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Muslime warten noch immer auf eine professionelle Vertretung ihrer Anliegen

 

(iz). Es gibt über drei Millionen Muslime in Deutschland, aber immer noch keine offizielle Repräsentanz der Muslime in Berlin. Im Gegensatz zu den anderen Konfessionen und ihren repräsentativen Einrichtungen gibt es immer noch keinen vergleichbaren "Lobbyismus" der Muslime in Berlin. Noch nicht einmal eine eigenständige Internetseite zeigt an, was Muslime denken, was sie fordern, was sie beitragen können oder überhaupt wollen. Es fehlt zudem an nachvollziehbaren Stellungnahmen zu den relevanten gesellschaftlichen Themen. Gerade jetzt, wo sich negative Meldungen über die Muslime häufen, wäre aber eine effektive und professionelle Vertretung muslimischer Anliegen längst überfällig. Eine gewisse Ungeduld ist also berechtigt. Woran liegt das eigentlich, dass es noch immer keine islamische Instanz gibt, die dieses offensichtliche Vakuum ausfüllt?

 

Betrachtet man den organisierten Islam in Deutschland etwas näher, erkennt man schnell das eigentliche Problem. Die innerislamische Konstellation erinnert strukturell an das Verhältnis mächtiger Länder zur UNO. Zwar verneint kein Land offiziell die Notwendigkeit der UNO, aber man ist gleichzeitig an einer übergeordneten Macht der UNO nur partiell interessiert. Insbesondere die schleppende Finanzierung der UNO ist dabei ein geeignetes Druckmittel, die Macht der übergeordneten Behörde zu beschränken und Kontrolle auszuüben. Im Grunde sehen viele machtbewusste Länder in der UNO nur eine lästige Konkurrenz gegenüber dem eigenen politischen Anspruch.

 

Auch in Deutschland bekennen sich die Verbände zwar zur Notwendigkeit einer zentralen Organisation, die muslimische Anliegen endlich überparteilich vertritt. Es ist auch immer wieder von der "Einheit der Muslime" die Rede, aber es fehlt noch immer an entsprechenden ­Taten. Natürlich denkt auch kein Verband an eine eigene Auflösung, um in dieser Einheit dann auch wirklich aufzugehen. Besucht man die übergeordneten ­Vertretungen der islamischen Gemeinschaften, die Räte, dann wird schnell klar, wie bescheiden, beinahe ärmlich die Ausstattungen dieser Büros im Vergleich zu den Einrichtungen von Juden oder Christen im Lande sind. Warum werden diese Einrichtungen und ihre wenigen, engagierten Mitarbeiter­Innen eigentlich nicht viel besser ausgestattet und unterstützt?

 

Für die Organisation von Veranstaltungen, die Ausarbeitung von Lehrplänen, Studien und Strategien braucht es natürlich einige Mittel. Auch die Bundesregierung unterstützt bisher nur periphere muslimische Aktivitäten, leider aber nicht eine effektivere Lobbyarbeit. Auch im Jahr 2009 scheint sich so, außer einigen einfachen Presseerklärungen, wieder einmal wenig zu tun. Zumindest bekommt man von echten strategischen Aktivitäten, die den Zielen aller Muslime in Deutschland dienen könnten, wenig mit.

 

Der Versuch einiger Verbände, mit dem KRM eine effektive, zentrale Institution zu schaffen, scheitert bisher ebenfalls - so offensichtlich wie auch banal - an der Ausstattung mit Personal und Geld. So fehlt es an allem, von Materialien über ein Büro in Berlin bis hin zu entsprechenden wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Das ganze Projekt wirkt so wenig faktisch und im Grunde eher fiktiv.

 

Solange dies so ist, wäre es vielleicht besser, zuzugestehen, dass der sichtbare Einigungsprozess erst einmal gescheitert ist, oder aber, sollte es wirklich "nur" am Geld und nicht am politischen Willen liegen, am Aufruf an die Muslime, hier durch Spenden aktiv mitzuhelfen. Warum sollten wir Muslime eine eindrucksvolle, glaubwürdig überparteilich arbeitende Repräsentanz in Berlin nicht unterstützen?

 

Das Problem, zumindest im Falle des KRM, geht aber wohl tiefer. Der Verdacht liegt auf der Hand, die beteiligten Verbände könnten sich schlicht noch nicht völlig einig sein, ob sie zu einem eigenen Machtverzicht zugunsten aller Muslime bereit sind. Denkt man über die angespannte Lage der Muslime in Deutschland nach, ist dieses Zögern wenig verständlich. Für die Oberflächlichkeit der erreichten Einheit spricht - im Falle des KRM - schon das außergewöhnliche Verlangen des größten beteiligten Verbandes nach einem Vetorecht.

 

Der Mangel an deutschen Muslimen, Stiftungen und Frauen in diesen Gremien deutet aber auch an, dass man von vorn herein bisher nur bestimmte Teile des Islam in Deutschland repräsentieren konnte. Es geht bei der Legitimität des Vertretungsanspruchs übrigens nicht nur um abstrakte und letztlich bedeutungslose Zahlenspiele, sondern auch um die Frage, welche Institution auch die größte Zahl aktiver und engagierter Muslime am Besten vertritt.

 

Darüber hinaus sind einige Verbände noch immer in Widersprüchen gefangen, die ironischerweise nur zum Teil mit dem Islam zu tun haben. Die de facto Reduzierung auf eine bestimmte Ethnie, um nur ein Beispiel zu nennen, ist nicht nur ausgrenzend, sondern hat im Islam selbst auch keinerlei Tradition und in Deutschland, wo die meisten jungen Muslime längst besser Deutsch als Arabisch oder Türkisch sprechen, auch keine Zukunft mehr. Welche türkische oder arabische Organisation kümmert sich denn aktiv um die Aufnahme der jeweils anderen Ethnie, um bosnische oder deutsche Muslime? Diese multi-nationale Offenheit, die eigentliche faszinierende Tradition des Islam, gelingt bisher, und nicht ganz zufällig, nur lokalen und - mit Verlaub - unabhängigen Moscheegemeinden.

 

Nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit sollte die Erwartung sein, dass die Führungsebene eines organisierten Islam Deutsch spricht und so glaubhaft an einer Identität arbeitet, die den Herausforderungen in Europa entspricht. Endlich innerlich und äußerlich ankommen in Deutschland ist das Gebot der Stunde. Natürlich muss künftig der innere und äußere Schwerpunkt muslimischer Arbeit in Deutschland liegen. Auch die deutsche Gesellschaft fordert nicht nur gute Nachbarschaft mit den Muslimen, sondern auch, nicht ganz zu Unrecht, dass hier tätige Interes­senvertretungen nicht etwa direkt oder indirekt aus dem Ausland gesteuert ­werden.

 

Heute wird der Vertretungsanspruch des KRM für den Islam in Deutschland von immer mehr Muslimen wenig ernst genommen. Das ändert aber noch nichts zum Besseren. Die Islamkonferenz, das eigentliche und wesentliche Aktionsfeld des so genannten Islam in Deutschland, wird inzwischen von einigen Beo­bachtern in erster Linie als ein geschickter Schachzug des Innenministeriums ­angesehen.

 

Der politische Islam in Deutschland, naturgemäß auf Machtsteigerung und Anerkennung ausgerichtet, wurde so in eine medienwirksame, aber auch endlose Diskussion mit seinen schärfsten Kritikern gelockt. Darüber hinaus entstand der schlicht falsche Eindruck, als gebe es auf der Seite "praktizierender und engagierter Muslime" nur diese eingeladenen Verbände.

 

Bequemerweise kann heute die Bundesrepublik, wenn es um die Gleichbehandlung der Religionen geht, behaupten, der Diskussionsprozess sei "leider" noch nicht ganz abgeschlossen. Echte Ergebnisse der Konferenz, und sei es auch nur ein symbolischer Platz im Rundfunkrat, gab es für die ungeduldigen hunderttausenden muslimischen BürgerInnen bisher jedenfalls nicht. Die beteiligten Verbände, immer wieder als rückständig beschimpft, können es sich kaum leisten, Druck zu machen oder gar von der - hinter vorgehaltener Hand als ergebnislos bezeichneten - Konferenz Abstand zu nehmen. Die Folge dieser Emanzipation wäre der so absehbare wie fatale Vorwurf, nicht mehr gesprächsbereit zu sein.

 

Der Zentralismus der Verbände schafft aber Probleme nicht nur im Verhältnis zur Obrigkeit, sondern auch zur Basis. Interessanterweise halten sich die Verbände auch bei einem anderen, wirklich zentralen Thema zurück. Die Zahlung der Zakat wäre eigentlich ein weiterer Grund, sich einem gut organisierten Islam anzuschließen. Nur, die Zakat schafft eine gewisse lokale Unabhängigkeit, die Verteilung der Zakat erfordert zudem völlige Transparenz und ist von etwaigen Verbindungen der Organisationen im Ausland völlig zu trennen. Eine korrekte Zakatnahme führt damit gerade zur Autorisierung und Selbständigkeit lokaler Gemeinschaften und zur Reduzierung des Einflusses einer übergeordneten Zentrale. Längst sind lokal organisierte Moscheegemeinden auch - natürlicherweise - die bevorzugten Gesprächspartner der Kommunen, wenn es um Baugenehmigungen oder Schulprobleme geht.

 

Nichtsdestotrotz wäre eine schwungvolle Vertretung muslimischer Bedürfnisse auf nationaler Ebene nach wie vor dringlich. Wer immer die genannten Verbände kritisiert, dass zu wenig passiere, wird natürlich zugestehen müssen, dass andere muslimische Ansätze kaum mehr Wirkung auf nationaler Ebene entfalten. Noch gibt es auch keine Zusammenschlüsse unabhängiger muslimischer Gemeinden oder Regionalkonferenzen, die das sichtbare Vakuum in Berlin ausfüllen könnten. In den Feldern Frauenarbeit, Medien, Schulen und soziale Dienstleistungen fehlt es nach wie vor an einer bundesweiten Koordination. Es muss sich jetzt einfach mehr und schneller bewegen, und zentrale Instanzen wie der KRM und die dahinter agierenden Verbände müssen jetzt unter Beweis stellen, ob sie Teil der Lösung oder Teil des Problems sind.

 

Wer immer letztlich die Verant­wortung in Berlin übernimmt - zur Vorbereitung der anstehenden Aufgaben gehört definitiv dazu, möglichst viele kompetente Muslime anzusprechen und auch eine innerislamische Islamkonferenz einzurichten.

 

IZ - 25.02.2009

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