Webmaster Posted October 22, 2008 Share Posted October 22, 2008 "Die Moschee ist gelebte Integration" Am Wochenende wird in Duisburg Deutschlands größte Moschee eröffnet. Der Prachtbau ist umstritten. Morgenpost Online sprach mit dem Jesuit Christian Troll über den Umgang mit dem wachsenden Selbstbewusstsein der Muslime in Deutschland. Er verbindet überraschend viel Positives mit dem Bauwerk. Morgenpost Online: Am Samstag wird in Duisburg die größte Moschee Deutschlands eröffnet. Ist das eine gute Nachricht? Christian Troll: Das ist eine gute Nachricht. Dort bekommt eine große Zahl von Muslimen endlich die von ihnen gewollte Freitags- bzw. Kathedralmoschee. Der Religion dieser Mitbürger wird damit ein würdiger Ausdruck verliehen. Ich bin der Meinung, dass es für das soziale und politische Miteinander wichtig ist, dass sich Bevölkerungsgruppen öffentlich zeigen. Morgenpost Online: Ist denn dieser orientalisch anmutende Bau, der von vielen genau als das Gegenteil angesehen wird, eigentlich ein Zeichen für die Integration der Muslime? Troll: Ja, die Bevölkerung dort hat den Bau auch weitgehend akzeptiert. Gerade als christlicher Mitbürger will ich den Muslimen nicht vorschreiben, wie ihre Gotteshäuser auszusehen haben. Ein solcher Bau ist doch auch ein Zeichen, dass unsere Gesellschaft frei und offen genug ist, dem Islam zu erlauben, aus den Hinterhöfen und Industriegeländen in unsere Mitte zu treten. Das empfinde ich als gutes Zeichen der Integrationsleistung unserer Gesellschaft. Es kann ja nicht darum gehen, Integration so zu verstehen, dass die eigenen Traditionen, der eigene Glaube verleugnet würde. Morgenpost Online: Viele tun sich schwer, das neue Selbstbewusstsein des Islam anzuerkennen. Troll: Ich verstehe diesen Reflex, er beruht wohl darauf, dass Menschen die Unterdrückung Andersgläubiger in vielen Staaten durch Muslime auf unser Land übertragen. Doch das darf nicht der Maßstab sein. Entscheidend ist, was in den deutschen Moscheen gepredigt wird, ob dort eine politisch und kulturell parallele Gesellschaft entsteht oder nicht. Doch das ist durch die Moschee nicht vorgegeben. Als Christen wünschen wir uns, dass die Muslime in Deutschland sich energisch für die Gleichberechtigung Andersgläubiger in den mehrheitlich muslimischen Ländern einsetzen. Morgenpost Online: Wie reagiert das Christentum in Deutschland auf den Islam? Troll: Meiner Erfahrung nach haben gläubige Christen relativ wenige Probleme, gläubige Muslime anzuerkennen. Wer nicht mehr aus dem Glauben lebt, dem fällt es schwerer zu verstehen, dass Muslime etwa ein sichtbares Gotteshaus in ihrem Stil bauen wollen. Christen und Muslime stellen einander Fragen. Wir wollen von den Muslimen etwa wissen, ob sie vom Glauben her die säkulare Demokratie voll und ganz anerkennen können. Die Muslime ihrerseits fragen Christen: Wie lebt ihr? Was glaubt ihr? Was habt ihr für ein Gesetz? Was heißt es, wenn Gott Mensch wird? Das kann zur Profilierung der Religionen beitragen. Morgenpost Online: Gehen die christlichen Kirchen zu lax mit der Konkurrenz um? Troll: Dieser Vorwurf wird oft erhoben, aber ich verstehe ihn nicht. Jede Religion hat das Recht einzuladen, ihre Wahrheit zu glauben. Wen die islamische Lehre überzeugt, der soll doch Muslim werden können und umgekehrt. Wir können nicht den Umgang mit Christen in anderen Ländern verurteilen und gleichzeitig die Muslime hierzulande nicht akzeptieren. Morgenpost Online: Die Emanzipation der Muslime in Deutschland wird bisweilen mit der Emanzipation der Juden im 19.Jahrhundert verglichen. Ist das ein stimmiger Vergleich? Troll: Nein, denn die Muslime haben nie eine Emanzipation benötigt. Sie waren vor dem Gesetz nie Bürger zweiter Klasse, wie es die Juden einmal waren. Was in den Köpfen vorgeht, ist eine andere Sache. Es geht aber einfach darum, dass aus Gastarbeitern Mitbürger geworden sind. Und die Moscheebauten sind dafür ein angemessener Ausdruck. Morgenpost Online: Sie gehören der Unterkommission für den interreligiösen Dialog der katholischen Bischofskonferenz an. Zu welchen Ergebnissen muss der viel beschworene Dialog der Religionen führen? Troll: Ziel ist, dass man einander besser kennt, Gott und einander besser zuzuhören versucht und eventuell einander korrigiert. Christen und Muslime teilen manche grundlegenden Werte. In jedem Fall sollte das praktische Zusammenleben in Verschiedenheit besser funktionieren. Morgenpost Online, 21.10.2008 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
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