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"Büchse der Pandora" geöffnet?

Rhetorische Zuspitzung bereitet Klima für Gewalt, warnen Experten.

Mit der umstrittenen Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama scheint die "Büchse der Pandora" geöffnet worden zu sein. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit machen rechte Gruppierungen massiv gegen den Präsidenten mobil.

 

Seit Wochen werden Plakate mit Obama als Bösewicht "Joker" aus der Batman-Filmserie affichiert, auf Demonstrationen sind Transparente Obamas mit Hitler-Bärtchen zu sehen, bei Versammlungen kommt es immer wieder zu Handgreiflichkeiten.

 

Von einem bedrohlichen Stimmungswechsel und einer Basisbewegung des konservativen Amerika berichten einige Medien bereits - und Experten warnen angesichts der Brechens aller Tabus von Politikern und rechten Kommentatoren sogar schon vor Schlimmerem.

 

"Tod Obama"

Die Zeichen sind tatsächlich bedrohlich. Bei einer Kundgebung in Maryland war erstmals ein Schild zu sehen, auf dem Obama der Tod gewünscht wurde - und auch "Michelle und den zwei dummen Kindern". Der Mann, der das Schild trug, wurde von den Bundesbehörden in Beobachtung genommen.

 

Während Obama in New Hampshire für die Pläne warb, richteten sich die Fernsehkameras auf den Waffenaktivisten William Kostric. Der Baum der Freiheit müsse von Zeit zu Zeit erfrischt werden, zitierte er Jefferson - mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen, meinte er nur wenige Meter von dem Treffen entfernt mit einer Pistole im Halfter.

 

Demonstranten bewaffnet

Denselben Spruch trug der rechtsextreme Timothy McVeigh bei seiner Verhaftung auf einem T-Shirt. Er war der Haupttäter des Bombenanschlags von Oklahoma City mit 168 Toten und über 500 Verletzten.

 

Und das Beispiel macht offenbar Schule: In Phoenix (Arizona) demonstrierten etwa ein Dutzend Menschen mit Revolvern und einem Sturmgewehr bewaffnet am Rande einer Veteranen-Veranstaltung mit Obama. In Arizona verbietet kein Gesetz das offene Tragen von Waffen.

Hitler- und Stalin-Vergleiche

Die republikanischen Politiker müssen sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, die Stimmung angeheizt zu haben - vor allem mit dem Tonfall, den sie angeschlagen haben. Die zurückgetretene Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, sprach angesichts der "bösen" Pläne für die Gesundheitsreform von einem "Todesgremium" - eine Formulierung, die sie auch nicht zurücknehmen wollte.

 

Der Ex-Senator Rick Santorum, Hoffnungsträger der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2012, warnte in einer E-Mail, Obama wolle Amerika in ein "sozialistisches Utopia" verwandeln, was noch einer der harmloseren Vorwürfe ist: Mit Hitler und Stalin wurde Obama schon verglichen.

 

Rechte Milizen im Aufwind

Die NGO Southern Poverty Law Centre warnte erst vergangene Woche vor einem starken Anwachsen der potenziell gewalttätigen rechten Milizen. Von rund 600 solcher Gruppen im Jahr 2000 sei die Zahl nun auf über 920 gestiegen.

 

"Das ist das signifikanteste Wachstum, das wir in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren beobachten konnten", so der auf solche Gruppen spezialisierte Bundesbeamte Bart McEntire. Es fehle nur noch der Funke, der das Pulverfass zum Explodieren bringe: "Ich glaube, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir Gewalt sehen werden." Andere Experten sehen in der emotionalen Debatte über die Gesundheitsreform genau jenen Funken schon entzündet.

 

Bizarre Debatte über Geburtsort

Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit, bis die Gegner Obamas ein Thema gefunden hatten. Doch es ist nicht das einzige. Schon seit Wochen kursieren wüste Verschwörungstheorien darüber, wo Obama geboren wurde.

 

Hartnäckig wird - trotz gegenteiliger Beweise - kolportiert, sein Geburtsort sei nicht Hawaii, sondern Kenia - und er wäre damit illegal zum Präsidenten gewählt worden. Und nicht nur rechte Spinner orientieren sich daran. In zwei Umfragen glaubten nur knapp über 50 Prozent der Befragten, dass Obama tatsächlich in den USA geboren wurde.

 

Mehr als nur rassistische Untertöne

Schon zuvor hatte sich Obama selbst in die Nesseln gesetzt. Jenen weißen Polizisten, der den Harvard-Professor Henry Louis Gates beim gewaltsamen Öffnen der Tür seines eigenen Hauses festgenommen hatte, dumm zu nennen, konnte er auch nicht mit der anschließenden Einladung auf eine Runde Bier im Weißen Haus kaschieren. Für die Rechte - bis hinein in die Medien - war das ein gefundenes fressen. Glenn Beck vom TV-Sender Fox konstatierte Obama einen "tiefen Hass auf Weiße und die weiße Kultur".

 

Beck sei derzeit wohl der "zynischste Demagoge", schreibt der britische "Guardian" Beck hatte zuvor schon vermutet, Obama plane schwarze Listen und Internierungslager für politische Gegner, die Gesundheitsreform sei in Wahrheit Teil eines Plans, "Wiedergutmachung" für Schwarze für ihre jahrhundertelange Unterdrückung einzutreiben.

 

Warnungen vor Einzelgängern

Sobald solche Aussagen in großen Medien oder von Politikern getätigt werden, herrsche höchste Alarmstufe, meinen Experten. "Das ist ein Klima, in dem Extremisten in der Gesellschaft zu glauben beginnen, ihre Meinungen seien gang und gäbe", so Professor James Corcoran vom Simmons College.

 

Die Situation ist sehr gefährlich, meint auch Chip Berlet, der über rechtsextreme Aktivisten ein Buch geschrieben hat: "Einzelgänger könnten nun meinen, es sei die Zeit gekommen, gegen jene zuzuschlagen, die sie als Feinde sehen."

 

Behörden gewarnt

Die Bundesbehörden sind gewarnt. Ende Mai war der prominenter Abtreibungsarzt George Tiller in Kansas auf dem Weg zur Kirche erschossen worden, nur wenige Wochen später wurde bei einem ebenfalls politisch motivierten Anschlag auf das Holocaust Museum in Washington ein schwarzer Wachmann getötet.

 

Mit einem Spezialprogramm will man nun versuchen, entsprechenden Verdachtsmomenten für rechtsextreme Anschläge noch genauer nachzugehen.

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