Webmaster Posted November 11, 2011 Share Posted November 11, 2011 Einer aktuellen Studie zufolge können Zwangsverheiratungen nicht auf bestimmte religiöse Traditionen zurückgeführt werden. Dennoch diskreditiert Familienministerin Schröder Muslime mit dieser Thematik, kritisiert Co?kun. Dass es Zwangsverheiratungen auch in Deutschland gibt und Opfer solcher Freiheitsberaubenden Handlungen unendlich viel Leid ertragen müssen, wird niemand abstreiten. Dass darüber gesprochen werden muss, ist ein moralisches Gebot. In der Türkei wird sogar bald eine Serie, die auch in Deutschland zu sehen sein wird, das Thema der Zwangshochzeit aufgreifen. Auch deutsch-türkische Zeitungen befassen sich regelmäßig mit dem Thema und leisten dadurch Aufklärungsarbeit. Das ist auch gut so! Dennoch darf ein solch sensibles Thema nicht dazu dienen, um Bevölkerungsgruppen mit Scheinzusammenhängen zu diskreditieren. Das tat nämlich die Familienministerin Kristina Schröder neulich in der FAZ1 mit folgenden Worten: Aus gutem Grund warnen viele Wissenschaftler vor zu kurzen und zu einfachen Kausalketten. Trotzdem darf uns der religiöse Aspekt nicht kaltlassen. Der Zusammenhang zwischen kulturellem Hintergrund und menschlichem Handeln ist eine soziologische Selbstverständlichkeit. Trotzdem wird dieser Zusammenhang in Hinblick auf den Islam oft verleugnet oder wegdefiniert. Angesichts des Streites, ob der Islam Teil des Problems ist oder nicht, wird leider völlig ausgeblendet, dass er auf jeden Fall Teil einer Lösung sein muss. Wir müssen erreichen, dass islamische Autoritäten in Deutschland es noch stärker als ihre Aufgabe begreifen, Zwangsverheiratungen zu verweigern. In der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebenen Studie, auf die sich die Familienministerin stützt, steht schon im dritten Satz des ersten Kapitels Folgendes: In der Forschung besteht ebenso Einigkeit darüber, dass sich Zwangsverheiratungen nicht auf bestimmte religiöse Traditionen zurückführen lassen, sie kommen in unterschiedlichen sozialen, ethnischen und kulturellen Kontexten überall auf der Welt und auch in Europa vor. Und einige Seiten später: Mit der gewählten Methode und anhand der Datenlage konnte und sollte also nicht überprüft werden, ob und welche Zusammenhänge die Religionszugehörigkeit/Religiosität mit Zwangsverheiratung hat. Um den Einfluss von Faktoren wie Bildung, Herkunft, Religiosität etc. auf die Praxis der Zwangsverheiratung zu untersuchen, wäre weitere Forschung notwendig.2 Die Autoren der Studie wissen also um die Schwierigkeiten ihres Datensatzes. Es fehlen wichtige Informationen, um weitergehende Analysen machen zu können. Und es handelt sich um eine hochselektive und dadurch stark verzerrte Datengrundlage, was natürlich auch mit dem schwierigen Forschungsfeld zu tun hat. Unter den 3443 Personen (diese Zahl resultiert aus den berichteten Beratungsfällen der 358 Beratungsstellen), denen Zwangsheirat angedroht wurde oder die zwangsverheiratet wurden, gibt es womöglich Mehrfachzählungen, die daraus resultieren, dass betroffene Personen mehrere Beratungsstellen in Anspruch nehmen. Der Anteil der Personen, die mehrere Beratungsstellen aufsuchten, könnte zwischen 14 und 43 Prozent liegen. Demgegenüber steht eine unbekannte Dunkelfeldziffer an möglichen Betroffenen.3 Nun muss beachtet werden, dass Angaben über die befragten Personen und ihre Herkunftsfamilien auf der Basis von 773 Fällen und ca.100 Beratungsstellen gemacht werden, was eine zusätzliche Verzerrung abhängig von der Auswahl der Beratungsstelle in die Stichprobe bedeuten kann. Zum Beispiel könnten solche Beratungsstellen, die in besonderen Brennpunkten liegen, überrepräsentiert sein, da sie durch die Teilnahme an der Studie in besonderem Maße auf die Problematik hinweisen wollen. Solche Stellen, bei denen die Quote an Zwangsheiraten niedrig ist, könnten auch in geringerem Maße zu einer Mitarbeit bereit gewesen sein. Leider sind in der Kurzfassung der Studie die Langfassung ist noch nicht erschienen- keine Informationen darüber, wie und welche Beratungsstellen für die Falldokumentation gewählt wurden, sodass nicht einmal die Zahlen für die ca. 100 Beratungsstellen interpretiert werden können. Vor dem Hintergrund dieser gravierenden methodischen Schwierigkeiten und der daraus resultierenden Probleme der Interpretation stellt nun die Familienministerin einen islamisch-kulturellen Zusammenhang zwischen Religionszugehörigkeit und Zwangsverheiratung her. Obwohl in der gesamten 53-seitigen Kurzfassung der Studie das Wort Islam nur dreimal vorkommt und die Verfasser vor solch einem Zusammenhang warnen, schafft es die Familienministerin in einem kurzen Beitrag für die FAZ die Ergebnisse ihrer eigenen Studie auf den Kopf zu stellen. Vielleicht sollte sich die Familienministerin einmal die besagte türkische Serie anschauen, was natürlich türkische Sprachkenntnisse voraussetzt. Quote Link to comment Share on other sites More sharing options...
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