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(02.01.2026) Moscheen als soziale Räume – eine Reise durch Raum, Zeit und Gemeinschaft Wenn man durch die Gassen alter Städte in Ländern mit überwiegend Muslimen läuft, stößt man früher oder später auf eine Moschee. Nicht selten ist sie das Zentrum des Viertels. Kinder spielen auf dem Hof, Alte unterhalten sich an der Mauer, Jugendliche sitzen auf der Treppe. Die Moschee wirkt wie ein Magnet. Nicht, weil der Muezzin ruft, sondern weil sich dort Leben abspielt. Um diese Rolle zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. Der Anfang war mehr als Stein und Gebet Die ersten Moscheen entstanden nicht in Form prachtvoller Bauten, sondern in der Schlichtheit des Hauses des Propheten in Medina. Es war ein einfacher Ort, mit Palmstämmen als Pfeiler und einem Dach aus Blättern. Aber er war mehr als ein Ort für Gebete. Dort wurde beraten, gelehrt, diskutiert, geheilt, aufgenommen und geschützt. Fremde Reisende fanden Unterschlupf. Streitigkeiten wurden geschlichtet. Der Prophet empfing Gesandte, unterrichtete seine Gefährten und kümmerte sich um die Armen. Diese Funktion blieb kein Zufall. Sie war Ausdruck einer Idee, die Religion nicht vom Leben trennte. Das Geistige war nicht abgetrennt vom Sozialen. Moschee bedeutete nicht Rückzug, sondern Beteiligung. Wachstum der Moschee – Spiegel wachsender Gesellschaften Mit der Ausbreitung des Islam entstanden Moscheen in vielen Regionen. Architektonisch passten sie sich an die Gegebenheiten an. Ob in Andalusien, Istanbul oder Indien, das Minarett konnte unterschiedlich aussehen, doch die innere Struktur blieb ähnlich. Was sich jedoch immer zeigte, war die Rolle der Moschee als öffentlicher Raum. In Kairo etwa, in der Al-Azhar, wurde über Generationen hinweg nicht nur gebetet, sondern auch unterrichtet. In Samarkand bot die Moschee Platz für Händler, Reisende und Schüler. In Damaskus gab es Nebengebäude für Bedürftige, Waisen und Kranke. Die Moschee wurde also zum Ort des Alltags. Man heiratete dort, schloss Verträge, traf Entscheidungen. Kolonialismus und Verdrängung des Sozialen Mit der Kolonialzeit änderte sich vieles. In vielen Regionen versuchten die neuen Machthaber, Religion aus dem öffentlichen Leben zu drängen. Moscheen wurden auf ihre rituelle Funktion reduziert. Sie durften noch betreten werden, aber sie sollten nicht mehr verbinden. Bildung wurde aus ihnen herausgelöst, Wohlfahrt fremdbestimmt. Dieser Bruch hatte Folgen. Moscheen wurden in manchen Regionen zu rein spirituellen Inseln. Die sozialen Funktionen verkümmerten. Die Gläubigen wurden zu Einzelnen im Gebet, nicht mehr zu einer Gemeinschaft im Leben. Migration und Moscheen im Westen Mit den muslimischen Migrationen nach Europa im 20. Jahrhundert kehrten viele Funktionen der Moschee zurück, aber in neuen Formen. Arbeiter in Deutschland oder Frankreich gründeten in Garagen, Kellern, leerstehenden Zugwagons und Lagerhallen erste Gebetsräume. Später entstanden richtige Moscheen. Doch sie blieben nicht beim Gebet. Es wurde gemeinsam gegessen, gefeiert, gelernt. Nachhilfeunterricht für Kinder, Eheberatung, Deutschkurse, Flüchtlingshilfe. Die Moschee wurde wieder zum Ort, an dem Leben passierte. Sie diente zur Identitäts- und Orientierungsstiftung in der Fremde und war ein Ort der Begegnung und der Lehre. Sie war wie eine Insel, die ein Stück Heimat bot (vgl. Utermann, 1995, S. 10). So konnte die Fremdheit und die Einsamkeit durch das Zusammenkommen der Muslime und durch das Bewusstmachen der Gegenwart Gottes vergessen werden. Öffnung in die Gesellschaft Es dauerte aber lange, bis der unsichtbare Islam der Väter durch den sichtbaren Islam der Söhne ersetzt wurde (Şahinöz, 2019, S. 143ff). Daher war die Moschee gleichzeitig auch eine Projektionsfläche. Wer sie nicht betrat, sah oft nur das Fremde. Viele Moscheen wurden nicht als soziale Räume wahrgenommen, sondern als Bedrohung oder Rückzugsort. Das lag auch daran, dass es zu wenig Dialog gab. Die Moscheegemeinde sprach selten die Sprache der Stadt, in der sie stand. Die entscheidende Frage lautete damals: Bleibt die Moschee ein Innenraum für Eingeweihte oder öffnet sie sich für die Nachbarschaft? Die überwältigende Mehrheit der Moscheen in Europa öffnete die Türen, nicht nur jährlich am Tag der offenen Moschee oder zum Fastenbrechen, sondern auch für gemeinsame Veranstaltungen, Moscheeführungen und andere Begegnungen mit der Gesamtgesellschaft. Gegenwärtig gehen sie mit ihren Nachbarn offen und in Augenhöhe in den Austausch und helfen Bedürftigen, egal welchen Glaubens. Ehrenamt als Herzstück der Moscheen Doch diese Öffnung ist auch eine Herausforderung. Einige Moscheegemeinden stehen zwischen Erwartung und Überforderung. Denn eine Moschee, die soziale Aufgaben übernimmt, muss organisiert sein. Sie braucht Menschen, Zeit und Ressourcen. Wer eine Moschee betritt, sieht vielleicht zuerst Teppiche, Bücher und Menschen beim Gebet. Was man auf den ersten Blick nicht sieht, ist das riesige Netz an freiwilliger Arbeit, das im Hintergrund alles zusammenhält. In kaum einem anderen Bereich ist das Ehrenamt so lebendig wie in den Moscheegemeinden. Fast alles, was dort passiert, geschieht aus Überzeugung, nicht gegen Bezahlung. Da ist der ältere Herr, der jeden Morgen kommt und sauber macht. Die Frau, die samstags Kindern den Koran beibringt. Die Jugendlichen, die Events organisieren, Essen ausgeben oder Spenden sammeln. Es gibt Menschen, die unzählige Stunden investieren, um die Buchhaltung zu machen, Fahrdienste für Ältere zu übernehmen oder Beratungen anzubieten. Oft im Verborgenen, ohne viel Aufhebens. Diese stille Kraft sorgt dafür, dass die Moschee lebt. Dass Kinder lernen können, dass Bedürftige Hilfe finden, dass Feste stattfinden und Räume gepflegt bleiben. Ehrenamt in der Moschee ist kein Zusatz, sondern das Fundament. Ohne es gäbe es keine Gemeinschaft, keine Struktur, kein Angebot. Und was dabei entsteht, ist nicht nur Hilfe, sondern Verantwortung, Teilhabe und Sinn. Wer sich einbringt, wird gebraucht. Wer gebraucht wird, fühlt sich zugehörig. Genau darin liegt die integrative und soziale Kraft der Moschee. Nicht in der Architektur, sondern in den Händen derer, die sie mit Leben füllen. Moscheen sind daher nicht bloß Orte des Gebets. Sie sind Spiegelbilder ihrer Gesellschaft. Nicht Gebäude mit Wänden, sondern Orte mit Türen. Türen, die man öffnet, nicht nur zum Himmel, sondern auch zueinander. Dr. Cemil Şahinöz, Islamische Zeitung, Januar 2026 https://islamische-zeitung.de/deutsche-moschee-sind-mehr-als-steine/ Literatur Şahinöz C.: Die Nurculuk Bewegung. Entstehung, Organisation und Vernetzung. 4. Auflage. BOD: Norderstedt, 2019 Utermann C.: Türkischer Islam in Deutschland. DPA: Hamburg, 1995
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Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
Peace antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Ich kenne auch viele Männer, die Frau ohne Kopftuch geheiratet haben und nach kurzer Zeit haben sie durch Liebe, Geduld und das gute Vorbild, dann das Kopftuch getragen. -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
Peace antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Ich hab allgemein gesprochen, Man darf Frauen ohne Kopftuch nicht vorverurteilen und ihren Iman (Glauben) in Frage stellen, aber wenn du heiraten möchtest, das ist was anderes, da beide Partner bereits eine ähnliche spirituelle Überzeugung und Haltung zu den Pflichten in der Ehe mitbringen sollten Ich hab mal gelesen, dass Badiuzaman said nursi r.a. gesagt hat, dass die Ehepartner idealerweise eine ähnliche spirituelle Reife besitzen sollten, weil die Ehe als heilige Institution darauf ausgerichtet ist, die Partner gegenseitig im Glaube zu fördern. Ich wünch dir Erfolg bei der Suche -
ac06 folgt jetzt dem Inhalt: Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis und Wir sind jetzt getrennt, was tun? Bitte erst lesen
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Wir sind jetzt getrennt, was tun? Bitte erst lesen
ac06 erstellte Thema in Ehe, Familie und Sexualität
Ich melde mich zurück weil ich noch vor mehr als nem halben jahr hier reingepostet habe , da ich Ehe Absichten habe und auch absicht halal eine muslima kennenzulernen. Ich hatte im sommer diesen jahres die Umrah gemacht. Sehr schöne zeit, und ich kam auch sogut wie mit fast jedem klar in der gruppe . Und erstaunlicherweise waren dort mehr schwestern als Brüder in der Gruppe mit der wir dahin gepilgert sind. Einer der schwestern, hatte ich nach der Umrah kontaktiert, weil ich es schlecht auf der Pilgerreise machen könnte, wäre schließlich unpassend, da wir uns dort auf unsere Ibadet konzentriert haben. Ich hatte sie als ich zurück in Deutschland war kontaktiert, dann hatten wir Kontakt, wir lernten uns immer und immer weiter kennen, wurden uns immer sympathischer, dann fingen wir an uns zu treffen, insgesamt 4 bis 5 mal sahen wir uns, und jedes treffen war einzigartig unbeschreiblich, die Sehnsucht war groß vorallem weil es ne Fernbeziehung war. Und wir uns auch durch die Umrah kennen. Zwischen uns hat sich echt Liebe entwickelt. Dachte ich zumindest. Aber leider je mehr wir uns näherkamen desto öfter haben wir gestritten, und das wegen banalen dingen . Und bei ihr hatte ich das Gefühl, dass sie kontrollsucht und starke Eifersucht hat, und keine Reue zeigt wenn sie einen fehler macht, bzw sie hat sich halbherzig aber auch nur halb halbherzig entschuldigt. Naja aufjedenfall konnte ich nach zig Streitereien nicht mehr und musste die reißleine ziehen. Ihr habe ich noch meine letzten takte gesagt und danach tschüss gesagt. Und jetzt an diesem Punkt kränkt mich das einfach. Ich dachte ich hab meinen nasib gefunden durch die umrah. Aber nein allah hat mir die andere seite der medaille gezeigt. Und das macht mich einfach nur traurig weil die ganzen momente zwischen mir und ihr besonders waren. Ich habe zu jeder zeit bei den treffen das Gefühl von wahrer liebe. Aber nein. Ist es leider nicht. Ich denke sie war entweder nicht bereit für einen Mann oder hatte keine klaren Absichten, denn sie versuchte mich zu kontrollieren , und mir immer wieder das leben schwer zu machen. Naja egal.. darüber bin ich jetzt hinweg. Ich weiß nicht wie ich jetzt im Alltag eine neue Partnerin finde die insallah besser zu mir passt Ich geh zwar auf die 30 zu, will aber dennoch nichts überstürzen, möchte mich ja noch in meinem beruf weiterbilden ect ... Aber ich weiß nicht ob ich baldmöglichst wieder eine Gelegenheit habe eine schwester mit ernsten absichten kennenzulernen, zumal es heutzutage verdammt schwierig ist -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
ac06 antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Aber nehmen wir mal an da ist eine muslima die praktiziert, aber kein kopftuch trägt.. und sie will aber einen muslimen heiraten aber findet keinen weil die meisten nur bedeckte Frauen wollen Da stelle ich es mir halt schwierig vor wie man dann Glauben mit Ehe vereint ohne Kompromisse einzugehen -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
ac06 antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Ja aber wenn du meinst das Kopftuch ist ne Pflicht dann muss das ja seinen Grund haben Meine Frage war ja inwiefern kann man es mit der eigenen art zu praktizieren wieder vergessen machen Und wie man überhaupt merkt bzw was für anzeichen auf den iman hindeuten können -
(16.07.2017) Die Entstehung und Bedeutung der Hadithe in der islamischen Tradition Die Entstehung und Bedeutung der Hadithe in der islamischen Tradition Die Überlieferungen des Propheten (Hadithe) gehören zu den wichtigsten Quellen des Islam. Sie erklären den Koran, zeigen seine praktische Umsetzung und bewahren das Beispiel des Propheten für die kommenden Generationen. Deshalb wird auch im Koran darauf hingewiesen, sich an den Propheten zu halten: · „Wenn ihr Allah liebt, dann folgt mir (dem Propheten Muhammed). So liebt euch Allah und vergibt euch eure Sünden“ (Koran, 3:31) · „Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Allah und den Jüngsten Tag glaubt. Das ist am besten und am ehesten ein guter Ausgang“ (Koran, 4:59) · „Hierauf haben wir dich (den Propheten Muhammed) auf eine Richtung in der Angelegenheit (der Religion) festgelegt“ (Koran, 45:18) · „Und er (der Prophet Muhammed) redet nicht aus (eigener) Neigung. Es ist nur eine Offenbarung, die eingegeben wird“ (Koran, 53:3-4) · „Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch“ (Koran, 59:7) Daher sind seine Überlieferungen zentral, um dem Koran zu verstehen. Ein Blick auf ihre Entstehungsgeschichte zeigt, wie sorgfältig die Gemeinschaft darauf achtete, diese Aussagen rein und unverfälscht zu bewahren. Was als Hadith bezeichnet wird Hadith bedeutet aus dem Arabischen wortwörtlich übersetzt “Erzählung“. Im islamisch-theologischen Sinne ist damit jede Aussage, Handlung oder stillschweigende Zustimmung des Propheten Muhammed gemeint. Dazu gehören auch seine Charakterzüge und seine Art zu leben. Die Muslime betrachteten sein Verhalten als praktische Auslegung der göttlichen Botschaft. Deshalb sammelten sie nicht nur seine Worte, sondern auch seine Gewohnheiten, seine Entscheidungen und seine Reaktionen auf verschiedene Situationen. Hadithe zu Lebzeiten des Propheten Zu Lebzeiten des Propheten, machten sich einige Gefährten Notizen über seine Aussagen. Doch die systematische Verschriftlichung war noch nicht üblich. Die arabische Gesellschaft verfügte über eine starke mündliche Tradition. Das Gedächtnis und das Auswendiglernen hatten einen hohen Stellenwert. Deshalb wurden die meisten Aussagen mündlich weitergegeben. Der Prophet untersagte das Aufschreiben seiner Worte zunächst. Der Grund war die Sorge vor einer Vermischung mit dem Koran. Die Offenbarung stand im Mittelpunkt und musste rein und eindeutig überliefert werden. Die Gefahr bestand, dass manche Menschen nicht klar unterscheiden, was göttliche Offenbarung und was prophetische Erklärung ist. Später erlaubte er das Schreiben jedoch. Die Gefährten hatten inzwischen gelernt, sorgfältig zu unterscheiden, und der Koran wurde deutlich von seinen Worten getrennt. Warum die systematische Sammlung erst später begann Nachdem der Prophet gestorben war, wuchs die muslimische Gemeinschaft schnell. Neue Regionen kamen hinzu, neue Menschen traten ein und hatten Fragen. Die Gefährten zogen weit in verschiedene Gebiete. Dadurch bestand die Gefahr, dass einzelne Überlieferungen verloren gehen. Gleichzeitig tauchten in politischen Auseinandersetzungen erfundene Aussagen auf. Gelehrte begannen deshalb, Überlieferungswege zu prüfen und klare Maßstäbe festzulegen. Außerdem war der Koran inzwischen vollständig als Buch gefestigt. Es gab keine Verwechslungsgefahr mehr. Daher konnten Gelehrte sorglos Material sammeln, filtern und schriftlich fixieren. Stieg die Zahl der Hadithe an? Oft wird hinterfragt, weshalb in der frühesten Phase der islamischen Gemeinschaft lediglich einige hundert Hadithe schriftlich fixiert wurden, während in den späteren Jahrhunderten umfangreiche Korpora mit mehreren tausend Überlieferungen entstanden. Der Grund liegt nicht darin, dass neue Hadithe erfunden wurden. Die frühen Gefährten hatten keinen Auftrag, systematische Sammlungen zu erstellen. Sie lebten dicht beieinander, kannten den Propheten persönlich und brauchten keine großen Archive. Vieles wurde mündlich bewahrt, weil die arabische Kultur eine außergewöhnlich starke Erinnerungstradition besaß. Dass zur Frühzeit nur einige hundert Hadithe existierten, bezieht sich deshalb nur auf frühe schriftliche Notizen einzelner Personen, nicht auf den gesamten Wissensbestand der Gemeinschaft. Als der Islam sich ausbreitete und die Gefährten in verschiedene Regionen auszogen, entstand die Gefahr, dass Überlieferungen verloren gehen. Die Gelehrten späterer Generationen reisten von Ort zu Ort, sammelten alle Varianten jedes Hadiths und hielten sie schriftlich fest. Dadurch entstanden die großen Sammlungen mit mehreren tausend Einträgen. Es ist also kein Wachstum an neuen Aussagen, sondern eine Ausweitung der Dokumentation. Die Wissenschaftler machten sichtbar, was vorher mündlich im Umlauf war. Die berühmtesten Sammler Im zweiten Jahrhundert nach der Hidschra entstanden dann die großen Sammlungen. Zu den wichtigsten Gelehrten gehören Bukhari, Muslim, Abu Dawud, Tirmidhi, Nasa’i und Ibn Madscha. Sie reisten durch verschiedene Regionen, sprachen mit Tausenden von Überlieferern und prüften jeden einzelnen sorgfältig. Obwohl sie hunderttausende Hadithe kannten, schrieben sie nur die auf, die sie für gesichert und authentisch einstuften. Ihre Arbeit bildete die Grundlage der späteren islamischen Wissenschaften. Dadurch entstand die Kutub al Sitta (Die sechs Bücher). Die Kutub al Sitta Die Kutub al Sitta entstand nicht als ein gemeinsames Projekt, sondern wuchs Schritt für Schritt, weil die Gemeinschaft im Laufe der Zeit erkannte, welche Werke sich als besonders zuverlässig durchgesetzt hatten. Die einzelnen Sammlungen wurden im zweiten und dritten Jahrhundert nach der Hidschra von verschiedenen Gelehrten unabhängig voneinander erstellt. Erst spätere Hadithwissenschaftler stellten fest, dass sich sechs von ihnen in Methode, Qualität und Verbreitung besonders bewährt hatten. Sie ordneten diese Werke zu einer festen Gruppe zusammen, damit Studenten und Gelehrte klar wussten, welche Quellen als Kernbestand gelten. Auf diese Weise entstand eine Art Kanon, nicht durch ein offizielles Dekret, sondern durch wissenschaftliche Anerkennung und durch die breite Nutzung in der islamischen Welt. Die folgenden sechs großen Werke werden als Kutub al Sitta bezeichnet. Sie gelten als die bedeutendsten Sammlungen sunnitischer Tradition. Sahih al Bukhari enthält etwa 7.252 Überlieferungen mit Wiederholungen, ca. 4000 ohne Wiederholungen. Sahih Muslim enthält etwa 7.500 Überlieferungen mit Wiederholungen, ohne Wiederholungen ca. 3033. Sunan Abu Dawud umfasst ungefähr 4.800 Überlieferungen. Sunan at Tirmidhi umfasst etwa 4.000 Überlieferungen mit Wiederholungen. Sunan an Nasa’i umfasst ungefähr 5.700 Überlieferungen. Sunan Ibn Madscha umfasst etwa 4.300 Überlieferungen. Warum die Zahlen variieren Die Werke unterscheiden sich nicht nur in ihrer Methodik. Sie verwenden auch unterschiedliche Kriterien bei der Zählung. Manche zählen jede Wiederholung als einzelnen Hadith. Andere fassen Varianten zusammen. Einige Sammler konzentrieren sich streng auf zuverlässige Überlieferungen. Andere nehmen auch schwächere auf, damit die Wissenschaft sie später bewertet. Die Entstehungsgeschichte der Hadithe (plural auch Ahadith) zeigt, dass die Muslime großen Wert auf Authentizität legten. Sie wollten nicht nur Worte sammeln, sondern sicherstellen, dass jedes Wort wirklich zum Propheten zurückzuführen ist. Die Sorgfalt dieser frühen Gelehrten bildet bis heute das Fundament der islamischen Wissenschaften. Musnad von Ahmad ibn Hanbal Außerhalb der Kütüb-i Sitte existiert eine sehr große Zahl weiterer Überlieferungen. Die bekannteste Sammlung ist der Musnad von Ahmad ibn Hanbal. Ahmad ibn Hanbal wird in den klassischen Quellen als jemand beschrieben, der eine Million Überlieferungen kannte. Die Angabe einer Million bezieht sich vermutlich nicht auf eine Million unterschiedlicher Aussagen. Gemeint ist wahrscheinlich die Gesamtzahl aller Varianten, aller Überlieferungswege und aller unterschiedlichen Ketten. Wenn ein einziger Hadith fünfzig verschiedene Überlieferer besitzt, zählt man hierbei fünfzig Hadithe. In dieser Methode kamen die frühen Gelehrten schnell auf sehr hohe Zahlen. Zudem hat Ibn Hanbal diese Million Überlieferungen nicht vollständig aufgeschrieben. Sein Werk, der Musnad, enthält etwa 30.000 Hadithe mit Wiederholungen. Damit ist es eine der umfangreichsten Quellen überhaupt. Das sind die Überlieferungen, die er für wertvoll genug hielt, um sie in seiner Sammlung festzuhalten. Er hat also bewusst ausgewählt. Vieles blieb deshalb nur in seinem Gedächtnis oder in Notizen, die nicht in den Musnad eingingen. Die Hadithe im Musnad werden nicht automatisch als authentisch (sahih) bezeichnet. Ahmad ibn Hanbal sammelte nach einer breiteren Methode. Er nahm authentische Überlieferungen auf. Er nahm auch gute und akzeptable Überlieferungen auf. Und er notierte zusätzlich manche schwächere, wenn sie zur historischen Einordnung oder zur Kenntnis der Tradition nützlich waren. Sein Ziel war es, das gesamte Material zu bewahren, nicht eine reine Sammlung ausschließlich einwandfreier Hadithe zu erstellen. Die Bewertung der einzelnen Hadithe überließ er den späteren Gelehrten. Deshalb findet man im Musnad starke, mittlere und schwächere Überlieferungen. Das macht dieses Werk so bedeutend, weil es zeigt, wie breit und vielfältig das Material der frühen Tradition wirklich war. Sie ist nicht als reine Authentizitätssammlung gedacht, sondern als umfassendes Archiv, aus dem die Hadithgelehrten bis heute schöpfen. Weitere Sammlungen Weiterhin gibt es den Muwatta von Imam Malik mit etwa 2.000 Überlieferungen. Dazu kommen große Sammlungen wie Musannaf Ibn Abi Schaiba und Musannaf Abdurrazzaq. Auch die geschichtlichen Werke wie Tarikh von Tabari und zahlreiche kleinere Musnads, Hadithhefte einzelner Gefährten und thematische Sammlungen erweitern den Bestand deutlich. Zählt man alles zusammen, erreicht die gesamte Überlieferungstradition weit über 100.000 Hadithe. Ein großer Teil davon besteht aus Varianten, verschiedenen Überlieferungswegen oder Wiederholungen. Die hohe Zahl zeigt, wie breit das Material überliefert wurde. Sie bedeutet nicht, dass der Prophet 100.000 verschiedene Aussagen sprach, sondern dass die Tradition jede Version einzeln dokumentierte, damit später eindeutig nachvollzogen werden kann, wer was wann überliefert hat. Die Hadithwissenschaft in der Gegenwart Heute gehört die Hadithwissenschaft zu den präzisesten und strengsten Disziplinen der islamischen Theologie. Gelehrte untersuchen jede Überlieferung bis ins kleinste Detail. Sie prüfen die Überlieferungskette Schritt für Schritt. Jede Person in dieser Kette wird biografisch analysiert. Man schaut, ob sie religiös vertrauenswürdig war, ob sie ein gutes Gedächtnis hatte, ob sie zur fraglichen Zeit tatsächlich am angegebenen Ort war und ob sie den vorherigen Überlieferer persönlich treffen konnte. Diese akribische Prüfung verhindert Lücken, Widersprüche und unzuverlässige Aussagen. Parallel dazu wird auch der Inhalt des Hadiths bewertet. Man fragt, ob er sprachlich und inhaltlich zum Propheten passt, ob er mit dem Koran vereinbar ist und ob er im Einklang mit anderen authentischen Überlieferungen steht. Moderne Forscher nutzen zusätzlich historische Methoden, vergleichen verschiedene Versionen eines Hadiths und analysieren Manuskripte aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Dadurch entsteht ein wissenschaftliches Werkzeug, das einmalig in der Religionsgeschichte ist. Die Hadithwissenschaft vereint spirituelle Verantwortung mit methodischer Strenge und sorgt dafür, dass das prophetische Erbe klar, überprüfbar und vertrauenswürdig bleibt. Fazit Die Geschichte der Hadithe zeigt, wie bewusst und verantwortungsvoll die muslimische Gemeinschaft mit dem Erbe des Propheten umging und umgeht. Seine Worte wurden zunächst zurückhaltend niedergeschrieben, um sie klar vom Koran zu trennen. Erst als der Koran vollständig gesichert war, öffnete sich der Weg für eine systematische Sammlung. Die Gelehrten des zweiten Jahrhunderts nach der Hidschra entwickelten strenge Prüfmethoden, damit keine verfälschten oder politisch motivierten Aussagen Eingang finden. Die großen Sammlungen entstanden aus dem Wunsch, das prophetische Vorbild rein, überprüfbar und nachvollziehbar zu bewahren. Dass die Zahlen der Überlieferungen variieren, zeigt nicht Unsicherheit, sondern die unterschiedliche Art der Zählung und Methodik. Am Ende steht ein reiches wissenschaftliches Erbe, das deutlich macht, wie sorgfältig die Muslime die Worte ihres Propheten weitergegeben haben. Dr. Cemil Şahinöz
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Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
Legend Killer antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Weder an der Kleidung, noch an den Taten kann man wissen, wie stark oder schwach jemand gläubig ist. Denn nur Allah kennt die Herzen der Menschen. Daher ist es auch nicht unsere Aufgabe, dies einzuschätzen. Vielmehr sollten wir uns auf unseren eigenen Iman konzentrieren. -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
Peace antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Für mich persönlich Kopftuch ist kein Maßstaab für Glaube oder nicht-Glaube. Es ist unzulässig einer Frau wegen fehlenden Kopfbedeckung den Glauben abzusprechen. Allah beurteilt den Menschen primär nach der Aufrichtigkeit des Herzens und der Qualität des Benehmens (Achlaq) Die Vollkommenheit (Ihsan) erreicht man nur, wenn man die äußeren Pflichten und die inneren Qualitäten (Achlaq) vereint -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
ac06 antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Okay wenn aber jetzt eine schwester nicht bedeckt ist, aber dennoch sagt sie würde den islam praktizieren, beten ,fasten ect Könnte es vllt auch sein, dass es nicht stimmt? Denn es wäre ja etwas was man nicht nachprüfen könnte und jeder könnte einfach irgendwas behaupten um das äußere Erscheinungsbild zu kompensieren. Und genauso umgekehrt, könnte man nicht sagen , dass das hijab äußerlich schon den Eindruck machen kann, dass diese person praktiziert? Ja gut muss auf der anderen seite auch sagen , dass nicht alle bedeckten schwestern auch das erwünschte Verhalten im alltag zeigen denn überall gibt es ja Ausnahmen. Hab auch schon unbedeckte frauen gesehen die das gewünschte Verhalten zeigen. Aber um den Vergleich geht es mir jetzt nicht Meine frage ist jetzt nämlich woran man es festmacht oder bemerkt, dass eine unbedeckte muslima wirklich gläubig ist Und inwiefern kann denn der Charakter Sünden tilgen? Wobei doch das hijab so wie du eben meintest ne Pflicht sein soll -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
Peace antwortete auf ac06's Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
in der Hanafi-Rechtschule ist Kopftuch (Hijab) Pflicht, aber meiner Meinung nach, das Vernachlässigen dieser Pflicht ist eine Sünde, aber führt nich automatisch zur Verdammnis, sofern die Hauptpflichten (Beten, Fasten) erfühlt werden Der gute Charakter (Akhlaq) und die Barmhertigkeit Allahs sind für die Erlösung von größerer Bedeutung, als die perfekte Einhaltung jeder äußeren Einzelpflicht Ein gutes Benehmen kann Sünden tilgen, da der Charakter der Geist der Religion ist -
Kopftuch Pflicht oder nicht? Bei Hanafis
ac06 erstellte Thema in Politik, Wissenschaft und Verschiedenes
Bin Hanafi und frage mich weil ich viele Schwestern sehe und gerade bei hanafis, die kein Kopftuch tragen aber dennoch praktizieren, beten, fasten ect. Ich denke ich sage da nix neues wenn ich meine dass das Thema sehr kontrovers ist und die Meinung sich spalten wie kein anderer. Und ich frage mich halt nur aus Neugier, welchen Zusammenhang diese Tatsache hat . Ich hatte auch von Marcel Krass gehört, dass das Kopftuch eine Pflicht sei. Und gerade seine Meinung hat mich umso mehr angeregt das wissen zu wollen . Aber was würdet ihr meinen? Ist das Kopftuch jetzt per se eine Pflicht im Islam? Oder ist es von Rechtsschule zu Rechtsschule unterschiedlich? Würde mich freuen über sachliche Antworten s.a. -
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Bioethik im Islam – Antworten auf ethische Grenzfragen der modernen Medizin, wie Gentechnik, Organspende und Lebensverlängerung Wenn über Bioethik gesprochen wird, ist der Islam für viele kein naheliegender Gesprächspartner. Doch wer sich mit seinen Quellen, seiner Denkweise und seiner Geschichte befasst, entdeckt eine tief verwurzelte ethische Tradition, die sich mit erstaunlicher Klarheit und Tiefe auch auf moderne Fragen übertragen lässt. Der Koran und die Sunna, also die Worte und Taten des Propheten Muhammed, liefern keinen fertigen Maßnahmenkatalog. Sie eröffnen aber einen ethischen Raum, in dem sich aktuelle medizinische Herausforderungen auf spirituell durchdachte Weise verhandeln lassen. Die islamische Bioethik wächst nicht aus einem Labor, sondern aus der Frage, was es heißt, Mensch zu sein. Ein ethischer Rahmen, gewachsen aus Text und Geschichte Schon im 8. Jahrhundert begannen islamische Gelehrte, sich mit Fragen medizinischer Eingriffe auseinanderzusetzen. Sie sammelten antikes Wissen, kommentierten es, verbesserten es und stellten es in einen ethischen Rahmen. In dieser Zeit entstanden erste medizinische Werke, die nicht nur Techniken beschrieben, sondern auch deren moralische Tragweite behandelten. Der Mensch wurde nie als reines Objekt der Forschung betrachtet. Sein Körper galt als anvertrautes Gut. Diese Sichtweise zieht sich durch Jahrhunderte muslimischer Wissenschaftsgeschichte. Mit dem Aufkommen moderner Medizin verschoben sich die Fragen. Doch die Prinzipien blieben. Die Achtung vor dem Leben. Die Vorstellung, dass Heilung erlaubt ist, aber nicht um jeden Preis. Und das ständige Bemühen, neue Mittel an alten Maßstäben zu messen. Gentechnik – zwischen Hoffnung und Grenzüberschreitung In der islamischen Ethik ist der Mensch kein Schöpfer. Er ist Verwalter, nicht Eigentümer. Diese Sicht wirft bei genetischen Eingriffen heikle Fragen auf. Wenn ein Fehler im Erbgut das Leben zerstört, kann man dann eingreifen? Die meisten Gelehrten sagen ja, wenn es der Heilung dient. Eine medizinische Therapie, die einem Kind das Leben rettet, ist kein Eingriff in Gottes Schöpfung, sondern ein Akt der Fürsorge. Aber sobald das Ziel eine vermeintliche “Optimierung“ ist, etwa zur Verbesserung des Aussehens, wird die Sache heikel. Viele islamische Ethiker ziehen hier eine rote Linie. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erlaubt. Der Mensch darf nicht zur Ware werden. Wer Gene bearbeitet, muss wissen, wo seine Verantwortung beginnt und wo sie aufhört. Und vor allem, dass sie nicht dort endet, wo der Eingriff technisch gelingt. Organspende – das Geschenk des Lebens Im Koran steht, dass wer ein Leben rettet, die ganze Menschheit gerettet hat: „Wer es (menschliches Wesen) am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält“ (Koran, 5:32). Diese Aussage bildet den Kern vieler Fatwas, also islamischer Rechtsgutachten, die sich mit Organspenden befassen. In den letzten Jahrzehnten haben viele islamisch-geprägte Länder gesetzliche Regelungen eingeführt, die Organtransplantationen unter bestimmten Bedingungen erlauben. Die Spende darf freiwillig sein. Sie darf kein Geschäft sein. Und sie darf niemanden zum Schaden bringen. Der Tod wird dabei meist durch den Hirntod definiert. Bei unwiederkehrbarem Herz- und Atemstillstand, bei Ausfall der Hirnfunktionen gilt man als verstorben. Das führt in manchen Gemeinschaften zu Unsicherheiten, weil viele Menschen den Moment des Todes anders empfinden. Hier zeigen sich Spannungen zwischen moderner Medizin und traditionellen Vorstellungen. Trotzdem wächst die Bereitschaft zur Spende. Auch weil die Vorstellung stark ist, dass der Mensch durch seinen Tod anderen das Leben schenken kann. Nicht als Verlust, sondern als letzte gute Tat. Lebensverlängerung – wo endet das Erlaubte? Im Islam ist das Leben heilig. Aber es ist nicht absolut. Passive Sterbehilfe, also die Ablehnung von lebensverlängernden Maßnahmen, wenn dies medizinisch keinen Sinn mehr macht, ist möglich. Auch hier gilt: Das Leben gehört nicht dem Arzt, nicht dem Patienten und nicht dem Staat. Es ist anvertraut. Und diese Verantwortung bedeutet auch, den natürlichen Tod zu respektieren. Gleichzeitig ist es verboten, das Leben absichtlich zu beenden. Aktive Sterbehilfe, Euthanasie wird von islamischen Gelehrten abgelehnt. Auch assistierter Suizid gilt als unvereinbar mit dem Glauben. Der Tod soll nicht provoziert werden, aber er darf eintreten, wenn der Körper seine Kraft verliert. Hier liegt eine tiefe Weisheit: Der Mensch darf loslassen, wenn die Zeit gekommen ist. Einzelfall entscheidet In solchen komplexen Fragen gibt es keine Schablonen. Jeder Fall bringt eigene Umstände, Gefühle und Grenzen mit sich. Der Islam erkennt das an. Statt starrer Regeln entwickelt er Entscheidungsprozesse. Gelehrte, Ärzte, Betroffene und Familien beraten gemeinsam. Sie schauen, was medizinisch möglich, ethisch vertretbar und spirituell tragbar ist. Dabei orientieren sie sich an Grundprinzipien wie dem Schutz des Lebens, der Absicht hinter der Handlung und dem Maß des Zumutbaren. Es geht nicht darum, alles gleich zu entscheiden, sondern gerecht. Der Islam hat über Jahrhunderte Strukturen geschaffen, die genau das ermöglichen. Fatwas, also individuelle Rechtsgutachten, sind ein Ausdruck dieser Haltung. Sie entstehen aus Abwägung, Beratung und Verantwortung, nicht aus Automatismus. Zwischen Wissenschaft und Gewissen Die islamische Bioethik bewegt sich in einem Spannungsfeld. Einerseits akzeptiert sie medizinischen Fortschritt. Andererseits bleibt sie wachsam gegenüber seinen Schattenseiten. Sie stellt Fragen, wo andere nur Möglichkeiten sehen. Sie prüft, wo andere handeln. Und sie erkennt, dass nicht jede Antwort in einem Labor gefunden werden kann. Wer den Islam als Gesprächspartner in bioethischen Debatten ernst nimmt, findet keine einfachen Lösungen, aber eine klare Haltung. Eine, die sich nicht versteckt, aber auch nicht aufdrängt. Eine, die den Menschen sieht, mit all seiner Zerbrechlichkeit. Und eine, die an das Leben glaubt, nicht als Besitz, sondern als Vertrauen. Dr. Cemil Şahinöz, Islamische Zeitung, Dezember 2025
