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02.06.2016, 12:55 Uhr Übersicht | Druckansicht

Beratung des Antrages zu Armenien

Ich habe heute im Plenum des Deutschen Bundestages dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916" (Drucksache 18/18613) nicht zugestimmt. Meine Gründe für mein Abstimmungsverhalten habe ich in einer Persönlichen Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung dargelegt. Hier der Text im Wortlaut.

 

 

"Persönliche Erklärung der Abgeordneten Bettina Kudla nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Antrag Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916 (Drucksache 18/8613).

 

 

Es ist nicht Aufgabe des Deutschen Bundestages, historische Bewertungen von Ereignissen in anderen Staaten vorzunehmen. Die Aufarbeitung von geschichtlichen Ereignissen obliegt dem betroffenen Staat, in diesem Fall der Republik Türkei. Der vorliegende Antrag enthält keine Angaben von Quellen wie z.B. Historikern, auf die sich die Beurteilungen des benannten Völkermordes stützen.

 

 

Die politischen als auch finanziellen Folgen, die sich aus diesem Antrag ergeben, sind nicht kalkulierbar. Unmittelbare finanzielle Folgen könnten sich durch das Aufmachen von Wiedergutmachungsforderungen seitens Armenien ergeben.

 

 

Die Beziehungen zur Republik Türkei werden durch diesen Beschluss belastet. Der Vollzug des Flüchtlingsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Türkei wird erschwert. Dies ist umso bedauerlicher, da es sich um ein europäisches Abkommen handelt und bisher europäische Lösungen bzgl. Asylbewerbern und Flüchtlingen nur schwer möglich waren. Sollte das Flüchtlingsabkommen mit der Republik Türkei scheitern, wird es neben gravierenden humanitären Folgen auch erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für Deutschland geben.

 

 

Allein aus der Kenntnis von Vorgängen, kann m.E. nicht abgeleitet werden, dass das Deutsche Reich eine Mitschuld an den damaligen Ereignissen der Verfolgung der Armenier trägt. Worin diese Verantwortung besteht, ist im Antrag nicht erkennbar. Im Antrag heißt es: „Der Deutsche Bundestag stellt fest: …Das Deutsche Reich trägt eine Mitschuld an den Ereignissen.“ In der Begründung des Antrages heißt es: „Die damalige Deutsche Reichsregierung, die über die Verfolgung und Ermordung der Armenier informiert war, blieb dennoch untätig. … … Das Deutsche Reich war als militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reiches ebenfalls tief in diese Vorgänge involviert.“

 

 

Konkrete historische Fakten sind nicht benannt. Auch in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE vom März 2015 zu diesem Thema (Drucksache 18/4335) und in dem Antrag von der Fraktion DIE GRÜNE vom April 2015 (Drucksache 18/4687) heißt es, dass die Regierung des Deutschen Reiches jeweils über den Völkermord informiert war, aber nicht einschritt. Allein daraus kann m.E. nicht zwingend eine deutsche Mitverantwortung abgeleitet werden. Auch heute hat die Bundesregierung und auch der Deutsche Bundestag Kenntnis über Massaker z.B. an Syrern. Trotz jahrelanger diplomatischer Bemühungen und der Unterstützung von militärischen Einsätzen ist es nicht gelungen, diese Massaker in Syrien zu verhindern.

 

 

Der vorliegende Antrag wird von mir abgelehnt.

 

 

 

 

 

Berlin, den 02.06.2016

 

 

Bettina Kudla, MdB" CDU

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DER BUNDESTAG MACHT ES SICH IN DER ARMENIEN-FRAGE VIEL ZU LEICHT.

Liebe Freunde, bei der Deportation der Armenier durch das von allen Seiten überfallene Osmanische Reich kamen 600.000-1.5 Mio. Armenier um - ein schweres Verbrechen. Doch die Tötung von über 2 Mio. Türken durch die Angreifer war genauso kriminell. Hierüber verliert die heutige Bundestags-Resolution kein Wort. Das ist nur ein Beispiel für ihre doppelte Moral und historische Oberflächlichkeit. Sie ist anmaßend und unhistorisch.

Es gibt viele Gründe, die augenblickliche Politik Präsident Erdogans zu kritisieren. Aber keinen, sich mit 100 Jahren Verspätung ohne seriöse juristische Prüfung als moralischer Scharfrichter über die Türkei aufzuspielen. Verspäteter Mut ist der opportunistische Bruder der Feigheit.

DIE FAKTEN

Deportationen waren in Kriegen ein berüchtigtes Mittel, um Bevölkerungsgruppen, die man als Feinde einstufte, 'fortzuschaffen' oder von einem Landesteil zum anderen zu transportieren. In beiden Weltkriegen, aber auch vorher und nachher, kam es zu millionenfachen Deportationen. Eine scheußlicher als die andere.

Nur selten erwähnt werden dabei die Deportationen von über 5 Millionen europäischen Muslimen zwischen 1770 und 1923 (http://www.tc-america.org/media/Forced_Displacement.pdf). Aus dem Balkan, aus Griechenland, Bulgarien, Rumänien, dem Kaukasus, Montenegro und Russland. Überwiegend ins Staatsgebiet der heutigen Türkei. Bei diesen Deportationen kamen Millionen Muslime ums Leben.( McCarthy, US-Historiker: https://www.youtube.com/watch?v=f96ptH7QYMA)

Deportationen sind für mich immer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Unabhängig von Nationalität, Religion und Ethnie. Das gilt selbstverständlich auch für die heute im Bundestag debattierte Deportation der Armenier von den umkämpften Ost-Grenzen des Osmanischen Reiches ins Landesinnere. (Die Armenier im Westen blieben weitgehend unbehelligt).

Bei qualvollen Märschen durch unwirtliches Land kamen ab 1915 unzählige Armenier um. Selbst die Türkei geht von 600.000 Toten aus. Sie starben an Hunger, Kälte, Krankheit, aber auch durch kriminelle, mörderische Übergriffe. Da gibt es nichts zu beschönigen.

Das sieht auch die türkische Regierung so. Präsident Erdogan hat hierzu in seiner Rede vom 23.04.2014 klare Worte gefunden. Er sagte “Es ist eine Pflicht der Menschlichkeit, anzuerkennen, dass die Armenier sich des Leids, das sie in dieser Zeit erfahren haben, erinnern. Die unmenschlichen Konsequenzen, die Deportationen während des ersten Weltkrieges, sollten Türken und Armenier aber nicht daran hindern, gegenseitig Mitleid und Menschlichkeit zu entwickeln."

Die türkisch-osmanische Regierung hat nicht nur geredet, sondern auch durchgegriffen. Sie stellte 1673 türkische Offiziere, Soldaten und Funktionäre, die sich an Deportierten vergangen hatten, vor Gericht. 67 verurteilte sie wegen 'Verbrechen gegen die Menschheit' zum Tode. (Siehe auch den etwas älteren Bericht: http://www.welt.de/…/1634-tuerkische-Offiziere-zum-Tode-ver…).

NICHT JEDES SCHWERE KRIEGSVERBRECHEN IST VÖLKERMORD

Dass die Deportation der Armenier ab dem Jahr 1915 - wie alle anderen Deportationen - ein schweres Verbrechen war, ist also unstreitig. Streitig ist unter Historikern und Juristen eigentlich nur, ob der Tod der vielen hunderttausend Armenier bewusstes ZIEL der Deportationen war. Ob die Deportationen in 'ZERSTÖRUNGS-ABSICHT' durchgeführt wurden. Wie etwa der Holocaust. Dann waren sie zusätzlich Völkermord, 'Genozid'.

Führende Juristen wie etwa der Göttinger Professor Kai Ambos vertreten die Auffassung, dass es für dieses 'Vernichtungs-Ziel' bisher keine überzeugenden Beweise gebe. (FAZ vom 29.4.2016). Allerdings gibt es hierzu auch dezidiert andere Meinungen, wie die von Professor Otto Luchterhandt von der Universität Hamburg.

Die Türkei wehrt sich letztlich nur gegen die Verwendung des juristischen Spezialbegriffs 'Genozid', der das überfallene Osmanische Reich zum 'Völkermörder' machen würde. Ausgerechnet durch Deutschland, seinen damals engsten Verbündeten.

LASST EINE NEUTRALE KOMMISSION ENTSCHEIDEN!

Obwohl ich Jurist und ehemaliger Richter bin, gestehe ich offen: Ich kann diese Frage nicht beurteilen. Endgültig kann sie nur entschieden werden, wenn eine neutrale, internationale Historiker- und Juristen-Kommission alle Dokumente über die damaligen Ereignisse einsehen kann. Wenn alle staatlichen Archive geöffnet werden. Die türkische Regierung, als Rechtsnachfolgerin der Regierung des Osmanischen Reiches, hat sich mehrfach dazu bereit erklärt.

Warum scheut sich der Westen, diese juristische Frage einer neutralen Kommission zu überlassen? Hat er Angst vor vorurteilsfreiem juristisch-historischem Sachverstand? Fürchtet er, dass dann auch der lange geplante Überfall auf das Osmanische Reich vor allem durch Großbritannien und Frankreich, aber auch durch andere Nachbarstaaten als Kriegsverbrechen entlarvt werden könnte? (Siehe hierzu das Standardwerk von David Fromkin: 'A peace to end all peace').

Schließlich haben vor allem die Großmächte, die das Osmanische Reich überfielen, um es unter sich aufzuteilen, das Tor zur Hölle aufgerissen. Und dadurch all die monströsen Verbrechen ermöglicht. Doch wer geht schon gegen Sieger vor? Verbrecher sind immer nur die Verlierer.

Ich finde es trotzdem richtig, dass man das Schicksal der deportierten und getöteten Armenier nie vergisst. Aber man darf auch das Schicksal der deportierten und getöteten muslimischen Osmanen und Türken nicht unter den Tisch kehren.

Das einseitige an den Pranger Stellen der türkischen Osmanen in diesen Tagen ist leicht. Doch es widerspricht der historischen Wahrheit. Und ist deshalb verdammt opportunistisch. Auch wenn viele Redner des Bundestags scheinheilig erklären, sie wollten natürlich kein Türkei-Bashing betreiben, so betreiben sie es nach allen Regeln der Kunst. Euer JT

 

Jürgen Todenhöfer

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Ali B.

Jedes Jahr wieder das Thema mit dem angeblichen Völkermord an den Armeniern.

Was keiner zeigt und sagt ist, dass die Türkei unter Erdogan ihre Archive geöffnet hat und dazu drängt eine unabhängige Kommission zu gründen die alle Beweise auswerten soll. Armenien weigert sich aber daran teilzunehmen und ihre Archive zu öffnen.

Wenn ihr nichts zu verbergen habt dann öffnet doch eure Archive?!

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11.06.2016

 

12:52 Uhr

 

TÜRKEI

 

Armenischer Patriarch stellt sich auf Erdogans Seite

 

VonOzan Demircan

 

Rückendeckung für den türkischen Präsidenten: Das religiöse Oberhaupt der Armenier in der Türkei kritisiert die Völkermord-Resolution des Bundestags. Armenisch-stämmige in der Türkei sind davon wenig begeistert.

 

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Aram Ateşyan

 

Der Armenische Patriarch kritisierte die Entscheidung des Bundestags öffentlich und bekundete seine „tiefe Trauer“ über die Völkermord-Resolution.

 

Quelle:*Reuters

 

ZürichRecep Tayyip Erdogan ist außer sich. Die Resolution des Deutschen Bundestages, die Tötung hunderttausender Armenier im Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren als Völkermord zu deklarieren, hat den türkischen Präsidenten auf die Barrikaden gebracht. Er kritisierte offen Bundeskanzlerin Merkel, drohte türkischstämmigen Abgeordneten im Berliner Parlament und forderte sogar Bluttests von ihnen. „Niemand, in dessen Adern das Blut dieser Nation fließt, kann diese Nation mit dem sogenannten Völkermord beschuldigen“, fauchte Erdogan nach der Resolution.

 

Jetzt erhält das aufgebrachte Staatsoberhaupt überraschende Unterstützung. Der Armenische Patriarch in Istanbul, Erzbischof Aram Ateşyan, kritisierte die Entscheidung des Bundestags nun öffentlich und bekundete seine „tiefe Trauer“ über die Völkermord-Resolution.

 

In einem persönlichen Schreiben an Erdogan erklärte Ateşyan: „Wie wir es bereits viele Male zuvor gesagt hatten, ist es wirklich traurig, dass jener Schmerz, der ein Trauma im armenischen Volk ausgelöst hat, nun in der politischen Arena missbraucht wird.“ Viele Medien in der*Türkei*griffen die Korrespondenz der beiden Männer auf.

 

 

UMGANG MIT ERDOGAN

 

PREMIUM*Bloß nicht kuschen

 

Weiter erklärte der Erzbischof, es sei inakzeptabel für deutsche Volksvertreter, zu einem Thema Meinungen zu äußern oder Gesetze zu verabschieden, das nichts mit dem deutschen Volk zu tun habe. Fakt ist: Das Deutsche Reich war damals indirekt an den Massenvertreibungen und Ermordungen beteiligt gewesen. Deutsche Militärbeobachter, die im Osmanischen Reich stationiert waren, unterließen damals eine Einmischung.

 

In der Türkei sind die Tötungen, die oft als „tragische Ereignisse von 1915“ tituliert werden, ein Reizthema. Offiziell erkennt Ankara die brutalen Deportationen sowie die Todesfälle hunderttausender Armenier an, will aber nicht von einem Völkermord sprechen. Die Regierung des Osmanischen Reiches hatte die Deportation der Armenier beschlossen, nachdem sich armenische Milizen mit Russland verbündet hatten, die von Osten her in osmanische Gebiete vorrückten. Im Jahr 2009 stimmte die Regierung Erdogans zu, eine Historikerkommission zu bilden, welche die Vorfälle untersuchen und schließlich klassifizieren sollte.

 

Das politische Verhältnis zwischen den beiden Ländern darf man getrost als gespalten bezeichnen. Einerseits war die Türkei der erste Staat, der im Jahr 1991 die Unabhängigkeit Armeniens von der Sowjetunion akzeptierte. Andererseits unterstützte Ankara anschließend im sogenannten Bergkarabach-Konflikt das gemeinsame Nachbarland Aserbaidschan. Bis heute unterhält die Türkei enge Beziehungen zum Erzfeind der Armenier.

 

Ein Wendepunkt markiert das Jahr 2007, als der armenisch-stämmige Journalist Hrant Dink mitten in Istanbul erschossen worden war. Der Mord beendete das Schweigen in dem lange schwelenden Streit und setzte eine öffentliche Debatte in der Türkei über das Verhältnis mit Armenien und den Armeniern im eigenen Land aus. Erdogan, damals noch Ministerpräsident, stellte die Ermordung Dinks mit „Schüssen auf die Türkei“ gleich. An der Beerdigung nahm er allerdings nicht teil, weil er eine Autobahn eröffnen musste. Medien spekulierten damals, dass er den Mord nur verurteilte, um im selben Jahr eine Parlamentswahl zu gewinnen. Der damalige Präsident des Landes, Abdullah Gül, besuchte daraufhin als erster türkischer Staatschef Armenien. Im Oktober 2009 stimmten Ankara und Eriwan schließlich zu, sich gegenseitig diplomatisch anzuerkennen.

 

Der armenische Staat will offiziell, dass die massenhaften Erschießungen im Jahr 1915 auch von der Türkei anerkannt werden. Umso überraschender der Schritt des Patriarchen in Istanbul. Ateşyan ist dort eigentlich der stellvertretende armenische Patriarch von Konstantinopel. Derzeit führt er als amtierendes Oberhaupt die armenisch-apostolische Kirche in dem Land, da der Amtsinhaber Mesrob Mutafyan schwer erkrankt ist.

 

Ateşyan unterstreicht in seinem Brief an Erdogan, dass die beiden Völker aufeinander angewiesen seien: „Diese beiden benachbarten Völker sollten nicht mit Hass- und Feindschaftdiskursen voneinander entfernt werden“, schrieb er laut Medienberichten. „Anstatt die Geschichte zu politisieren, sollte auf Freundschaft und Frieden hingearbeitet werden.”

 

Die armenisch-türkische Wochenzeitung Agos hingegen kritisiert die Haltung des Patriarchen. Das Blatt erscheint in der Türkei auf türkisch und armenisch – einer ihrer profiliertesten Journalisten war der ermordete Hrant Dink. Nun veröffentlichte Agos ihrerseits einen Brief. Er ist wiederum an den Patriarchen gerichtet. Darin betonen die Redakteure sowohl ihre Trauer als auch Wut über die Anbiederung an den Präsidenten.

 

„Wir beten zu Gott“, richten sie das Wort den Patriarchen, „dass er ihrer Hohen Persönlichkeit Vernunft, Ideenreichtum und Erkenntnis schenken möge“. Der Patriarch hätte geschrieben, er würde selbst zu Gott beten, damit er den Repräsentanten des Staates, die den Menschen unseres Landes nützliche Dienste erweisen, viel Erfolg brächte. „Und das in einer Zeit, in der fast bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen und jeden Tage Menschen sterben.”

 

 

 

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Armenien-Resolution

 

Merkel geht auf Erdogans Forderung ein

 

Von*Ralf Neukirch*und Christoph Schult

 

 

imago

 

Kanzlerin Merkel, Staatspräsident Erdogan

 

Die Regierung will sich nach SPIEGEL-Informationen von der Armenien-Resolution des Bundestags distanzieren. Dafür wird wohl das Besuchsverbot bei den in der Türkei stationierten Bundeswehrsoldaten aufgehoben.

 

Die Bundesregierung plant eine politische Geste an die türkische Regierung, damit deutsche Abgeordnete die in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten wieder besuchen dürfen. Nach SPIEGEL-Informationen haben sich das Auswärtige Amt und das Kanzleramt darauf geeinigt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Armenien-Resolution des Bundestages distanzieren soll.

 

Am 2. Juni hatte der Bundestag die ab 1915 von der damaligen osmanischen Regierung an den Armeniern begangenen Massaker als Völkermord eingestuft.

 

Daraufhin untersagte Ankara deutschen Abgeordneten den Besuch auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Osten der Türkei. Von dort fliegt die internationale Koalition gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) ihre Einsätze, darunter auch Aufklärungstornados der Bundeswehr.

 

In den vergangenen Wochen bemühten sich Außenstaatssekretär Martin Ederer und der Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, in Ankara um eine Lösung des Streits. Ihnen wurde dabei unmissverständlich mitgeteilt, dass die türkische Regierung eine öffentliche Distanzierung von der Völkermord-Resolution des Bundestags verlange.

 

Bundestagsresolution hat keinerlei bindende Wirkung

 

Dieser Forderung wird Berlin nun nachkommen. Regierungssprecher Seibert wird demnach verkünden, dass die Resolution des Bundestags keinerlei bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe. Es handele sich, so der Tenor, um eine politische Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung.

 

Dem Beschluss gingen Gespräche über die Frage voraus, wer für die Bundesregierung die Erklärung abgeben solle.*Außenminister Frank-Walter Steinmeier wollte diese Rolle nicht übernehmen, ein persönlicher Auftritt von Kanzlerin Merkel kam nicht infrage, weil es als Kotau vor Erdogan gewertet worden wäre. Am Ende kam man überein, dass Regierungssprecher Seibert vor die Presse treten soll.

 

Inhaltlich bedeutet der geplante Auftritt von Seibert keine Kursänderung. Hinter den Kulissen hatten Merkel wie Steinmeier immer betont, dass sie die Resolution des Bundestags für keine gute Idee hielten. Steinmeier vermied stets, die damaligen Untaten des osmanischen Reichs als Völkermord zu bezeichnen.

 

Die türkische Regierung hat in internen Gesprächen klargemacht, dass sie sich mit einer solchen Geste zufriedenstellen würde. Damit wäre der Weg frei für den Besuch der Abgeordneten des Verteidigungsausschusses des Bundestags bei den deutschen Soldaten in Incirlik.

 

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte Ankara ein "Ultimatum" bis Anfang Oktober gesetzt. Andernfalls könne das Mandat für den Auslandseinsatz nicht verlängert werden. Nach SPIEGEL-Informationen hatte das Verteidigungsministerium bereits Pläne für eine Verlegung der Tornado-Flugzeuge an einen anderen Standort im Nahen Osten geprüft.

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[h=2]DEUTSCH-TÜRKISCHES VERHÄLTNIS[/h]

 

Aktualisiert vor 1 Minute

 

 

 

 

[h=1]Bundesregierung distanziert sich nicht von Armenien-Resolution[/h]Regierungssprecher Seibert hat Berichte zurückgewiesen, dass sich die Regierung von der Völkermord-Resolution distanziert. Er wies aber darauf hin, dass diese keine rechtlich bindende Wirkung hat.

 

 

Die Bundesregierung will trotz der schweren Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses nicht auf Distanz zur umstrittenen Armenien-Resolution des Bundestages gehen. "Davon kann überhaupt keine Rede sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag zur Haltung Berlins mit Blick auf einen anderslautenden Medienbericht.

 

"Spiegel Online" hatte berichtet, Auswärtiges Amt und Kanzleramt hätten sich darauf geeinigt, dass Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Resolution distanzieren solle.

"Der Deutsche Bundestag hat das Recht und die Möglichkeit, sich zu jedem Thema zu äußern, wann immer er das für richtig hält", betonte Seibert. "Die Bundesregierung unterstützt und verteidigt dieses souveräne Recht der deutschen Volksvertretung." Der Regierung stehe es nicht zu, sich in die Zuständigkeiten eines anderen Verfassungsorgans einzumischen und sich dazu wertend zu äußern.

Der Bundestag hatte am 2. Juni die Vertreibung und Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren im osmanischen Reich als Völkermord eingestuft und war damit auf den erbitterten Widerstand der Türkei gestoßen. Damit habe das Parlament sein Recht ausgeübt, so Seibert. Der Bundestag habe damit Auffassungen zu politischen Fragen zum Ausdruck gebracht, "ohne dass diese rechtsverbindlich sind".

[h=2]"Davon kann keine Rede sein"[/h]Außenamtssprecher Martin Schäfer sagte, auch von Seiten des Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) könne von Distanzierung keine Rede sein.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ließ zuvor mitteilen er bekenne sich zur umstrittenen Armenien-Resolution des Bundestags. "Herr Steinmeier stand, er steht und er wird zu der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages stehen", sagte ein Außenamts-Sprecher in Berlin. Der Außenminister sei selbst Abgeordneter, das gelte "auch persönlich". "Von Distanzierung kann überhaupt keine Rede sein."

In der Unionsfraktion und anderen Parteien lösten die Berichte am Morgen Irritationen aus. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth sagte vor Beginn einer Sitzung: "Die Position der Unionsfraktion bleibt unverändert." Im Fraktionsvorstand hieß es, eine Distanzierung durch Bundeskanzlerin Merkel wäre "das völlig falsche Signal" an den türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan, der vor allem türkischstämmige Bundestagsabgeordnete nach der Resolution persönlich angegriffen hatte.

 

 

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig lehnte eine Distanzierung von der Resolution ebenfalls ab. "Davon halte ich gar nichts", sagte sie dem Sender N24.

 

In der Resolution wird die Vertreibung der Armenier im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord bezeichnet. Die türkische Regierung hat den Beschluss scharf verurteilt. Sie fordert von der Bundesregierung eine Distanzierung und hat dies mit dem Besuchsrecht deutscher Parlamentarier bei den Bundeswehr-Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik verknüpft, das sie derzeit verweigert.

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02.09.2016

 

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Kommentar zur Armenien-Debatte

 

Eine Distanzierung, die nicht so heißen darf

 

Ein Kommentar von*Roland Nelles*und René Pfister

 

 

AP

 

Politiker Merkel, Erdogan (im Oktober 2015 in Istanbul)

 

Im Streit um die Armenien-Resolution kommt die Bundesregierung der Türkei entgegen. Das ist im Grundsatz richtig.

 

****

 

Kommentar

 

Was für ein Eiertanz: Um den Ärger mit der Türkei zu dämpfen, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert, die Armenien-Resolution, in der der Türkei ein Völkermord an den Armeniern am Anfang des 20. Jahrhunderts vorgeworfen wird,sei für die Regierung nicht rechtsverbindlich.

 

Diese Klarstellung war erwartet worden,*der SPIEGEL hatte zuerst darüber berichtet. Die Türkei machte sie in Gesprächen mit deutschen Diplomaten zur Bedingung, damit deutsche Abgeordnete wieder zu den*Bundeswehrsoldaten am Stützpunkt Incirlik*reisen können.

 

Seibert und alle anderen Koalitionäre erklären nun leutselig, das sei keine Distanzierung von der Resolution des Parlaments.*Das ist politische Irreführung für Anfänger.*Denn Seiberts Äußerung ist natürlich doch eine Distanzierung, sie darf nur nicht so heißen. Schließlich soll das deutsche Publikum nicht den Eindruck erhalten, Merkel und die Regierung machten den Kotau vor dem Autokraten Erdogan. Zwei Landtagswahlen stehen vor der Tür, und Erdogan ist in Deutschland ungefähr so beliebt wie Hagel im August.

 

Wenn sich die Regierung tatsächlich die Position des Bundestags voll und ganz zu eigen machen würde, müsste sie in offiziellen Dokumenten genau wie der Bundestag von einem "Völkermord" sprechen. Das hat sie aber noch nie getan - und wird es auch weiterhin nicht tun. Das hat sie so heute noch mal deutlich gemacht. Erdogan wird dieses Signal verstanden haben. Das ist zumindest die Hoffnung der Regierung.

 

Das rechte Maß an Druck ist nötig

 

Es ist jetzt natürlich einfach, auf Kanzlerin und Bundesregierung einzuprügeln. Aber ist es auch richtig? Die Türkei ist ein wichtiger Partner. Der Umgang mit solchen Partnern erlaubt es einer Regierung schlicht nicht, immer nur "Hardball" zu spielen, wie es vielleicht mancher rechter Stammtisch-Diplomat oder linker Moralapostel erwarten würde.

 

Wenn alle Regierungschefs nur noch völlig kompromisslos miteinander verkehren würden, dann würde in dieser Welt bald kein Stein mehr auf dem anderen stehen. Diplomatie bedeutet, Druck aufzubauen, aber im richtigen Moment auch wieder abzubauen. Es geht um das rechte Maß zwischen Moral und Realpolitik.

 

Letztlich versuchen Merkel und Steinmeier, Erdogan eine Brücke zu bauen, damit sich das angespannte Verhältnis entkrampfen kann. Das ist kluge Politik. Was wäre die Alternative: Erdogan und die Türkei vollständig zu isolieren und in ein*Bündnis mit Wladimir Putin*zu treiben?

 

Jetzt muss Erdogan allerdings auch bereit sein, die Brücke zu betreten, die man ihm gebaut hat.

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