AlMurabit Posted March 20, 2008 Share Posted March 20, 2008 08.03.2008 Aus Anlass einer Ausstellung: Notizen zu Kaiser Friedrich II. Von Sulaiman Wilms, Berlin Der erste moderne Europäer „So möchte ich festhalten, dass die Religion des Islam, ... eine bereichernde Möglichkeit für Deutschland, Europa und darüber hinaus darstellt. ... Andalusien, aber auch Sizilien unter dem deutschen Stauferkaiser Friedrich II. und natürlich Weimar, wirken beispielgebend bis in unsere Zeit.“ (Michael Blume)1 In jenem Jahr starb Kaiser Friedrich ... Man sagt, dass der Kaiser insgeheim ein Muslim war.“ Ibn Al-Furat2 Wir alle leben ohne Zweifel jetzt unter Umständen, welche das im obigen Zitat erwähnten Miteinander, das die scheinbaren Gegensätze „Islam“ und „der Westen“ helfen könnte zu verbinden, mehr als nur notwendig macht. Blume erwähnte nicht von ungefähr den großen Stauferkaiser Friedrich II., der - aufgewachsen in Sizilien und zu einer Zeit, in der sich die römisch-katholische, die byzantinische und die islamische Welt dort fruchtbar begegneten - wie kein zweiter deutscher Herrscher direkten Kontakt mit dem Islam und den Muslimen hatte. Angesichts der offenkundigen Berührungsängste der heutigen Politik mit dem Islam über die Bedrohungsszenarien hinaus, bleibt er auch mehr als 750 Jahre nach seinem Tod ein Vorbild, wenn es darum geht, Muslime und ihre Religion nicht als ausschließlich Fremde zu betrachten. Natürlich blieb er ein Monarch in einer christlichen Welt und beendete effektiv den politischen Einfluss von Muslimen auf seiner Insel Sizilien. Doch im Vergleich mit heutigen deutschen Größen, was seine Neugier und Aufgeschlossenheit angeht, ist der Stauferkaiser trotzdem von Interesse: Nicht umsonst bemerkte die große Goethe-Kennerin Katharina Mommsen bei einem Besuch in Deutschland einmal, dass Gestalten wie Goethe oder Rückert entsetzt wären angesichts der relativen Unkenntnis zeitgenössischer Entscheidungsträger über den Islam. Der Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt nannte den Erben der staufischen und normannisch-sizilianischen Dynastie nicht von ungefähr „den ersten modernen Menschen auf dem Thron“, und Nietzsche äußerte sich wie folgt über das Verhältnis von Friedrich II. zum Islam: „‘Krieg mit Rom auf’s Messer! Friede, Freundschaft mit dem Islam’: so empfand, so t h a t jener grosse Freigeist, das Genie unter den deutschen Kaisern, Friedrich der Zweite.“3 Es wird vermutet, dass einer der Hauptgründe - neben politischen Zwängen seiner Regierungszeit - für die relative Affinität Friedrichs zum Islam auch seine Kindheit gewesen sein kann. Dr. Ali Azzali, ein italienischer Historiker, hat folgendes über den Kaiser zu sagen, der auch als „stupor mundi“ (das Erstaunen der Welt) bekannt wurde: „Mit Sicherheit Ja, sie müssen sich vorstellen, dass Friedrich nicht nur unter den Muslimen aufwuchs, sondern sie kümmerten sich auch ganz besonders um ihn in den unterschiedlichen Stadtvierteln Palermos und schützten ihn vor jenen, die ihn an der Thronbesteigung hindern wollten. Dort lernte er nicht nur die arabische Sprache fließend und den Geschmack der arabischen Kultur zu schätzen, sondern erhielt wahrscheinlich auch ein objektives Grundwissen über den Islam selbst. Palermo war zu dieser Zeit voll von islamischen Märkten, Moscheen, Schulen und anderen Einrichtungen, in denen der Din noch in weiten Teilen geschützt gelebt werden konnte.“ Denn, vor dem Machtantritt des neuen Kaisers lebten die Muslimen auf Sizilien in Gemeinschaften auf dem Land und in Städten, hatten aber seit der Eroberung durch die Normannen keine politische Macht mehr in Italien. Ihnen wurde aber durch die normannischen und staufischen Herrscher eine freie Ausübung ihrer Religion gestattet. Als Friedrich in Palermo den Thron bestieg, fand er in seiner Hauptstadt eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung vor, die aber keine politische Macht mehr besaß. „Allerdings gab es unter den Großen des Hofes viele Muslime, die zur Kultivierung der königlichen Umgebung Bedeutendes beitrugen. Der Kaiser selbst sprach fließend Arabisch. Als er die Königs-und die Kaiserwürde erlangt hatte, schuf er aus den muslimischen Soldaten Innersiziliens seine muslimische Leibgarde, die ihn Zeit seines Lebens schützen sollte. Diese Muslime siedelte er mit ihren Familien - rund 25.000 Menschen - ins apulische Lucera um“, so Dr. Azzali. Friedrich II. zog die besten Muslime seines Landes in die innersten Kreise des Hofes und seiner Herrschaft und betraute sie mit Fragen der Finanzverwaltung und der Kriegsmarine. Weiterhin stand er in dauerndem Austausch mit Gelehrten unter ihnen, die ihm viele seiner drängenden Fragen beantworten konnten. Besonders hervorzuheben sei, so Dr. Azzali, der Briefwechsel, den er mit dem Gelehrten und Sufi Ibn Sabi’un geführt hat. In ihm stellt der Kaiser die selben Fragen, die er zuvor schon an die lateinischen und griechischen Gelehrten seines Landes gestellt hatte. Nachdem diese seine Fragen noch nicht zur Genüge beantworten konnten, sandte er dieses Mal einen Brief an den Hof des Muwahidun-Khalifen Abdul Wahid in Andalusien, der sie 1217 an den Sufi-Schaikh Ibn Sabi’un weiterleitete. Die Briefe des Kaisers behandelten nicht nur naturwissenschaftliche Fragen, wichtiger noch waren Fragen über einige Hadithe des Propheten und zur Unsterblichkeit der Seele. Da diese Briefe, die 1941 von einem französischen Orientalisten in Istanbul verlegt wurden, bis jetzt nicht im Ganzen übersetzt wurden, ist es den meisten Menschen nicht bekannt, dass der Kaiser sich darin mehr für den Islam als für die Naturwissenschaften interessiert hat. „Dieser Briefwechsel ist eines der spannendsten Dokumente der europäischen Geistesgeschichte“, so Dr. Azzali abschließend. Auch wenn der Wind des Schicksals bald nach seinem Tode das Werk Friedrichs II., einen modern anmutenden Staat mit einer rationalen Rechtsprechung und ein wirtschaftlich erblühtes Süditalien, hinweg gefegt hatte und das französische Haus von Anjou die staufische Macht blutig beendete, bleibt es bis in die heutigen Tage eine Inspiration. Vor allem für jene, die den jeden Tag künstlich erzeugten Unterschied zwischen Islam und Europa nicht wahrhaben wollen. 1 Islamische Zeitung, Die Öffnung des Islam in Deutschland durch eine neue islamische Elite, 22.05.2003 2 arabischer Chronist, zitiert bei Gerhard Goldmann, Deutscher Kaiser und Muslim?, Books on Demand GmbH, 2006 3 Friedrich Nietzsche, Der Antichrist Quelle : http://islamische-zeitung.de/?id=9999 Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
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