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27.10.2008 Buchbesprechung: Die Journalistin Cornelia Filter nähert sich in ihrem neuen Buch neugierig und ergebnisoffen den "Konvertiten" in Deutschland an. Von Yasin Alder, Bonn

Weit mehr als nur Exoten

BERLIN (iz). Hinter dem etwas umständlichen Titel und dem Cover mit einer kopftuchbedeckten Frau - die hier aber ausnahmsweise nicht finster und bedrohlich wirkt - verbirgt sich eine der bemerkenswertesten Bücher zum Thema Muslime in Deutschland. Die Autorin, Journalistin und Feministin Cornelia Filter, ist namentlich bekannt für ihre Tätigkeit für das von Alice Schwarzer geleitete feministische Traditionsblatt „Emma“. Nun ist „Emma“ und auch Frau Schwarzer spätestens seit der Kampagne gegen die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel und gegen deren Person notorisch bekannt geworden für eine aggressiv-feindselige Haltung in Bezug auf den Islam, dessen vermeintliche Unterdrückung von Frauen und insbesondere auch gegenüber den so genannten „Konvertiten“.

 

Cornelia Filter selbst hatte im Jahr 2006 einen „Emma“-Artikel verfasst, in dem sie neue Muslime recht pauschal unter Islamismus-Verdacht gestellt hatte. Darin konzentrierte sie sich vor allem auf prominente deutsche Muslime, die „Elite“, wie sie es nennt. In ihrem nun erschienenen Buch wollte sie sich nun „ganz normalen Menschen“ widmen, die Muslime geworden sind, und wollte wissen, was diese am Islam fasziniert und wie dessen Annahme deren Leben verändert hat. Nun ist das Wort „Konvertiten“ aus islamischer Sicht problematisch und im Grunde nicht akzeptabel, weil man nicht zum Islam „übertritt“, sondern lediglich zu seiner natürlichen Veranlagung, dem ursprünglichen Zustand, in dem man geschaffen worden ist, zurückkehrt, denn jeder Mensch wird ursprünglich als Muslim geboren.

 

Um Muslim beziehungsweise Mus­limin zu werden und so zum Islam zurückzukehren, muss man lediglich vor zwei Zeugen die Glaubensbezeugung „Aschhadu an laa ilaha illa’Llah“ - Ich ­bezeuge, dass es keinen Gott außer ­Allah gibt - „wa aschhadu anna Muhammadan rasulu’llah“ - Und ich bezeuge, dass ­Muhammad der Gesandte Allahs ist“ - aussprechen.

 

Das Wort „Konvertiten“ schafft zudem eine begriffliche Trennung zwischen jenen, die in eine muslimische Familie geboren wurden, und jenen, die sich bewusst für den Islam entschieden haben - eine Trennung, die unnötige Abgrenzungen suggeriert. Auch wenn es im Grunde keine zuverlässigen Daten über die Zahl der deutschstämmigen oder neuen Muslime gibt - die letzten offiziellen von der Volkszählung 1987 sind längst veraltet - so steht doch fest, dass die Zahl beständig steigt, aller Negativkampagnen, die abschrecken sollen, zum Trotz.

 

Allmählich gewinnen die so genannten „Konvertiten“ an Relevanz innerhalb der muslimischen Gemeinschaft Deustchlands, sie engagieren sich vielfach in unabhängigen Projekten und Aktivitäten, nachdem ihnen, und das muss man leider auch sagen, viele Jahre lang von den nach wie vor zumeist ethnisch orientierten Verbänden entgegen dem, was eigentlich angemessen wäre, die kalte Schulter gezeigt wurde und die Tür zur Mitarbeit für sie verschlossen blieb.

 

Die deutschen Muslime, die im Buch erscheinen, sind freilich von einigen Ausnahmen abgesehen durchaus keine Unbekannten in der muslimischen Gemeinschaft. Filter besucht einen Dhikr in der Osmanischen Herberge im kleinen Eifelort Kall-Sötenich, wo sich die zumeist deutsch- und europäischstämmigen Leute von Schaikh Nazim treffen, die älteste Berliner Moschee, die von der „Lahore-Ahmadiyya“-Sekte betrieben wird und bei der sich überraschenderweise herausstellt, dass die Gemeinde nur aus einer Person besteht, oder den kontroversen Mohammed Herzog mit seinem Verein, versucht aber auch, mit der in die Nähe des Islamismus gerückten Nur-Moschee und dem dort tätigen deutschsprachigen Prediger Abdul Adhim in Kontakt zu treten, was allerdings nicht gelingt. Anschließend trifft sie noch den Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening. Sie besucht die idyllische Mevlevi-Tekke im Dorf Trebbus in der Niederlausitz und begegnet dort der Schaikha Nuriye Krieg-Dornbrach und Schaikh Abdullah Halis Dornbrach, und macht eindringliche Erfahrungen, als sie an einem Dhikr teilnimmt.

 

Wieder in Berlin erkennt sie in der alten Bekannten, der Religionswissenschaftlerin Dorothee Sabriyah Palm, die ebenfalls einen feministischen Hintergrund hat, eine „Schwester im Geiste“. Ähnlich geht es ihr bei Luise Becker vom Kölner Zentrum für islamische Frauenforschung und- förderung (ZIF). In Mainz trifft sie drei junge deutsche Musliminnen, die nicht auf den Mund gefallen sind, und im Odenwald das seit Jahren als Referenten zu islamischen Themen engagierte Ehepaar Abdulqadir und Fatana Schabel, eine Begegnung, bei der die Autorin gleich mehrfach angenehm überrascht wird.

 

Im Ruhrgebiet versucht Filter sich den Kreisen um den scheinbar allseits präsenten Vortragsredner Pierre Vogel alias Abu Hamsa zu nähern. Ein Interview mit Vogel selbst kommt letztlich nicht zustande, jedoch nach mehreren Anläufen eines mit einer jungen Frau, die erst seit kurzem Muslimin ist und der von Pierre Vogel verbreiteten Richtung zu folgen versucht. Es ist eine aufschluss­reiche Begegnung, die nachdenklich macht über dieses unter Jugendlichen verbreitete Phänomen, seine möglichen Gründe und Auswirkungen.

 

In Köln spricht Filter mit den Eltern einer „Konvertitin“, wobei man als Leser stellenweise sogar Verständnis für die Probleme der Eltern mit ihrer Tochter entwickelt und deutlich wird, dass viele zwischenmenschliche Irritationen durch menschliches Fehlverhalten entstehen, das mit dem Islam gar nichts zu tun hat. Am Ende des Buches findet sich das lange Gespräch mit dem IZ-Chefredakteur Sulaiman Wilms, von der Autorin als „Begegnung mit einem vermeintlichen Feind“ betitelt. Diesen hatte Filter in ihrem „Emma“-Artikel scharf angegriffen, doch brachte auch diese Begegnung eine unerwartete Wendung mit sich. Und so schließt sich der Kreis.

 

Dieses uneingeschränkt empfehlenswerte Buch ist vor allem deshalb eine positive Ausnahmeerscheinung, da die Autorin Cornelia Filter eine Eigenschaft hat, die man heute nur noch sehr selten findet: Sie geht ergebnisoffen und unter Zurückstellung ihrer eigenen vorgefassten Meinungen an ihre Recherche heran und lässt es zu, ihre vorgefassten Sichtweisen zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu revidieren, und sich von den Menschen, die sie getroffen hat, auch positiv überraschen zu lassen. Dafür gebührt Cornelia Filter Lob und Anerkennung. Sie selbst hat es treffend ausgedrückt: „Ich gestehe, dass ich den Konvertiten, die sich auf das Wagnis einließen, sich mit mir zu treffen, vorurteilsbeladen entgegentrat. Im Grunde hielt ich sie alle für Islamisten. Doch im Laufe meiner Reise zu einigen neuen deutschen Muslimen hat sich mein Blick auf sie verändert - und ich glaube, ebenso ihr Blick auf mich“.

 

Informationen:

Cornelia Filter

Mein Gott ist jetzt Allah und ich befolge seine Gesetze gern

Eine Reportage über Konvertiten in Deutschland

Piper Verlag 2008, 253 Seiten, Gebunden

ISBN: 978-3-492-05186-6

Preis: 18,00 Euro

 

http://www.islamische-zeitung.de/?id=10905

 

ws

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  • 1 Monat später...

Sicherlich ein interessantes Buch :)

 

Ist nur schade, dass man als "Konvertit" stets in die Nähe von "Islamisten" und "Terroristen" gerückt wird - nichts ist einem aufrichtigen Muslim ferner...

 

Vielleicht sollten solche Autoren mal in den christlichen Reihen suchen, wieviel "Terrorismus" es dort gibt...

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