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Die Motoren der Lebensmittelpreise

 

Mindestens zwölf Millionen Menschen sind von der schlimmsten Hungerkatastrophe in Ostafrika seit Jahren betroffen. Gleichzeitig stiegen die Lebensmittelpreise im Krisengebiet um 240 Prozent - was die Lage zusätzlich verschärft. Grund sind keineswegs nur Ernteausfälle. Schon die Tatsache, dass in Österreich Mais billiger ist als in Ostafrika, zeigt, dass hier etwas in Schieflage geraten ist. Das war auch das Fazit einer international besetzten Konferenz am Wochenende in Krems. Ursache der Katastrophe ist eine fatale Mischung aus dem wachsenden Bedarf an Treibstoff, dem Klimawandel und Spekulation.

 

Die rekordverdächtigen Nahrungsmittelpreise verschlimmern die derzeitige Hungerkatastrophe am Horn von Afrika. „Die nächsten Opfer werden die Menschen sein, die sich die teure Nahrung nicht mehr leisten können“, sagte Mariann Bassey, die Leiterin der nigerianischen Organisation Environmental Rights Action (ERA) im Interview mit ORF.at. Eine Milliarde Menschen weltweit leidet an Hunger.

 

Die steigenden Preise werden die Situation verschlimmern, warnte Bassey. „Die weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch, der wachsende Sektor der Biotreibstoffproduktion und die Spekulation mit Lebensmitteln auf den Finanzmärkten treiben die Preise weiter in die Höhe“, argumentierte ähnlich Alexandra Strickner von Attac Österreich im Gespräch mit ORF.at. „In Kenia liegt der Preis für Mais 60 bis 70 Prozent im Augenblick über dem Weltniveau“, sagte Wolfgang Fengler, Chefökonom der Weltbank in Nairobi, vergangene Woche. In Österreich ist Mais billiger als in Ostafrika.

 

 

Die derzeitige Hungerkrise in Afrika und die Explosion der Lebensmittelpreise war am vergangenen Wochenende Thema einer Tagung in Krems. Über 120 NGOs (Nichtregierungsorganisationen) diskutierten bei der Konferenz „Nyeleni Europe 2011“ über die Zukunft der Landwirtschaftspolitik Europas.

 

 

Hauptthemen waren die Hungersnot in Afrika und die Ursachen für die weltweit steigenden Lebensmittelpreise. Tenor war, dass Krisen wie die aktuelle weder hausgemacht sind noch durch Naturkatastrophen alleine zu erklären sind. Der steigende Bedarf an Nahrungsmitteln, der Boom der Agrotreibstoffe, der Klimawandel und die Spekulation mit Rohstoffen sind die eigentlichen Preistreiber.

 

Mehr Menschen brauchen mehr Nahrung

Seit 1970 hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt - und jeden Tag setzen sich rund 225.000 Menschen mehr an den globalen Esstisch. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Graz. Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass die Preise für Lebensmittel in den kommenden zehn Jahren weiter steigen werden und dadurch Millionen Menschen in Entwicklungsländern vom Hunger bedroht wären. Die Nahrungsmittelproduktion müsste bis 2050 um 70 Prozent erhöht werden, um alle Menschen ernähren zu können. Dazu braucht es neue landwirtschaftliche Anbauflächen oder eine intensivere Nutzung der bestehenden Ressourcen.

Die Welt isst immer mehr Fleisch

Ein Hauptverursacher der sich immer schneller drehenden Preisspirale ist die steigende Nachfrage in boomenden Ökonomien wie China und Indien. Über drei Milliarden Menschen klettern die Ernährungsleiter hinauf. Das bedeutet, dass sie mehr Fleisch, Milch und Eier verbrauchen. Vor allem in China wächst die Mittelschicht rasant und damit auch die Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln. Um den stetig steigenden Bedarf zu decken, braucht es immer mehr Getreide, mit dem Tiere gefüttert werden.

„Der Konsum von Fleisch, wie wir Europäer ihn pflegen, beutet ärmere Länder dieser Welt aus. Die Anbauflächen für Nahrungsmittel werden dem Anbau von Futtermitteln geopfert“, sagte Strickner. Eine Veränderung der Lebensgewohnheiten sei dringend nötig. „Weniger Fleisch, dafür ökologisch nachhaltig in Europa produziert“, lautet eine zentrale Forderung in der Deklaration der Nyeleni Tagung.

Getreide für den Tank

Mehr Getreide verlangen aber nicht nur hungrige Tiere, sondern auch die Treibstoffindustrie. Seit 2005 wegen der durch den Hurrikan „Katrina“ in den USA verursachten Schäden die Benzinpreise explodierten, werden verstärkt Agrotreibstoffe wie Biodiesel aus Nutzpflanzen gewonnen.

Die USA, der weltweit größte Produzent von Getreide, ernteten im vergangenen Jahr 419 Millionen Tonnen. Fast ein Drittel der Ernte wurde direkt in den Ethanol-Destillerien zu Biotreibstoff weiterverarbeitet.

 

Auch die EU sieht in der Nutzung von Biotreibstoffen eine Möglichkeit, der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen teilweise zu entkommen. Ein Beschluss aus dem Jahr 2009 sieht vor, dass der Anteil an Biotreibstoffen in der gesamten Treibstoffmenge bis 2020 insgesamt zehn Prozent ausmachen soll. Um dieses Ziel zu erreichen, werden seit Jahren immer mehr Anbauflächen weltweit für die Produktion von Biotreibstoffen genutzt. In der Folge gab es weniger Getreide - und hier vor allem Mais -, das dem Lebensmittelmarkt zur Verfügung stand.

„Der Hunger nach Energie oder das Recht der Menschen auf Essen - was ist wichtiger?“, fragte Bassey.

Lebensmittelreserven gehen zurück

Weil mehr Getreide für die Produktion von Treibstoff aufgewendet wird, schrumpfen auch die Reserven in den Speichern. Die Lagerbestände an Mais in den USA sind auf dem Tiefstwert seit 1970. Die Weizenproduktion Nordamerikas erzielte bis 1995 immer Überschüsse. Diese konnten in Notsituationen schnell bereitgestellt werden. Der Polster an Nahrungsmittelreserven ist drastisch zusammengeschrumpft.

 

Die Welternährungsorganisation FAO geht von einem Anstieg der Getreideproduktion im Jahr 2011 aus. Die Ernten werden ausreichen, um den Bedarf des Marktes zu decken, jedoch nicht, um neue Reserven anzulegen. Die Angst vor Ernteausfällen, welche die bestehenden Reserven weiter verringern könnten, treiben die Preise weiter in die Höhe.

Klimawandel bedroht Ernten

„Ernteausfälle durch Trockenheit und die schnell wechselnden klimatischen Bedingungen treffen in Afrika die Ärmsten unter den Armen“, sagte Bassey. In Afrika könnte eine Erhöhung der globalen Temperaturen um vier Grad bis 2090 zu einer deutlichen Verkürzung der Vegetationszeit und damit zu weiteren Ernteeinbußen führen, warnte eine Studie des International Livestock Research Institutes in Nairobi (Kenia). Immer häufiger würden Ernten aufgrund von Wetterereignissen wie auch im vergangenen Jahr ganz ausfallen.

 

Forschern der US-Universitäten Stanford und Columbia zufolge hat die Landwirtschaft in den vergangenen 30 Jahren weltweit 5,5 Prozent weniger Weizen und knapp vier Produzent weniger Mais produziert, als ohne Klimawandel möglich gewesen wäre. Das bedeute einen absoluten Ausfall von 33 Mio. Tonnen und komme damit dem gleich, was Frankreich in einem Jahr an Weizen produziere. Dadurch seien die Lebensmittelpreise um über sechs Prozent gestiegen.

Spekulationen auf Lebensmittel

Finanzspekulationen auf Getreide haben erheblichen Anteil an der Verteuerung von Grundnahrungsmitteln auf den internationalen Märkten. Eine Studie im Auftrag der deutschen Welthungerhilfe kommt zu dem Schluss, dass das Engagement von branchenfremden Kapitalanlegern 2009 im Schnitt für zusätzliche Preisaufschläge von bis zu 15 Prozent bei Weizen, Mais, Reis sowie Soja verantwortlich war.

 

Rein spekulative Kapitalanlagen auf Lebensmittel seien ein preistreibender Faktor, der die wegen der weltweit steigenden Nachfrage ohnehin angespannte Marktsituation verschärfe, kritisierte die Welthungerhilfe. Eine Kontrolle der Spekulation auf Nahrungsmittel sei dringend nötig, damit „Nahrung wieder ein Grundrecht wird und nicht länger wie eine Ware gehandelt wird“, sagte Strickner.

Quelle:österreichischer Rundfunk

 

 

Weiterführende Links:

 

 

 

Weiterführende Links im Misawa-Forum:

 

 

 

Edited by yilmaz
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