Feldherrn gegen die Araber Rennewart und Gyburg und gegenüber dem arabischen Heer und seinen Fürsten. Während Kreuzfahrer noch in der Hochflut der von Päpsten und Geistlichen aufgerührten Hassekstasen gegen die mus­limischen Ungläubigen schwimmen, singt hier der Ritter Wolfram von Eschenbach in der Totenklage des Feldherrn Willehalm das Hohelied Rennewarts, des edelsten Ara­bers, der für ihn „mit Gottes Hilfe" den Sieg erfochten hat:

 

 

Du starker Held, du herrlicher Jüngling,

Soll ich nun deiner mannhaften Tüchtigkeit

Und deinem schlichten freundlichen Wesen,

Deinem hohen und weit verbreiteten Ansehen

Nicht dienen dürfen, so bin ich zugrunde gerichtet.

Hat dich der Tod mir geraubt?

Sollst du nun keinen Dienst von mir empfangen

Und nicht von dem, was ich auszuteilen vermag?

Du erkämpftest mir doch dies Land,

Du erhieltest mir mein Leben und Gyburg,

mein schönes Weib.

Ohne deine auserwählte Tapferkeit

Wäre es um meinen alten Vater geschehen gewesen...

Ohne dich meine Brüder und Gesippen verloren.

Du warst das Steuer meines Schiffes

Und der rechte Segelwind,

Der die Söhne Heinrichs sicher auf römischer Erde ankern ließ.

In so hohem Ansehen noch keines Namens Ruf

Bei den Menschen unserer Tage gestanden.

 

 

Und in offenem Protest gegen die von der Kirche verord­nete Lehre, die das Recht zum Leben und zum Töten von der Taufe abhängig macht, empört sich der deutsche Ritter Wolfram:

 

 

 

„Ist das nicht Sünde, dass man die,

die nie Kunde von der Taufe empfingen,

erschlug wie Vieh?

Ich spreche hierbei sogar von großer Sünde,

Weil alle Gottes Geschöpfe sind.

Alle Menschen der zweiundsiebzig Sprachen,

die er geschaffen hat." 15

 

 

Bezeichnenderweise war es ein Deutscher, den es, vom Kreuzzug an den Rhein heimgekehrt, drängte, seinem Dank und seiner Rührung Ausdruck zu geben und einen Brief in das ferne Ägypten an den Sultan al-Kamil zu schreiben: Nach der entsetzlichen, auf Befehl des päpstli­chen Kardinallegaten durchgeführten Hinschlachtung der gesamten Bevölkerung von Damiette bei der Einnahme der lang umkämpften Festung am Nildelta packte den deutschen Scholastikus Oliverus aus Köln die überwälti­gende Entdeckung arabischer Ritterlichkeit al-Kamils trotz all der gewohnten Greuel seitens der Christen wie ein unfassliches Glückserlebnis.16 Er schrieb 1221 an den Sultan al-Kamil, jenen Freund Friedrichs II., der, anstatt Gleiches mit Gleichem zu vergelten, dem Christenheer, das tage­lang größte Hungersnot litt, vier Tage hindurch je 30.000 Brote und andere Lebensmittel geschickt hatte:

 

 

„Von alten Zeiten her hat man von keinem Beispiel solcher Güte einer Menge Feinde gegen Gefangene gehört. Als uns nämlich Gott in Deine Hand einge­schlossen hatte, haben wir Dich nicht als einen Ty­rannen und Herrn, sondern als einen Vater in Deinen Wohltaten, als einen Helfer in aller Gefahr kennen gelernt.

 

 

Wer könnte zweifeln, dass eine solche Güte, Freund­lichkeit und Barmherzigkeit von Gott ausgegangen ist. Die Männer, deren Eltern, Söhne, Töchter, Brü­der und Schwestern wir mit vieler Qual getötet ha­ben, die haben uns, als wir vor Hunger am Sterben waren, mit ihrer eigenen Speise erquickt und uns mit vielen Wohltaten gütig behandelt, während wir doch in ihre Herrschaft und Gewalt gegeben waren."

 

 

Hier hatte eine Glocke angeschlagen, die eine andere zum Schwingen brachte.

 

 

Dass ein Araber derartige Beweise hoher Menschlichkeit gab, war kein Einzelfall. Auch als der im Abendland in hohen Ehren stehende englische König Richard Löwen­ herz, der im Heiligen Land diesen Ruf brutal Lügen strafte und immer von neuem auf schändliche Weise beschmutz­te, etwa dreitausend arabische Gefangene, denen er das Leben zugesichert hatte, überraschend aus einer Laune niedermetzeln ließ - worauf der Führer des französischen Heeres seinem Beispiel folgte - und mit dieser mörderi­schen Untat seinen Ruf und die Früchte seines Sieges elend verspielte, beschämte Sultan Saladin die christlichen Heerführer, indem er keineswegs etwa ihren Wortbruch und ihre schrankenlose Brutalität an den in seiner Hand befindlichen christlichen Gefangenen rächte. Ebenso wie er bei der Übernahme des rückeroberten Jerusalem, das ihm durch grausamste Massaker seitens der Kreuzritter entrissen worden war, ergreifende Beweise seiner Ritter­lichkeit gegenüber den christlichen Bewohnern gab, ver­galt er jene Untaten mit menschlicher Güte.

 

 

Im Gegensatz zu den Muslimen kannte die christliche Ritterschaft keine Verpflichtung, einem „Ungläubigen" selbstverständlichste Menschenrechte zuzubilligen, wie schon einfachste Nächstenliebe sie gefordert hätte, und fühlte sich nicht gebunden, ein ihm gegebenes Wort zu halten.

 

 

Als die Kreuzfahrer 1204 sogar ihre eigenen Glaubens­brüder in Byzanz niedergemetzelt hatten, wehklagte Ni­ketas Akominatos: „Selbst die Sarazenen sind gut und mitleidig, verglichen mit diesen Leuten, die das Kreuz Christi auf der Schulter tragen."

 

 

Entscheidende Unterschiede im Verhältnis zum Anders­gläubigen gründen schon im jeweiligen Selbstverständnis von Christentum und Islam und ihrem unterschiedlichen Menschenverständnis.

 

Unterschiedliches Selbstverständnis von Christentum und Islam

 

Das Christentum beruft sich auf das Alte Testament als die Vorbereitung des Heilsplans und Ankündigung Jesu, auf das Neue Testament als Mitteilung über Jesu Verkün­digung des Gottesreiches und auf des Paulus Auslegung, seiner Botschaft von der Erlösung durch den Tod Jesu Christi.

 

 

Der Islam erhebt dagegen einen umfassenden Geltungs­anspruch als die „Religion des Anfangs der Menschheits­geschichte"17, als die allen gemeinsame, überzeitliche und absolute Uroffenbarung Gottes, die als ein und dieselbe durch Gesandte immer von neuem allen Völkern der Erde verkündet wurde.

 

 

„Gott", arabisch „Allah" - zu dem man jahrhundertelang schon vor Mohammed gebetet hatte - ist nicht ein Name wie Jahwe oder Jehova. „Allah" bedeutet „Gott". Weshalb Sure 3,85 im Koran lautet:

 

 

„Wir glauben an Gott und an das, was er uns als Of­fenbarung gesandt hat, und an das, was er dem Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen of­fenbarte und an das, was Moses, Jesus und anderen Propheten von ihrem Herrn zuteil geworden ist - wir machen zwischen keinem von diesen einen Unter­schied. Ihm sind wir ergeben."

 

 

Der letzte und das „Siegel" der Propheten ist der Prophet Mohammed.

 

 

Diejenigen, die von der Offenbarung des einen Gottes abgefallen sind, die Polytheisten oder Götzendiener, die Vielgötterei betreiben - das sind die Ungläubigen. Den Juden, Christen und Parsen aber, die die Offenbarung empfangen, sie aber entstellt haben, - diesen „Schriftbesit­zern" dagegen gewährt Allah Schutz und freie Ausübung ihrer Religion in ihren Gotteshäusern, sowie ihren Geistli­chen. Ja, Mohammed selbst verbürgt sich ausdrücklich für sie. Denn - wie er gemäß dem Hadith, der Sammlung sei­ner Aussprüche - erklärt hat:

 

 

„Wer einem Juden oder Christen Unrecht tut, gegen den trete ich selbst als Ankläger auf am Tage des Gerichts!"

 

Das islamische Menschenbild: Sünder? - Sklave Gottes? - Fatalist? - Dschihad?

 

Wie wenig das Abendland von der, nach dem Christen­tum, größten Religionsgemeinschaft der Welt weiß, zeigen die Vorstellungen, die es mit dem islamischen Menschen­bild verbindet.

 

 

Islam als „Ergebung in Gottes Willen" und somit „Fata­lismus", „Abd Allah" als „Sklave Gottes" infolge Adams „Sündenfall" - wem sich diese Schlagwörter auf die Lip­pen drängen, der hat die Schablone der eigenen Gedan­kenwelt über die islamische gelegt.

 

 

Doch er muss alle diese ihm geläufigen Begriffe und Vor­stellungen beiseite lassen. Es gibt im Islam keine „Erb­sünde", keine sündigen ersten Menschen, keine Sündigkeit als wesensmäßige Befindlichkeit des Menschen. Eine Schuld vermögen Reue und das Verzeihen des erbarmen­den Vergebens zu tilgen. Ja, Allah vergibt sogar Adam - von dem gemäß der Bibel alles Unheil der Welt seinen Ursprung nahm, der aber durch keines Menschen Buße Vergebung erlangt, es sei denn durch Jesus, den Erlöser: Allah vergibt sogar Adam, weil Adam bereut.

 

 

„Und der Herr kehrt sich wieder zu ihm: denn siehe, er ist der Vergeber, der Barmherzige! (Kur'an, Sure 2,37)

 

 

Bei der Schöpfung hat der Schöpfer dem Menschen sei­nen Geist eingehaucht (Kur'an, Sure 32,9), so dass er etwas Göttli­ches in sich trägt und als Muslim in der unmittelbaren, unvermittelten Verbindung der Gottergebenheit steht. So ist er als Träger des göttlichen Elements zugleich Abd Allah, Diener oder Sklave Gottes, ja - befähigt Vertreter Gottes zu sein.18 Sklave sein bedeutet im alten arabischen Orient nicht wie in Rom oder China rechtloses unter­drückt- und ausgebeutet sein - sondern ein eher auf Wech­selseitigkeit beruhendes, familiäres Umsorgen und ant­wortendes besorgt sein.

 

 

 

Welche verfälschenden Vorurteile das Gesicht des Islams darüber hinaus leichtfertig entstellen und bis heute in feindseliger Gesinnung verzerren, zeigt das von gänzlicher Unkenntnis des Islams diktierte Wort des großen deut­schen Philosophen Leibniz (1646-1716), der dem „fatum stoicum", das dem Menschen, der in das ihm verhängte Schicksal Einblick nehmen kann, Ruhe verleiht, und dem „fatum christianum", „das der Christ geduldig tragen soll und zufrieden, dass es von einem gnädigen Herrn gelenkt sei", als herabziehenden Kontrast das „mahumentanische" Fatum, das „fatum mahumetanum" gegenüberstellt, das gänzlich finster und unentrinnbar sei, so dass der Mensch nicht einmal versuchen könne, den dräuenden Gefahren auszuweichen, sondern blind in sie hineinlaufe.

 

 

Eine glatte Verfälschung! Hier ist auf höherer Ebene un­verändert die gleiche Schwarz-Weiß-Malung am Werk wie im frühen Mittelalter.

 

 

Diesem vielfach genährten Vorurteil des den Muslim beherrschenden „Fatalismus" widersprechen der Geist des Korans und die Worte des Propheten energisch, die den Menschen im Gegenteil aufrufen, sich aus freiem Willen zu entscheiden, die an seine Verantwortung appellieren, zwischen verschiedenen Möglichkeiten, unter den entgegengesetzten Neigungen zu wählen, zwischen positiven und negativen Werten freie Wahl zu treffen, sich entweder an egoistischen Motiven und Zielen zu orientieren oder sich in Gottes Willen zu ergeben - jedoch keineswegs sich einem blind waltenden Fatum passiv auszuliefern. Die freie Entscheidung setzt die bewusste Verantwortlichkeit des Muslims voraus, dass auch er selbst sich zu ändern vermag, „seine Seele rein zu halten und sie nicht verküm­mern zu lassen". (Kur'an, Sure 91,9-10)

 

 

„Diese Unabhängigkeit des Menschen", die in seiner bewussten freien Entscheidung, in seiner alleinigen Ver­antwortlichkeit und selbständigen Aktivität zum Ausdruck kommt - erklärt der große Islamforscher Falaturi - „greift sogar insofern in den göttlichen Bereich ein, als alles, was ihm von Gott zukommt, von ihm selbst verursacht wor­den" ist:

 

 

„Gewiss, Allah, der einzige Gott, ändert die Lage ei­nes Volkes nicht, ehe sie nicht selbst das ändern, was in ihrer Seele ist." (Kur'an, Sure 13,11)

 

 

„Das bedeutet, dass selbst der gottgläubige Mensch nicht der Willkür unterworfen ist, sondern selbst das bewirkt und bestimmt, was ihm von Gott zukommt. Der Mensch bestimmt also in allem, was ihn betrifft, sein Schicksal". 19 Zum islamischen Menschenbild trägt auch ein vierter Be­griff bei, den das Abendland nur in sehr einseitiger Be­deutung kennt und verwendet: „Dschihad" meint keines­wegs schlechthin „heiliger Krieg". Dschihad ist jede An­strengung, jede Bemühung, jede Stärkung des „Islams in uns, um uns und in der Welt - der täglich neue Kampf gegen die widerstrebenden Kräfte in uns und unserer Umwelt, die Quelle, aus der der Muslim die Kraft schöpft, die ihn befähigt", sich seiner Verantwortung zu stellen, sich bewusst Gottes Willen zu ergeben. „Dschihad ist das permanente Im-Aufbruch-Sein der muslimischen Gemein­schaft auf der einen und die ständige Abwehrbereitschaft gegen alle Kräfte, die sich der Realisierung der islami­schen Gesellschaftsordnung im Machtbereich der Muslime entgegenstellen auf der anderen Seite“.20

 

Ausbreitung des Islams mit „Feuer und Schwert"?

 

Ganz im Gegenteil freilich zu einem der starrsten Vor­urteile gegenüber dem Islam spielt die arabische Toleranz sogar die entscheidende Rolle bei seiner Verbreitung. Nicht nur die christliche Geistlichkeit hatte so etwas nicht erwartet. Inzwischen sind zwölfhundert Jahre vergangen - aber das christliche Abendland hält bis heute in Wort und Schrift, in Zeitungen und Büchern, in der allgemeinen Meinung und der neuesten Propaganda an dem Ammen­märchen fest, nach Mohammeds Tod hätten arabische Heere „den Islam mit Feuer und Schwert" vom Indus bis zum Atlantik verbreitet. Diese Formel ist in diesem Zu­sammenhang zum „geflügelten Wort" geworden, obwohl sie jeder geschichtlichen Wahrheit und Wirklichkeit ent­behrt.

 

 

„Es soll kein Zwang sein im Glauben", lautet das verpflichtende Wort im heiligen Koran (Kur'an, Sure 2,256)

 

 

Ziel und Sinn der Eroberungszüge durch die arabi­schen Heere war die Ausbreitung des Herrschaftsbereichs Gottes in der Welt - nicht des islamischen Glaubens! Im Gegenteil! Die Christen sollten Christen, die Juden sollten Juden bleiben wie zuvor. Niemand hinderte sie und durfte sie an der Ausübung ihres Glaubens hindern. Niemand beeinträchtigte ihre Geistlichkeit, ihre Gotteshäuser, ihre Gottesdienste.

 

 

Die neuen Herren über die unterworfenen Völker er­schwerten geradezu ihren Übertritt. Man brauchte ja ihre Steuern, die aber entfielen, sobald sie sich zum Islam be­kannten.

 

 

Es waren die Andersgläubigen - eben Christen, Juden, Sabier, „Heiden" - die von sich aus zum Islam, zum Be­kenntnis und Kult der Sieger, ihrer neuen Herren, dräng­ten, mehr als diesen lieb sein konnte: die arabische Namen wählten, arabische Kleidung, arabische Sitten annahmen, die die arabische Sprache lernten, arabisch heirateten und die islamische Bekennerformel, die „schuhada", nachspra­chen. Die Faszination des arabischen Lebensstils, der ara­bischen Kultiviertheit, Vornehmheit, Eleganz und Schön­heit - kurz, der eigentümliche Zauber der arabischen Kultur, nicht am wenigsten die Großmut und Duldsamkeit - sie übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.

 

 

Die christlichen Glaubenshirten in Andalusien bezeugten erbittert den Sog der arabischen Geistigkeit, dem die christlichen Schäflein allzu bereitwillig erlagen. Alvaro, Bischof von Cordoba, klagte in bewegten Worten:

 

 

„Viele meiner Glaubensgenossen lesen die Gedichte und Märchen der Araber, sie studieren die Schriften der muslimischen Theologen und Philosophen, nicht um sie zu widerlegen, sondern um zu lernen, wie man sich auf korrekte und elegante Weise im Arabi­schen ausdrückt. Wo findet man heute einen Laien, der die lateinischen Kommentare übe die heiligen Schriften liest? Wer unter ihnen studiert die Evangelien, die Propheten, die Apostel? Ach, alle jungen Christen, die sich durch ihr Talent bemerkbar ma­chen, kennen nur die Sprache und Literatur der Ara­ber! Sie lesen und studieren aufs eifrigste die arabi­schen Bücher, legen sich mit enormen Kosten große Bibliotheken davon an und sprechen überall laut aus, diese Literatur sei bewunderungswürdig! Redet man ihnen dagegen von christlichen Büchern, so antwor­ten sie mit Geringschätzung, diese Bücher verdien­ten nicht ihre Beachtung! O Schmerz, die Christen haben sogar ihre Sprache vergessen, und unter Tau­senden von ihnen findet man kaum einen, der einen erträglichen lateinischen Brief zu schreiben versteht; dagegen wissen Unzählige, sich aufs eleganteste im Arabischen auszudrücken und Gedichte in dieser Sprache mit noch größerer Kunst als die Araber selbst zu verfassen".21

 

 

Derselbe Zauber der arabischen Lebensart schlug noch die Kreuzfahrer im Orient in kurzer Zeit in seinen Bann. „Wir, die wir Abendländer waren, sind nun Orientalen geworden", meldete der Franzose Fulcher von Chartres stolz, überwältigt von dem fremden Reiz dieser von Far­ben und Düften betäubenden Wunderwelt. Warum sollten sie in den ärmlichen Westen zurückkehren, nachdem „Gott das Abendland in das Morgenland verwandelt" hatte?22

 

Islam - Rivale der Kirche

 

Wie ernst die Lage war, welche Konkurrenz sich für die Kirche aufbaute, zeigte, dass um sich den Araber-Fans ver­ständlich zu machen und sie der christlichen Religion nicht verloren zu geben, Erzbischof Johannes von Sevilla das Evangelium für sie, die die arabische Sprache der la­teinischen vorzogen und sie schon vergessen hatten, in die Sprache des Korans, ins Arabische, übersetzte hatte. Nicht von ungefähr musste die Kirche feststellen, dass ihr An­spruch, allein selig zu machen, existentiell bedroht wurde, dass ihr im Islam nicht nur ein mächtiger Glaubensfeind erstanden war, sondern ein ernstzunehmender Rivale, dem ihre Gläubigen freiwillig zuliefen.

 

 

Ihn konnte sie nicht durch ein gut gewappnetes Heer al­lein bekämpfen - wichtiger war eine psychisch-religiöse Hochrüstung zum von Gott auserwählten Waffenträger und die Inkriminierung und Diabolisierung des gefährli­chen Rivalen zu „Feinden Gottes" und zu „Teufeln", „die uns des heiligen Glaubens wollen berauben", wie es in der neuen, nach arabischem Vorbild reimenden Dichtweise jetzt munter zu sprudeln beginnt. Nicht nur die Predigten des kirchlichen Klerus allein, eine kaum bewusst vom ara­bischen Reim profitierende Literatur geistlicher Dichter der Kreuzfahrerzeit sorgt jetzt für propagandistische Ab­schreckung. Sie zielt auf den Dualismus von einseitiger moralischer Aufrüstung der Christen, die als hehre Helden gefeiert und mit strahlenden, himmlischen Gaben belohnt werden sollen, und einseitiger Diffamierung der Muslime, die „erschlagen und in ihrem Blute zertreten zu werden" verdient haben.

 

 

"Für die geistlichen Dichter der „Kaiserchronik" im Klo­ster Regensburg und des gleichfalls in Regensburg dich­tenden Pfaffen Konrads „Rolandslied" (um 1130) gibt es nur wildesten Hass auf das „von Gott verfluchte, mordgierige Volk" der Heiden: sie sind „Hunde und Schweine", die, weil ihre „Abgötter" ohnmächtig sind, „zu Aas zu werden" und für die Hölle bestimmt sind. „Machmet" (wie ihr vermeintlicher „Götze Mahomet" aus Mohammed ver­ballhornt zu werden pflegt) „hat dich mir zugesandt, dass ich dir dein Haupt abschlage, deinen Körper den Vögeln vorwerfe und dein Haupt auf meinen Spieß stecke". Wenn sich jemand weigert, die Taufe zu nehmen, „lässt ihn der Kaiser hängen, niederschlagen oder verbrennen". Sie sind „allzumal des Teufels Gesinde" und allesamt verloren. „Gottes Zorn schlägt sie an Leib und Seele, sie bewohnen die Hölle in Ewigkeit".23

 

 

Dies war das für die Kirche ja ganz Unglaubliche, Beun­ruhigende: Aus freien Stücken hatten die unterworfenen Völker den Islam angenommen - nicht durch Bekehrung, nicht durch Mission oder Glaubenszwang! Der arabischen Toleranz, arabischer Geistigkeit und Lebensart und ihren vielfältigen Verzauberungen waren die Christen Spaniens und nicht nur Spaniens allzu leicht erlegen - nicht - wie man hartnäckig verfälschend behauptet - durch „Feuer und Schwert"! Was sich freilich änderte, als das spezifisch arabische Toleranzgebot des Islams durch die im Osten von Asien her einströmenden Turkvölker und durch die Mongolen, sowie das türkisch-osmanische Reich an ver­pflichtender Kraft verlor.

 

 

Mit Toleranz war es in Spanien natürlich endgültig vor­bei, als die christlichen Staaten aus Nordspanien nach und nach die Araber zurückdrängten und 1492 die Reconquista mit der Einnahme des arabischen Juwels Granada und seiner Alhambra ihren Sieg vervollständigte. Denn der Sieg des Christentums bedeutete Austreibung der Juden und Muslime oder Zwangstaufe, sowie Einsetzung eines Generalinquisitors zur Verfolgung aller Andersgläubigen und Aufbietung des Autodafe, der feierlich-öffentlichen Verbrennungszeremonie für die dennoch dem ererbten Glauben in der Stille anhängenden „bekehrten" Juden und Muslime. Mit ihnen versank die großartigste und frucht­barste Kultur, die der europäische Kontinent während des Mittelalters besessen, in einem Meer von Schrecken, in dem die Wogen des religiösen Fanatismus alles verschla­gen.

 

 

Dieses Lied eines Verzweifelten, das die Brüder in Nord­afrika zur Hilfe rufen sollte, war der Regierung in die Hände gefallen:

 

 

Vom Lande Andalusien nun, dem weltberühmten,

will ich künden,

Wie von den Glaubensfeinden es geknechtet

wird, dem Volk der Sünden.

Gleich wie verirrte Lämmer stehn wir da,

umzingelt von den Grimmen,

Und wünschen uns den Tod, so viel erdulden

täglich wir des Schlimmen;

Zu ihrem Glauben zwingen sie gewaltsam unser

Volk und wollen,

Dass wir gleich ihnen auf den Knien zu ihren

Götzen beten sollen.

In steter Drangsal leben wir, in steten Ängsten

und erschrocken,

Zum gottverhassten Bilderdienst uns rufen sie

mit ihren Glocken.

Von ihren Spähern sind wir stets umringt,

die uns den Tod geschworen;

Wer Gott in seiner Sprache lobt, oh!

rettungslos ist der verloren!

Zu ihrem Dienst sind Häscher stets,

um einzufangen den Verdächt'gen;

Und wär er tausend Meilen fort,

sie wissen sein sich zu bemächt'gen.

Im düstern Kerker muss er dann auf hartem Boden

hin sich strecken;

Bei Tag wie Nacht „Besinne dich!" ruft man

ihm zu, ihn zu erschrecken;

Da liegt der Unglücksel'ge denn, und der

Befehl sich zu besinnen,

Dröhnt ihm im Ohre nach, indes ihm Tränen

aus den Augen rinnen;

Ihm bleibt kein Trost als die Geduld, indes,

von Finsternis umnachtet,

In dem entsetzlichen Verlies er lange, lange

Tage schmachtet.

Abgründe tief und grauenvoll erschließen sich

vor seinen Blicken,

Ein uferloses Meer; nicht wird es zu

durchschwimmen einem glücken.

Fort in die Marterkammer drauf schleppen sie

ihn, und jeder Knochen

Wird auf der Folterbank, auf die man fest ihn

bindet, ihm zerbrochen;

Dann auf dem Platze Attaubin versammeln sich

die schnöden Christen;

Errichtet wird dort ein Schafott, ein

schreckliches, auf Holzgerüsten;

Und diesen Tag vergleichen sie dem Weltgericht;

zu Schimpf und Schande

Muß, wer zum Tod verdammt nicht ist,

dort stehn im gelben Bußgewande;

Die andern aber führen sie mit grausen Statuen

zusammen

Zum lohen Scheiterhaufen fort, und elend sterben

sie in Flammen.

Oh, wie von einem Feuerkreis umzingelt sind wir von Gefahren;

Nicht eine Qual auf Erden gibt es, die unsre

Feinde uns ersparen!24

 

 

1781 wurde das letzte Todesurteil vollstreckt. Erst 1834 wurde die Inquisition in Spanien aufgehoben.

 

 

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Anmerkungen:

 

 

9 Sigrid Hunke, Kamele auf dem Kaisermantel, Kap. „Zurückhaltung der Deutschen vom Kreuzzugsfieber, S. 51ff.

10 Sigrid Hunke, Das Reich und das werdende Europa, 1965, „Heiligkeitsanspruch gegen Heiligkeitsanspruch", S. 25ff.

11 Boha ad-Din, zit. n. Hanns Wollschläger, Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusa­lem, 1973, S. 98.

12 Sigrid Hunke, Allahs Sonne, a.a.O., S. 265.

13 Sigrid Hunke, Das Reich und das werdende Europa - eine europäische Ethik, 1965, S. 84ff.

14 Ebd., S. 113ff.; Hunke, Kamele auf dem Kaisermantel, S. 91ff.

15 Ebd., S. 66.

16 Ebd., S. 64f.

17 Gustav Mensching, Zum Phänomen des Absolutheitsanspruchs im Christentum und im Islam, in: Der Orient in der Forschung, Festschrift für O. Spies, hg. v. W. Henerbach, 1967, S. 449.

18 Adbuldjawad Falaturi, Gott und Mensch aus islamischer Sicht, in: Islam und Chri­stentum, Köln 1983, S. 57ff.

19 A. Falaturi, Der Islam im Dialog, Köln 1979, S. l Of.

20 H. Achmed Schmiede, Dschihad - nur „heiliger Krieg"?, in: Al-Islam 5/75. 21 Zit. n. S. Hunke, Allahs Sonne, a.a.O., S. 143. 22 Sigrid Hunke, Kamele, a.a.O., S. 99/100.

23 Siegfried Stein, Die Ungläubigen in der mittelalterlichen Literatur, Diss. 1993.

24 Zit. n. S. Hunke, Allahs Sonne, a.a.O., S. 346.

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