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Qries Qries Qries Qries Qries Qries

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oh my goodness,

 

Können wir das ganze mal beenden wie Schwester Carpe es vorgeschlagen hat. Das bringt doch nix.

 

Schwester Lamy, du hast sicherlich ein traumatisches Erlebnis mit einem Gülen Anhänger gehabt. Du darfst ein Fehler von einer oder mehreren Person nicht auf die Cemaat wälzen und die Cemaat nicht mit Gülen verwechseln.

 

Keep cool.

Said Nursi hat einen schönen Vorschlag: "Wenn du hassen möchtest, dann hasse den Hass in deinem Herzen und bemühe dich, ihn auszumerzen"

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oh my goodness,

 

Können wir das ganze mal beenden wie Schwester Carpe es vorgeschlagen hat. Das bringt doch nix.

 

Schwester Lamy, du hast sicherlich ein traumatisches Erlebnis mit einem Gülen Anhänger gehabt. Du darfst ein Fehler von einer oder mehreren Person nicht auf die Cemaat wälzen und die Cemaat nicht mit Gülen verwechseln.

 

Keep cool.

Said Nursi hat einen schönen Vorschlag: "Wenn du hassen möchtest, dann hasse den Hass in deinem Herzen und bemühe dich, ihn auszumerzen"

 

Ich kenne eigentlich keinen Hass, ich hasse Gülen oder sein Verein gar nicht, ich sage nur meine Meinung dazu, wie immer. :)

 

Wenn man aber keine Kritik ertragen kann, dann denkt man, dass die leute die Kritik üben ihn hassen. Weil man nur den jenigen kritisiert, die man hasst, geht man dann von selbst aus.;)

 

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um diesen tamtam zu beenden, möchte ich eure aufmersamkeit auf eine "interessantere" persönlickeit lenken: und hier kommt eine BEFREITE hiyaaar öhmm pardon: KELEEEK, die den Freiheitspreis 2010 der Friedrich-Naumann-Stiftung gewonnen haaat!

 

FYI: ich find´s so toll (!), dass Allah (swt) sie mit diesem namen gesegnet hat ;)

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Gut einfach nur mal Statistisch gesehen...Herr Gülen hat über 2000 Vorträge in Moscheen.. Das sind eigentlich immer ca 1,5 Stunden...Also 3000 Stunden...

 

NAtürlich werden hier immer die Vorträge in vordergrund gebracht wo es ein bisschen emotionaler wurde. Aber das ist nicht allgemein so....Es gibt so hunderte Vorträge wo sachlich gefragt und geantwortet wird...

 

Ok ich mach auch jetzt schluss.....

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  • 1 Monat später...

Gülen: Prediger, Dichter, Seelenführer

 

Fethullah Gülen bewegt den türkischen Volksislam - sogar aus dem fernen Amerika

 

 

 

An seiner Person und seinem Wirken scheiden sich die Geister - in der Türkei wie außerhalb. Den einen gilt er als Schöpfer einer moderaten islamischen Volksbewegung, die es geschafft hat, den Islamismus zu überwinden, doch authentisch zu bleiben. Den anderen ist er - gerade wegen seiner Verwurzelung in der Tradition - ein Reaktionär, der unter einem modernistischen Firnis überdies mit seinen wahren Zielen hinter dem Berg halte. Eines freilich muss man Fethullah Gülen zugutehalten: Seine Ideen haben nicht nur in traditionell-islamischen Kreisen Anklang gefunden - etwa in jenem Milieu, aus dem Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül kommen -, sondern auch in moderneren Schichten der türkischen Bevölkerung, die seinen Ansatz bemerkenswert finden.

 

"The Gülen Movement" ist der Titel einer Studie, in der die amerikanische Soziologin Helen Rose Ebaugh Person und Werk Gülens einführend und zusammenfassend darstellt. Sie sieht in der Gülen-Bewegung eine zivilgesellschaftliche Bewegung, die im moderaten Islam verwurzelt sei. Gülen, Jahrgang 1941 oder 1938, hat es in den Jahren zwischen 1960 und etwa 1990 tatsächlich verstanden, der bekannteste Prediger des türkischen Volksislams zu werden. Seine Anhänger zählen heute nach Millionen, und er hat sie auf allen fünf Kontinenten. Es gibt darüber hinaus Gülen-Schulen (auch in Deutschland), eine Bank, Hospitäler, den Sender Samanyolu, die türkische Zeitung "Zaman" und andere Einrichtungen, die von ihm inspiriert wurden.

 

 

 

Erneuerung der Religion aus den traditionellen Quellen des anatolischen Volksislams, so charakterisiert die Autorin Gülens Denken. Er predigt, kurz gesagt, der Islam müsse sich modernisieren, die Wissenschaft ohne Wenn und Aber akzeptieren, den Dialog mit anderen Religionen und Kulturen suchen, den Terrorismus bekämpfen und darüber hinaus die Volksbildung anheben. Bildung sei der Schlüssel zu einem zeitgenössischen Islam überhaupt. Außerdem wandte sich Gülen schon immer gegen die schwerfällige, etatistische Staatswirtschaft der Türkei.

 

Wichtigste geistige Bezugsperson Fethullah Gülens ist der kurdische Schriftgelehrte Bediüzzaman Said-i Nursi (1876-1960), der in seinem umfangreichen Werk "Risale-i Nur" ("Sendschreiben des Lichts") drei Dinge forderte: Bildung, eine vor allem ethisch geprägte Auslegung der Scharia und eine - viele kritische Fragen aufwerfende - "Integration" der modernen Naturwissenschaft in den Islam. Auf Said-i Nursi bezieht sich die Erweckungsbewegung Nurculuk, die zu den einflussreichsten religiösen Strömungen der Türkei gehört. Schon Kemal Atatürk hatte in den zwanziger Jahren versucht, den damals populären Said-i Nursi für sein Vorhaben zu gewinnen, doch dieser verweigerte sich dem Staatsgründer, weil ihm die Reformen Atatürks zu radikal und zu weltlich waren. Nursi verbrachte viele Jahre im innertürkischen Exil und im Arrest.

 

 

 

Sein "Schüler" Gülen strebt nach einem speziell türkischen Islam. Der soll sich vom schiitischen Islam der Iraner ebenso unterscheiden wie vom sunnitischen Scharia-Islam der Araber. Er greift dabei auf die auch mit Mystik durchsetzten Traditionen des bruderschaftlichen anatolischen Volksislams zurück, die - etwa als Ahi-Bünde - schon in frühosmanischer Zeit eng mit den Handwerkergilden (den Futuwwa-Bünden) verbunden waren und gewisse Tugenden alltäglicher Frömmigkeit institutionalisierten. Man nannte das Fütüvvet: Milde, Nachbarschaftlichkeit, Großherzigkeit (bereket), Erbarmen mit den Armen, Freigebigkeit, soziales Denken.

 

Nach der weltpolitischen Wende sah Ankara es durchaus gern, dass die Gülen-Bewegung unter den unabhängig gewordenen türkisch-muslimischen Brüdern des Kaukasus oder Mittelasiens missionierte und dort Bildungsarbeit leistete. Gülen, der auch ein Poet ist, trug seine Gedichte im Wettstreit mit dem ebenfalls dichtenden sozialdemokratischen und laizistischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit (1925-2006) vor. Doch er verließ die Türkei vorerst in Richtung Amerika, weil aufgrund einer seiner Predigten doch erhebliche Zweifel an seiner Achtung vor dem weltlichen Staat und der Demokratie aufgekommen waren. Seine Anhänger sprachen von einer Fälschung. In Amerika lebt er bis heute, doch sein Einfluss ist ungebrochen.

 

Auch die Bedenken, die viele gegenüber Gülen hegen, werden am Ende unter der Überschrift "Kritische Stimmen" erwähnt. Leider zu wenig ausführlich und zu unbestimmt. Dass er ein "Agent der Amerikaner" sei, ist gewiss verschwörungstheoretischer Unsinn. Doch kritisieren manche den Mangel an Transparenz, was die Finanzierung seiner Institutionen angehe. Wie in vielen religiösen Erweckungsbewegungen leben auch die Fethullahçilar von einer autoritativen Struktur, von personellen Abhängigkeiten ("Netzwerken") und von einer charismatischen Seelenführerschaft, die heutzutage nicht mehr jedermanns Sache ist. Gülen habe auch nichts gegen die traditionelle Unterordnung der Frau, sagen seine Kritiker, und er werde überhaupt erst die Katze aus dem Sack lassen, wenn eine islamische Ordnung in der Türkei wiedererrichtet worden sei. Doch ein interessantes religionsgeschichtliches und gesellschaftliches Phänomen ist die Gülen-Bewegung allemal.

 

WOLFGANG GÜNTER LERCH

 

Helen Rose Ebaugh: The Gülen Movement. A Sociological Analysis of a Civic Movement Rooted in Moderate Islam. Springer Science and Business Media, Dordrecht/Heidelberg/London/ New York 2010. 134 S., 32,05 [Euro].

 

Buchtitel: The Gülen Movement

Buchautor: Ebaugh, Helen Rose

 

Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.08.2010, Nr. 182 / Seite 8

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  • 10 Monate später...

Duisburger Bildungsverein soll der Gülen-Bewegung nahestehen

 

Niederrhein, 15.07.2011, DerWesten

 

Duisburg. Der Rhein-Ruhr-Bildungsverein, der im September eine Privatschule in Duisburg-Meiderich eröffnen wird, soll der Gülen-Bewegung nahestehen. Man kenne und schätze zwar die Lehre von Fethullah Gülen, sei aber eigenständig.

 

Offiziell wollen weder der Geschäftsführer des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins, Erol Yücel, noch Schul-Geschäftsführer Orhan Yilderim sich als Teil der Gülen-Bewegung bezeichnen. Aber: „Wir kennen und schätzen die Lehren von Fethullah Gülen, wir sind allerdings nicht Teil einer Bewegung, sondern eigenständig“, betont Yilderim, „seine Thesen werden nicht Bestandteil des Unterrichts sein. Wir richten uns nach den geltenden Lehrplänen.“

Allerdings wurde schon die Realschule in Wuppertal, deren Geschäfte Yilderim zuvor geleitet hat, als Schule der Gülen-Bewegung bezeichnet. „Wir wissen, wer hinter den beiden Schulen steht“, sagt auch Jennifer Spitzner, Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf. Außerdem ist das Bildungszentrum in Kasslerfeld anerkannt als „Pangea Bildungszentrum“.

 

 

Diese Einrichtung zählt Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen zum Bildungsnetzwerk von Fethullah Gülen. „Viele sehen Gülen und seine Anhänger als Reformer, die eine traditionelle Frömmigkeit mit einem modernen Islamverständnis verbinden - liberal, unpolitisch und dialogisch. (Zitat: „Baut Schulen, keine Moscheen“) Kritiker sehen in ihnen dagegen verkappte Fundamentalisten, die die Gesellschaft islamistisch unterwandern wollen.“

Eine Einschätzung, die das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht teilt: Es ist ein islamisches, keine islamistisches Netzwerk. Die Gülen-Bewegung wird derzeit nicht überwacht, heißt es auf Nachfrage.

Islamisch, nicht islamistisch

 

Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor betrachtet die Gülen-Bewegung mit gemischten Gefühlen: „Einerseits setzen sie stark auf Bildung. Das ist sehr zu begrüßen. Andererseits weiß man nicht, wo sie sich theologisch verorten.“

Weltweit betreibt das Bildungsnetzwerk um Fethullah Gülen rund 300 Schulen, mindestens 12 davon in Deutschland, unter anderem in Berlin, Köln und Wuppertal. Die Schule in Duisburg ist die erste am Niederrhein. Die Einrichtungen der Gülen-Bewegung genießen in der Regel einen exzellenten Ruf.

In der Türkei hat die Bewegung des in der USA lebendes Predigers zahlreiche Anhänger, insbesondere in der regierenden AK-Partei. Die Bewegung soll planmäßig Polizei und Sicherheitsdienste unterwandert haben, behauptet der türkische Journalist Ahmet Sik in seinem Manuskript „Die Armee des Imam“.

Anfang März wurde Ahmet Sik und sein Kollege Nedem Sener unter fadenscheinigen Gründen inhaftiert. Freunde und Unterstützer stellten das Buch daraufhin zum Download im Internet bereit. Es wurde inzwischen mehr als 100.000-mal heruntergeladen. Auf dem Istanbuler Taksim-Platz veranstalteten Freunde und Unterstützer des Journalisten öffentliche Lesungen des kritischen Buchs.

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  • 3 Monate später...

Zwei ehemalige Zöglinge der islamischen Elite-Bewegung erzählen

 

 

Der türkische Prediger Fethullah Gülen hat eine Bewegung begründet, deren Ziel es sein soll, eine Elite von Gläubigen in Unternehmen und Staat heranzubilden. Zwei ehemalige Zöglinge aus Schulen der "Gemeinschaft" erzählen.

 

Der eine kommt aus Maras im Südosten, der andere aus Kocaeli, der Industrieprovinz im Westen, und beide waren sie ausersehen, sollten ein Rädchen im großen Werk der "Gemeinschaft" des Islampredigers Fethullah Gülen werden. Sie waren schon zu Schulzeiten beobachtet worden, hätten sehr wahrscheinlich ein Stipendium für die USA erhalten wie so viele andere vor und nach ihnen - das Ticket für eine Karriere im Boomland Türkei. "Sie studieren dein Verhalten und suchen nach denen, die Potenzial haben", sagen die beiden jungen Männer.

Fatih und Umut (Namen von der Red. geändert) hatten Potenzial, aber am Ende auch ihren eigenen Willen. Da hat sie die Gülen-Bewegung hinausgeworfen. Fatih trägt ihnen das heute noch nach. "Leute, die es mit dem Islam ernst meinen, setzen keinen 17-Jährigen aus der Provinz in Istanbul auf die Straße." Fatih war beim Kartenspielen ertappt worden, Umut zerstritt sich wegen eines Zimmertauschs mit dem Herbergsvater. Möglich, dass die "Gemeinschaft" solche Verfehlungen ihres jungen Nachwuchses früher zu korrigieren versucht hätte. Doch die Zeit war dafür nicht mehr.

Zu schnell zu groß

In den letzten sieben, acht Jahren, seit die konservativ-muslimische AKP in der Türkei regiert, hat sich die "Cemaat" , wie die beiden Männer die Gülen-Bewegung leise nennen, verändert. "Sie ist so riesig geworden, so massiv und überall präsent, dass es schwierig geworden ist, sie zu kontrollieren" , sagt Umut. Gesetzlosigkeit sei in der Gemeinschaft ausgebrochen, Betrügereien und Intrigen gebe es, während das Werben um neue Mitglieder einfach nicht aufhöre. "Und trotzdem finden sie noch immer nicht die idealen Kinder."

Umut ist heute 23, Fatih 24. Beide studieren Maschinenbau an der Marmara-Universität in Istanbul, eine der Hochschulen in der türkischen Metropole, wo die Gülen-Bewegung Studenten finanziert und anleitet. Es sind zwei ungewöhnliche junge Männer, sehr höflich, sehr kontrolliert, ohne Frage überdurchschnittlich begabt. Umut war unter den 40 besten seines Jahrgangs am Ende des Gymnasiums und bekam 70 Prozent Rabatt auf die Kosten für die Privatschulen der Gülen-Bewegung, die junge Türken auf die Eingangsprüfungen für die Universitäten vorbereiten. Die "Derºane" , wie diese heißen, gibt es, weil die öffentlichen Schulen an diesem Punkt versagen. Und Gülens Derºane gelten als die besten im Land, zählen mit zu den besten auf der Welt, über die sich das Schulsystem des Predigers in den letzten Jahren ausgebreitet hat.

Fatih war 14, als er von den Gülen-Vertretern angesprochen wurde. Er hatte die Zulassung für das wissenschaftliche Gymnasium in Sivas im kurdischen Südosten der Türkei bestanden und wurde "Gast" in einer der Wohnungen, die die "Gemeinschaft" in der Stadt unterhält. Es sind komfortable große Wohnungen, Fatihs Wochenenddomizil hat sogar ein Jacuzzi-Becken. Später, in Istanbul wird er zusammen mit anderen Studenten in einer 180 Quadratmeter großen Wohnung nahe der Bagdad-Straße im teuren Bostanci-Viertel untergebracht sein. "Sie mischen sich im ersten Jahr noch nicht so sehr ein. Nach dem zweiten Jahr aber steigt der Druck. Sie laden jeden ein, und wenn du siehst, dass jeder geht, dann gehst du auch zu ihnen."

Viele Geldgeber

Die Cemaat hat viele Geldgeber. Große Unternehmen, kleine Betriebe, Geschäftsleute, die etwa das Mobiliar für die "Gästehäuser" liefern, weil man ihnen bedeutet, sie sollten an die Zukunft ihrer Aufträge denken. Jeder ist mit jedem verbunden, auch die Geschäftsleute einer Stadt treffen sich im Gemeinschaftszirkel, den sie "Hizmet" nennen - den "Dienst" -, melden sich ab, wenn sie auf Reise aus der Provinz gehen. Die Grenzen zwischen Konvention und Kontrolle sind verschwommen. "Hizmet" ist auch ein Begriff, der in Reden von Regierungschef Tayyip Erdogan wie ein Signal auftaucht; Zaman, der Titel der Zeitung mit der höchsten Druckauflage und ein Produkt des Gülen-Imperiums, lautet rückwärts gelesen "Namaz" - "Gebet". Es ist der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien sind.

Am Anfang geht es nur um Freizeitspaß, erzählt Fatih. Fußball, Theater, Gespräche in kleinen Gruppen von vier bis fünf Gleichaltrigen, organisiert von den Leitern. "Nach einer Weile fangen sie an, über Religion zu reden." Über die Jugend, die berufen ist, den Islam zu führen. Privater Unterricht in Religion sei an sich nichts Ungewöhnliches, sagt Fatih. "Es ist in unserer Tradition". Doch dann ist da eben noch das Kalkül und der Zwang der Cemaat. "Sie wollen dir das Gefühl geben, dass du ein einzigartiger Mensch bist. Und wenn du nicht folgst, dann lassen sich dich spüren, wie einsam du bist." (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2011)

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  • 1 Jahr später...

[h=3]Wie zuvor Nelson Mandela und der Dalai Lama[/h][h=1]Islamgelehrter Gülen erhält Manhae-Friedenspreis[/h]

[h=4]Am Sonntag fand in Südkorea die Manhae-Preisverleihung statt, bei der zahlreiche Prominente anwesend waren. Der türkische Islamgelehrte Fethullah Gülen wurde mit dem Manhae-Friedenspreis ausgezeichnet. (Foto: cihan)[/h]

 

 

 

 

 

 

 

Von DTJ-ONLINE | 12.08.2013 13:06

Der renommierte türkische Intellektuelle und Gelehrte Fethullah Gülen erhielt am Sonntag im Rahmen einer Zeremonie in Südkorea den Manhae-Friedenspreis für seinen Beitrag zum Weltfrieden. Die Bekanntgabe der Auszeichnung erfolgte bereits im April.

 

Unter den prominenten Empfängern der Manhae-Auszeichnungen, die seit 1997 vergeben werden, sind der ehemalige südafrikanischen Präsident Nelson Mandela, der verbannte tibetische spirituelle Geistliche Dalai Lama und die iranische Rechtsanwältin Shirin Ebadi.

 

Der Präsident der Journalisten- und Schriftstellerstiftung (GYV), Mustafa Yeşil, nahm die Auszeichnung für Gülen entgegen, der aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage war, selbst an der Preisverleihung teilzunehmen.

 

Gülen ist ein türkischer Islamgelehrter, der für seine Lehren zur Förderung des gegenseitiges Verständnisses und der Toleranz zwischen den Kulturen bekannt ist. Er lebt in den USA und ermöglichte viele Wege für pädagogische sowie interkulturelle und interreligiöse Aktivitäten in vielen Ländern. Er schrieb fast 50 Bücher auf Türkisch, von denen einige in andere Sprachen übersetzt wurden.

 

 

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  • 1 Monat später...

„Unsere Unterschiede nicht zum Gegenstand von Konflikten machen"

 

Exklusiv-Interview Fethullah Gülens mit „The Atlantic"

Im Interview mit dem US-Magazin „The Atlantic" äußert sich der Islamgelehrte Fethullah Gülen unter anderem über den Grund seiner Zurückgezogenheit und dazu, ob er jemals wieder plant, in die Türkei zurückzukehren.

Fethullah Gülen gab kürzlich dem bekannten US-Magazin „The Atlantic" ein exklusives Interview. In dem von Jamie Tarabay geführten Gespräch werden viele Themen wie Meinungsfreiheit, die Rolle der Frau im Islam, der Grund, warum Gülen nicht in die Türkei zurückkehrt bis hin zu seiner Meinung über Juden behandelt.

Tarabay machte darauf aufmerksam, dass Gülen in der Türkei und in Zentralasien ziemlich bekannt sei, in den USA jedoch noch nicht. Somit fragte sie Gülen als erstes, warum er selten in der Presse zu sehen wäre. Als Antwort erklärte Gülen, dass er in einer bescheidenen Familie aufwachsen sei und eher eine schüchterne Art besitze, weswegen er es eher bevorzuge, in Abgeschiedenheit zu leben.

Zunächst einmal hat Gülens kleines und bescheidenes Zimmer die Aufmerksamkeit Tarabays erregt. Warum er in einem kleinen Zimmer lebe, wo er doch ein Mensch mit reichlichen Optionen sei, fragte die Journalistin und Gülen antwortete: „Mein ganzes Leben ist auf diese Weise vergangen. Während meiner Studienzeit und auch danach habe ich immer an einem so bescheidenen Ort gelebt. Dies beruht auf meinem Wunsch, genauso zu leben wie meine Landsleute, denn ich sehe mich als einer von ihnen. Ich habe mich selbst niemals in irgendeiner Weise als herausragend betrachtet. Außerdem liegt das in meiner Natur. Ich glaube an das Jenseits und daran, dass es richtig ist, so ein Leben zu führen. Ich möchte mich dieser Welt nicht so sehr binden."

Wir dokumentieren nun den Rest des Interviews.

[h=3]

Herr Gülen, bilden Sie immer noch Schüler aus?[/h]

Solange es mir meine Gesundheit erlaubt, versuche ich hier, jeden Tag mit meinen Schülern Zeit zu verbringen. An einigen Tagen hindert mich meine Gesundheit daran, doch solange ich lebe, möchte ich mit meinen Schülern zusammenarbeiten.

[h=3]

Ich habe gehört, dass sie keine weiblichen Schüler haben?[/h]

Unsere Freunde führen in der Türkei Theologiekurse auf Masterniveau durch, an denen sich auch Frauen beteiligen. Hier kann man nicht das gleiche System anwenden, doch gibt es Frauen, die regelmäßig den Unterricht verfolgen.

[h=3]

Besteht nach der islamischen Tradition die Rolle der Frau in der Mutterschaft?[/h]

Nein, das stimmt so nicht. Die außergewöhnliche Stellung der Mutterschaft ist natürlich besonders geachtet. Unsere Gedanken zum Thema Frau sind hingegen, es - unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände – zur Regel zu machen, dass Frauen jede Rolle, auch im Militär, in der Medizin, in der Justiz, einschließlich der Möglichkeit, Präsident zu werden, ausfüllen können. So haben muslimische Frauen im Laufe der Geschichte ihren Situationen gemäß in jeder Lebenslage etwas Herausregendes geleistet. Zu Lebenszeiten des Propheten Mohammed (Gottes Friede ruhe auf ihm!) befanden sich vor allem Aischa, Hafsa und Ümmü Salama (die Ehefrauen des Propheten) unter den Islamwissenschaftlern und die Männer kamen zu ihnen, um sich beraten zu lassen.

Wenn man diese Beispiele berücksichtigt, ist zu erkennen, dass der Islam in seinem Wesen keine Beschränkung oder Verengung des Handlungsfeldes im Leben einer Frau beinhaltet. Heute wird leider an einigen Orten mittels falscher Interpretationen der islamischen Quellen verbreitet, dass die Frau in manchen Bereichen von sozialen Aktivitäten isoliert werden müsse und dies wird weltweit zum Gegenstand antiislamischer Propaganda gemacht.

[h=3]

Wenn Sie den Leuten in diesem Land, die Ihre Überzeugungen und Lehren nicht so gut kennen, etwas ausrichten sollten, was wäre dann Ihre Botschaft?[/h]

Ich habe nicht das Bedürfnis, mich selbst vorzustellen. Ich hatte nie den Wunsch, von den Menschen gekannt oder anerkannt zu werden. Ich teile nur die Ideen, an die ich glaube. Wenn Menschen trotzdem mich als Person anerkennen, ist das ihr Fehler. Mein eigentliches Ziel ist die Sicherung des Friedens auf der Welt, und negative Verhaltensweisen der Menschen durch Bildung so gut wie möglich zu verhindern. Ein arabisches Sprichwort sagt: "Wenn etwas in seiner Gesamtheit nicht erreicht werden kann, sollte man darauf dennoch nicht vollständig verzichten."

Was wäre Ihre Botschaft an die Amerikaner, die sich Sorgen machen über die große Anzahl der Bildungseinrichtungen, welche von Menschen, die von Ihnen inspiriert werden, gegründet wurden. Wenn ein Erzieher sich Ihre Werke als Inspiration genommen hat, wie würden Sie erwarten, dass sich diese in seinem Leben reflektieren?

Zunächst einmal möchte ich mit einer Korrektur hinsichtlich dieser Angelegenheit anfangen: Ich war bei keiner Errichtung oder Führung einer Schule zugegen. Wenn es einen Einfluss von mir geben sollte, ist dieser durch Predigten, Konferenzen und Seminare zustande gekommen. Wenn ich unter denjenigen, die mir zuhören, Ansehen habe, habe ich dies bis heute dafür benutzt, um jeden zur Eröffnung von Bildungseinrichtungen zu ermutigen. Denn durch die Ausbildung einer Generation, welche das Studieren, das Denken und die Menschen liebt und ihr Wissen an die Menschheit weiterreicht, habe ich mitgeteilt, dass weltweit Frieden und Versöhnung erreicht werden können.

Sie streben zwar nicht danach, bemerkt zu werden, aber Sie befinden sich auf der Liste der "100 einflussreichsten Menschen" der TIME, wo Sie als eine äußerst dringend benötigte, moderate Stimme erwähnt wurden. Warum? Was müssten die anderen moderaten Stimmen tun, damit sie Gehör finden können?

Obwohl es weltweit verschiedene moderate Stimmen gibt, ist es manchmal schwer, unter diesen einen Konsens zu erreichen. Vielleicht ist es in dieser Hinsicht viel wichtiger, ein Beispiel zu repräsentieren. Kann die Türkei diesbezüglich ein Beispiel sein? Können diese Bewegung, diese Gemeinschaft dafür ein Beispiel repräsentieren? Ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir uns mit uns selbst konfrontieren, uns selbst befragen, wir einsehen, dass unser Unterfangen vielleicht gerade deshalb, weil wir kein gutes Beispiel sein und unsere Werte nicht richtig vertreten konnten, weltweit keine so große Aufmerksamkeit und keine Sympathie gefunden hat. Doch mit Allahs Erlaubnis sind wir davon überzeugt, dass auch dies klappen wird. Unsere Auffassungen wurden in der Türkei lange nicht befürwortet. Doch nun gewinnen sie mit der Zeit an Akzeptanz. Wenn Sie sich daran erinnern können, als ich vor 20 Jahren gesagt hatte, dass die Demokratie ein Prozess ist, der unwiderruflich ist, haben einige Medien - die derzeit die Regierung unterstützen - meine Aussage mit Misstrauen betrachtet und mich heftig kritisiert.

[h=3]

In Ihren früheren Aussagen meinten Sie: „Wenn man als ein Muslim in einer Demokratie lebt, wo es eine volle Freiheit der Meinungsäußerung gibt, dann ist eine andere Art von Regierung nicht notwendig". Können Sie ein Beispiel für einen der Meinungsfreiheit beraubten Muslim geben? Was sollten Muslime in so einer Situation machen?[/h]

Bis in die 1950er-Jahre besaßen Muslime weltweit in vielen Ländern, darunter auch in der Türkei, keine Religionsfreiheit. Sogar das persönliche Gebet wurde nicht erlaubt und die Menschen waren gezwungen, ihre Gebete heimlich auszuführen. Als ich mit 6 Jahren in der Grundschule einmal während des Unterrichts das Mittagsgebet verrichtet hatte, wurde ich vom Schulleiter bestraft und in den Keller eingeschlossen. Derartige Unterdrückungen waren tatsächlich vorhanden. Auf der anderen Seite werden heute einige Muslime mit Unterdrückung konfrontiert und bestimmte Personen organisieren Selbstmordattentate als Antwort darauf. Die Religion erlaubt es nicht, selbst mit Unterdrückung zu antworten. An einigen Orten der Welt werden heute Muslime unterdrückt, an anderen Christen. Einige Dinge brauchen ihre Zeit. Die ganze Menschheit muss den Ansatz des Friedens annehmen. Allerdings kann dies nur durch die langfristige Gesundung der Gesellschaft erreicht werden. Können wir dabei erfolgreich sein? Soweit wir können, wird es klappen, und ansonsten werden wir für unsere guten Absichten belohnt.

Es gibt viele Menschen, die Sie lieben. Doch auch gibt es eine große Anzahl von Menschen, die Angst vor Ihnen haben. Einige wollen, dass sie in die Türkei zurückkehren, und die größte Angst der anderen ist gerade die Wahrscheinlichkeit Ihrer Rückkehr.

Ich bin nicht die einzige Person, die der Grund für solche polarisierten Verhalten und Perspektiven geworden ist. Im Laufe der Geschichte waren Menschen, die sich auf der richtigen Seite befanden, stets mit Hindernissen und Feindseligkeit konfrontiert, darunter fallen auch die Propheten. Wenn man die Situation betrachtet, kann man erkennen, dass wir uns entweder nicht gut repräsentiert oder den Menschen richtig erklärt haben. In diesem Zusammenhang können wir folgendes sagen: „Wenn wir denen ganz offen zeigen könnten, dass wir nichts besitzen, was Besorgnis erregt, dann würden sie uns gegenüber keine Feindseligkeit empfinden". Rund um die Welt erleben alle Gesellschaften der Welt eine Paranoia. Auch die Menschen in der Türkei sind davon betroffen. Wir müssen versuchen, jeden negativen Gedanken oder Zweifel zu beseitigen, genau auf solch eine Weise müssen wir uns verhalten. Außerdem müssen wir auch akzeptieren, dass einige Menschen einige vorgefasste Haltungen aus der Vergangenheit besitzen, was nicht zu ändern ist. Also ist es nicht möglich, von jedem Menschen im gleichen Maße geliebt und bewundert zu werden.

[h=3]

In der Vergangenheit wurden einige Aussagen von Ihnen über die Juden und Israel als antisemitisch wahrgenommen. Wie lautet Ihre Antwort darauf?[/h]

Diese Frage kann man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Erstens, es ist jederzeit möglich, dass der Mensch Änderungen in seinen Überlegungen erlebt. So hatte ich vor vielen Jahren dies in einem Artikel verfasst, in dem es hieß: „Bist du der „Du" von gestern, und er der „Er" von gestern? Das heißt, dass du morgen nicht mehr „Du" und er nicht mehr „Er" bleiben werdet".

Die Worte und das Verhalten Ihrer Ansprechpartner können Ihre Kommentare in diesem Thema beeinflussen. Vor allem in den 90er-Jahren hatte ich die Möglichkeit, durch den Prozess des Dialogs unsere Ansprechpartner besser kennenzulernen. Somit hatte ich das Bedürfnis, meine vorherigen verallgemeinernden Aussagen zu ändern.

Mit reifer Aufrichtigkeit muss ich zugeben, es kann sein, dass ich Verse im Koran und die Ahadith falsch verstanden und mich mit meinen Interpretationen geirrt habe. Ich habe verstanden, dass die Kritiken und Verurteilungen im Koran und in der Sunna nicht gegen einen bestimmten Glauben oder bestimme Menschen gerichtet sind, sondern gegen bestimmte Merkmale konkreter Menschen. Manchmal geraten meine Worte außerhalb ihres Zieles. Einige gezielte Kreise deformieren die Gesamtheit des Gesprächs, montieren es, und lassen Sie somit Sachen sagen, die Sie nicht gesagt haben und niemals sagen würden. Die Anstrengungen, die wir in unserem Dialog unternehmen, werden von einigen Kreisen insofern kritisiert, als man mir sagt: „Sie erweichen den Blick der Muslime auf die Juden und Christen". Ich habe nichts gemacht, was außerhalb der Sunna unseres Propheten Mohammed (der Friede sei mit ihm) ist. Er war derjenige, der bei einer Beerdigung eines Juden aufgestanden ist und gesagt hat: „Er war auch ein Mensch." In der Vergangenheit habe ich einige Aktionen von Israel zwar kritisiert, doch habe ich auch die Selbstmordattentate verflucht, welche das Leben von unschuldigen Menschen bedroht haben.

[h=3]

Warum haben Sie es bevorzugt, in Pennsylvania zu bleiben?[/h]

Für meine Rückkehr in die Türkei gibt es kein rechtliches Hindernis. Doch der Gedanke an meine Rückkehr bereitet mir die Sorge, nämlich dass die demokratischen Errungenschaften in der Türkei, welche mit großen Schwierigkeiten errungen und erhalten wurden, durch bestimmte hinterlistige Kreisen auf den Kopf gestellt werden können. Dabei besteht auch die Möglichkeit, die Situation in der Türkei zum Negativen zu verändern und die Führung in eine noch schwierigere Lage zu bringen. Sowohl für unser Land, als auch für die Zukunft einer Bewegung, welche sich auf sehr großer Fläche beweist, muss man in diesem Thema Opfer bringen. Die bittere Pille, welche die Abwesenheit vom Heimatort darstellt, muss geschluckt und diese Situation erduldet werden. Egal wie sehr ich es mir wünsche, in die Türkei zurückzukehren, denke ich an keine Rückkehr, solange meine Befürchtungen sich nicht zerstreut haben.

Ein anderer Punkt ist, dass ich vielen Verleumdungen und Diffamierungen in unbegründeten und falschen Publikationen ausgesetzt bin. Um vielen von ihnen mit rechtlichen Mitteln zu widersprechen und ihr Vorgehen zu ändern, habe ich mich an die zuständigen Stellen zur Veranlassung rechtlicher Schritte gewendet. Hier jedoch bin ich solchen störenden Dingen fern und werde viel weniger davon beeinflusst. Ich finde es hier noch ruhiger.

[h=3]

Wie sehen Sie die weltweit vorhandenen politischen Ambitionen und Lage der Türkei?[/h]

Die Türkei führt mit der Europäischen Union Beitrittsverhandlungen durch. Ein Teil der Türkei gilt als Europa, ein Teil als Asien und ein Teil als Naher Osten. Politisch gesehen befindet sich die Türkei an einem sehr wichtigen Ort. Meiner Meinung nach ist die Tatsache, dass sie sich mit den Europäern und mit den Ländern in ihrer Umgebung in einer guten Beziehung befindet und darauf ihre Diplomatie gründet, sehr wichtig für die Türkei. Es ist lebenswichtig, dass die Türkei sich mit ihren demokratischen Errungenschaften entwickelt und auch gute Beziehungen zu ihrer Umgebung pflegt. Darüber hinaus sollte man, was dieses Thema betrifft, einige Dynamiken wesentlich auswerten. Wenn es zum Beispiel eine aus der Vergangenheit geerbte Tendenz, einen unbewusste Auffassung zu Gunsten der Türkei gibt, die dieser Ansehen verleiht, darf dies alles nicht beschädigt werden. Wir müssen unseren Ruf schützen. Gute Beziehungen beruhen auf Liebe, Respekt, positiven Ideen und können mit einem Zusammenkommen zu Gunsten beiderseits akzeptabler Lösungen erreicht werden. Macht heute die Türkei genau das, kann sie das nicht oder macht sie das nicht, das sind Fragen, auf man sich konzentrieren muss. Wenn die Türkei solch einen diplomatischen Prozess beginnen kann, gehen wir davon aus, dass dies sowohl für Europa, für Amerika als auch für die ganze Welt gut sein wird. Ich glaube allerdings nicht, dass die Türkei derzeit alles Menschenmögliche dafür tut.

[h=3]

Wie würden Sie sich selbst und Ihr Auffassung vom Islam beschreiben?[/h]

Ich kann mich als einen gewöhnlichen Muslim beschreiben, der versucht, sich innerhalb des Rahmens, den der Koran und der Prophet Mohammed mit seiner Sunna festgelegt haben, zu bewegen. Dabei habe ich versucht, die Werke der Gelehrten, Islamgelehrten, Ausleger und Hadithkommentatoren zu berücksichtigen. In früheren Jahren wurde ich gefragt, ob ich Mitglied eines Ordens wäre oder ob ich den Sufismus ablehnen würde. So sehr ich auch kein Ordensmitglied bin, haben mich die Ordensgelehrten aber stets gravierend beeinflusst.

Auch sollte man meine Beschreibung meiner selbst und meine Auffassung vom Islam nicht nur an meinen Worten messen. Mein Lebenswerk und mein Wirken außerhalb diesen und anderen Bekanntmachungen soll man auch an Einstellungen und Verhaltensweisen, an den Aktivitäten mit Freunden, mit dem Zweck, der Menschheit zu dienen, untersuchen und lesen können. Man sollte diese an den Bildungs-, Dialog-, wirtschaftlichen Investitions- und Hilfsaktivitäten erkennen, welche weltweit mit dem Ziel organisiert wurden, jeden in seiner Position anzunehmen, in einer Atmosphäre des Friedens und der Ruhe zu leben und die Welt zu einer Wiege der Brüderlichkeit zu machen -ohne unsere Unterschiedlichkeiten zum Grund von Konflikten zu machen.

All dies ist in einer Weise das Wirken unserer Auffassung vom Islam nach außen.

The Atlantic, 12.09.2013

Quelle: http://www.theatlantic.com/international/archive/2013/08/a-rare-meeting-with-reclusive-turkish-spiritual-leader-fethullah-gulen/278662/

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Hizmet-Bewegung wehrt sich gegen Diffamierung und schafft Klarheit

 

Aus Sicht der Hizmet-Bewegung ist es ein demokratisches Grundrecht, friedlich zu demonstrieren, so wie es in der Anfangsphase der Gezi-Proteste auch der Fall war. Zu diesem und anderen strittigen Themen bezieht die GYV-Stiftung ausführlich Position.

In letzter Zeit haben, zunächst in sozialen Medien, die Diffamierungskampagnen und auf falschen Tatsachenbehauptungen über die Hizmet-Bewegung, Aufmerksamkeit erregt.

Eigentlich ist jeder, der eine Behauptung aufstellt, auch verpflichtet, für diese Beweise vorzulegen. Jedoch verstecken sich die Personen, die diese Behauptungen aufstellen, hinter der Ausrede, dass solche Behauptungen „keinerlei Beweise" bedürfen und verbreiten unverhohlen ihre unbelegten Anschuldigungen.

Nun hat die der Hizmet-Bewegung nahestehende Stiftung für Journalisten und Schriftsteller (GYV) mit einer 11-Punkte-Erklärung auf die im Raum stehenden Anschuldigungen reagiert. In der Erklärung heißt es: „Schon in der Vergangenheit haben wir aus gegebenem Anlass auf diese Behauptungen und Diffamierungen reagiert. Da wir uns einer transparenten Arbeitsweise verpflichtet fühlen und Klarheit in der öffentlichen Debatte schaffen wollen, sahen wir es als notwendig an, diese Erklärung abzugeben".

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1.: „Die Hizmet-Bewegung hat die Gezi-Park-Proteste angestiftet"[/h]

Fethullah Gülen oder die Hizmet-Bewegung haben sich stets bemüht, in Zusammenhang mit den Demonstrationen und Protesten auf dem Taksim-Platz ausgewogen und unparteiisch zu agieren, zu versöhnen, statt zu spalten.

Es ist ein demokratisches Grundrecht, friedlich und gewaltfrei zu demonstrieren. Da solche Proteste jedoch auch missbraucht werden können, empfiehlt die Hizmet-Bewegung ihren ehrenamtlichen Unterstützern nicht, an solchen Protesten teilzunehmen.

In der Anfangsphase wurden die Gezi-Proteste ausschließlich von friedlichen und umweltbewussten Gruppen getragen. Es nahmen Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen - u.a. aus regierungsnahen Kreisen - an den Protesten teil. Auch standen umweltbewusste Sympathisanten der Hizmet-Bewegung aus persönlicher Überzeugung diesen Ereignissen positiv gegenüber.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich die Hizmet-Bewegung als Ganzes die Position einzelner Sympathisanten zu Eigen gemacht hätte und gar zum Teil eines Komplottes, mittels dessen die Gezi-Proteste gewaltsam instrumentalisiert wurden, geworden wäre. Einige Hizmet-Freiwillige sympathisierten mit den Anliegen der Umweltbewegten und hatten hierfür ihre sachlichen Gründe, andere taten dies nicht und hatten dafür ihre Argumente. So etwas wie eine verordnete und für alle verbindliche Position in tagespolitischen Fragen gibt es in der Hizmet-Bewegung nicht.

Unser Ehrenvorsitzender Fethullah Gülen, der darauf hinwies, dass die Aktivisten nicht pauschal als Plünderer („çapulcular") bezeichnet werden sollten, betonte, dass die Proteste friedlich begannen, später jedoch durch einige hinterlistige Kreise missbraucht wurden. Hinzu kam, dass ein Teil der internationalen Medien eine Grundhaltung in den Protesten eingenommen hatte, die als negativ wahrgenommen wurde.

Es gab zustimmende Stellungnahmen für die friedliche Anfangsphase der Gezi-Proteste. Die Positionen von Staatspräsident Abdullah Gül („Die Wahlurne ist nicht alles"), Vize-Premierminister Bülent Arınç („Wir entschuldigen uns"), Kulturminister Ömer Çelik („Die Botschaft ist angekommen"), Bildungsminister Nabi Avcı („Die gesamte Opposition hat sich dank uns vereinigt"), EU-Minister Egemen Bağış („Die Proteste sind ein Ausdruck der pluralen Gesellschaft und der Demokratie") und schließlich die Feststellung des stellvertretenden AKP-Vorsitzenden Prof. Dr. Idris Bilal, dass „die Regierung mit Blick auf die Gezi-Ereignisse einen strategischen Fehler" gemacht hat, sind nicht weit weg von der Mehrheitsposition innerhalb der Hizmet-Bewegung.

Nach seinem Auftritt bei der als Gegenveranstaltung zu den Gezi-Protesten organisierten Kazlıçeşme-Kundgebung hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan die Abschlussfeier der Türkisch-Olympiade besucht und eine Rede gehalten. Dabei zollte er der Hizmet-Bewegung seine Anerkennung. Hätte die Hizmet-Bewegung geschlossen und unreflektiert die Gezi-Proteste unterstützt, wäre dies dem Premier, der Zugang zu jeglichen geheimdienstlichen Quellen hat, sicher nicht verborgen geblieben. Hätte er Informationen in dieser Richtung gehabt, hätte er die Bewegung nicht mit positiven Worten bedacht.

[h=3]

2.: „Die Gezi-Aktivisten wurden von Hizmet-nahen Staatsanwälten und Richtern nicht angeklagt, sondern freigelassen"[/h]

Alle Staatsanwälte und Richter sind Beamte und werden somit vom Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) eingesetzt und von diesem kontrolliert. Ihr Handeln richtet sich ausschließlich nach den Gesetzen der Republik. Falls sie ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sein oder Fehler gemacht haben sollten, liegt die Verantwortung dafür beim Justizministerium und dem Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte und es gibt gesetzliche Bestimmungen, die anzuwenden sind, um allfällige Sanktionen zu verhängen.

Darüber hinaus ist der Öffentlichkeit aus mehreren Medienberichten bekannt, dass Mitglieder der Justizbehörden, die angeblich Hizmet-Bewegung nahestehen sollen, wegen dieser vermuteten Nähe strafversetzt wurden.

Es ist ein großer Widerspruch, dass dieselben Kreise, die sich über lange hinziehende Gerichtsverhandlungen in U-Haft beschweren, in diesem Fall ihren Unmut bekunden und beklagen, warum die Justiz nun keine Verhaftungen vornimmt.

Um die Rechtswidrigkeit des Ergenekon-Prozesses zu belegen, haben in jüngster Vergangenheit Vertreter des Ancien Regimes von einer „Hizmet-Justiz" gesprochen. Dass diese Keule nun von anderen, diesen eigentlich diametral entgegengesetzten Kreisen hervorgehoben wird und zudem keinen Widerspruch erfährt, stimmt einen nachdenklich.

[h=3]

3.: „Hizmet-nahe Polizisten haben hart durchgegriffen. Sie haben die Zelte der Aktivisten angezündet und damit zu einer Eskalation der Gezi-Proteste beigetragen"[/h]

Die Einsatzkräfte der Polizei sind als Beamte auf die Genehmigung und Aufsicht ihrer Handlungen durch das Innenministerium angewiesen. Die Verantwortung für das, was die Einsatzkräfte unter dem Befehl der Regierung gemacht haben, auf die Hizmet-Bewegung als Nichtregierungsorganisation übertragen zu wollen, ist eher eine Meinungsäußerung als eine belegte Tatsache.

In diesem Sinne wurde später auch deutlich, dass von den ersten Ereignissen an die Anweisungen zur Intervention von der Regierung kamen und die Zelte durch die städtische Ordnungsbehörde verbrannt wurden.

Premierminister Erdoğan erklärte, dass er die entsprechenden Anweisungen an die Einsatzkräfte gegeben habe und stellte sich in Erklärungen hinter diese. Am Ende hat er sie für ihre Leistung während der Vorfälle ausgezeichnet.

[h=3]

4.: „Die Bewegung ist nicht gegen den Putsch in Ägypten"[/h]

Dass eine Bewegung, die bislang selbst das Opfer von so ziemlich jedem Putschversuch in der Türkei war und deren Mitglieder stets massive Nachteile dadurch zu erleiden hatten, Staatsstreiche nicht verurteilen würde, ist undenkbar. Etwas anderes zu behaupten, muss als geradezu lebensfremd erscheinen. Vielmehr ist es die Hizmet-Bewegung selbst, die das Thema möglicher Bedrohungen durch Staatsstreiche immer wieder anspricht und so auf der Tagesordnung hält.

Bei dieser Gelegenheit ist es sinnvoll, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Intervention gegen Mursi, den legitim gewählten Präsidenten von Ägypten, ein Putsch ist und auf gar keine Weise akzeptiert werden kann.

Fethullah Gülen hat über die Ereignisse in Ägypten eine Rede gehalten und in seiner Stellungnahme unter dem Titel „Die Demokratie wurde erneut von einem Putsch getroffen" deutlich seine Position dargelegt.

In seiner Erklärung hat Gülen hervorgehoben, dass der ägyptische Präsident Mursi, noch bevor ein Jahr nach seiner Machtübernahme vergangen war, mit dem Vorwand, er habe einen Fehler gemacht, durch einen ähnli chen Militärputsch abgesetzt wurde, wie es jene vom 27. Mai 1960, 12. März 1971 und 12. September 1980 in der Türkei waren, und dass dieser als ein schwarzer Fleck in die Geschichte eingehen werde.

Keines der Medienorgane, welche mit der Hizmet-Bewegung in Verbindung stehen, hat in irgendeiner Weise den Putsch gutgeheißen – in allen wurde scharfe Kritik daran geübt. Auch waren es die Medienorgane der Hizmet-Bewegung, die auf deutlichste Art die gewissenlose Haltung einiger westlicher politischer Kreise gegenüber dem Putsch in Ägypten kritisiert haben.

[h=3]

5.: „Der Weg zur einer alternativen Regierung führt nur über Pennsylvania. Wer eine Alternative zur Regierung sucht, besucht Gülen und lässt sich beraten"[/h]

Zu sagen, dass der Besuch einer Person, die von Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft respektiert wird, der Suche nach einer alternativen Regierung dienen würde, deutet auf ein sehr ausgeprägtes verschwörungstheoretisches Denken hin.

Gülen hat sein Leben lang den Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft gepflegt und seine Tür für jeden offen gehalten. Es gehört nicht zu seiner Philosophie, Menschen, die ihn besuchen wollen, das Gespräch zu verweigern. Tatsächlich wird Gülen sowohl von vielen respektierten Persönlichkeiten aus verschieden Teilen der Gesellschaft als auch von vielen Mitgliedern der Regierung gerne und in unregelmäßigen Abständen besucht.

Die Urheber der Verschwörungstheorien bleiben jedoch die Antwort auf die Frage schuldig, wie sie überhaupt darauf kommen, dass Beziehungen Gülens zu anderen Menschen eine politische Dimension hätten oder dass im Rahmen dieser Besuche überhaupt über Politik gesprochen würde.

Bis vor kurzem gab es Kreise, die es nicht ertragen konnten, dass Gülen in der Türkei lebte. Es scheint, dass es nun auch welche gibt, die es nicht ausstehen können, dass er im Ausland Besucher empfängt. Welches Verständnis von Grund- und Freiheitsrechten liegt der impliziten Forderung zugrunde, eine Privatperson dürfe sich nicht bewegen, wo sie es für richtig hält, oder Besuche von anderen Menschen empfangen, sobald diese eine bestimmte öffentliche Position innehätten?

[h=3]

6.: „Die Hizmet-Bewegung versucht, über die Bürokratie tiefe Strukturen zu bilden, um somit an der Regierung zu partizipieren"[/h]

Die demokratische, zivilgesellschaftliche Hizmet-Bewegung der Gründung eines tiefen Staates und versteckter Partizipation an der Regierung zu beschuldigen, ist eindeutig absurd.

In einer Demokratie werden Regierungen, die durch eine Wahl an die Führung gekommen sind, auch erst durch eine Wahl wieder gehen. Dass Bürger und einige Akteure der Zivilgesellschaft in der Zeit zwischen den Wahlen zu unterschiedlichsten Themen Kritik artikulieren und Empfehlungen machen, darf nicht als unzulässige Einmischung in die Regierungsangelegenheiten angesehen werden. Es ist vielmehr ein unverrückbarer Kernbestand des freiheitlichen Demokratiekonzepts.

Die stetige Überwachung und Kontrolle der gewählten legitimen Regierungen gehören im Rahmen der Europäischen Union, der die Türkei beitreten möchte, zu den natürlichen Voraussetzungen der partizipativen Demokratie. Die Gesellschaft kommt dieser verantwortungsvollen Pflicht und Verantwortung mithilfe der Organisationen der Zivilgesellschaft, der Oppositionsparteien und der freien und kritischen Medien nach.

Organisationen oder Einzelpersonen der Zivilgesellschaft als nach Macht strebend darzustellen und ihnen Empfehlungen zu machen wie „Misch dich nicht in die Politik ein", „Dann gründe doch eine eigene Partei" oder „Warte auf die Wahlen", widersprechen dem Geist, den Normen und den Werten des demokratischen Systems und sind deshalb inakzeptabel.

Auf der anderen Seite ist es normal, dass sich viele Menschen aus allen Ebenen der Gesellschaft die Grundsätze und Ideale der Hizmet-Bewegung unterschiedlich aneignen. Dass in einem demokratischen Land die gesetzlichen und legitimen Rechte der Bürger genutzt werden und somit im Einklang mit dem Grundsatz der Berufsausübungsfreiheit Freiwillige der Hizmet-Bewegung auch in der staatlichen Verwaltung tätig sind, ist ebenso selbstverständlich.

Unabhängig davon, welcher Auffassung man zuneigt und welchen Lebensstil man besitzt: Den Dienst eines Bürgers innerhalb der geltenden Rechtsordnung in seinem eigenen Staat als „Inbesitznahme des Staates", „Eindringen in den Staat", „Errichtung einer Observanz" oder „Gründung einer parallelen Regierung" zu beschreiben, verrät mehr über allfällige verborgene Absichten dessen, der eine solche Behauptung aufstellt, als über diejenigen, die dunkler Machenschaften beschuldigt werden.

Natürlich sind Beamte dazu verpflichtet, im Rahmen der geltenden Gesetze die Anweisungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen und nur von diesen Anweisungen entgegenzunehmen. Aus diesem Grund werden Bürokraten, die rechtswidrige Handlungen begehen und legitime Anordnungen ihrer Vorgesetzten missachten, bei entsprechendem Verdacht augenblicklich der Justiz übergeben.

Auch wenn es in der Vergangenheit tatsächlich solche tiefen Strukturen gegeben hat: Ohne belastbare Anhaltspunkte soziale Gruppen der staatsfeindlichen Wühlarbeit im öffentlichen Dienst zu beschuldigen, steht im Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

[h=3]

7.: „Die Hizmet-Bewegung ist gegen eine Lösung der Kurdenfrage"[/h]

Im Hinblick auf den Friedensprozess hat unser Ehrenpräsident seine Position auf eine klare und eindeutige Weise mit der Aussage „Die Wohltat befindet sich im Frieden, der Frieden ist eine Wohltat" dargestellt. Die Hizmet-Bewegung, welche sich durch die Ideen und Empfehlungen Gülens inspirieren lässt, hat den Friedensprozess von Beginn an unterstützt.

Die Erklärungen Gülens sowohl vor Beginn der Gespräche als auch danach sind sehr deutlich und klar und gehen sogar über die heute von der Regierung in der Kurdenfrage verfolgte Tendenz hinaus. Dies hat er auch in mehreren Gesprächen und zuletzt in einem Interview mit der Zeitung Rudaw aus Erbil unterstrichen. Beispielsweise hat Gülen im erwähnten Interview deutlich gemacht, dass die Bildung in der Muttersprache ein Grundrecht sei und nicht zum Gegenstand politischer Verhandlungen gemacht werden könne. Konstruktive Ratschläge und Warnungen bezogen auf den Friedensprozess und dessen Ablauf stellen auch keinen Gegensatz zu einer Lösung dar, sondern sollen diese besser und effizienter machen helfen.

Unsere Stiftung hat bis heute in Bezug auf die Kurdenfrage viele Konferenzen in Diyarbakır und Arbil abgehalten. Die Schulen, welche von den Freiwilligen der Hizmet-Bewegung gegründet wurden, bieten in Nordirak schon seit 20 Jahren Bildung in kurdischer Sprache an. Der erste private kurdische Sender der Türkei wurde auch von Unternehmern, die sich der Hizmet-Bewegung gewidmet haben, auf die Beine gestellt.

[h=3]

8.: „Die Hizmet-Bewegung wollte am 7. Februar die Verhaftung des Premierministers bewirken"[/h]

Diese Behauptung weist neben logischen Unzulänglichkeiten vor allem juristische Unkenntnis auf. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass diejenigen, die die Hizmet-Bewegung mit dieser Behauptung diffamieren, bis heute die Antwort auf die Fragen schuldig bleiben, welchen Gewinn denn die Hizmet-Bewegung aus einer Festnahme des Premierministers erlangen könne und warum sie auf einmal zu einer verschwörerischen Organisation geworden sein soll, während sie noch vor nur 9 Monaten selbstlos für die neue Verfassung gearbeitet hatte.

Die Hizmet-Bewegung unterstützt - zusammen mit den ihr nahe stehenden Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen - die Bemühungen zur Demokratisierung und zur Aufdeckung der tiefen Strukturen und deren Beziehungsgeflecht. Das ist der Grund, warum Hizmet auch den Ergenekon-Prozess unterstützt. Einige Medien, die mit der B ewegung in Verbindung stehen, betrachten deshalb auch die mit der KCK (Unionsgemeinschaft Kurdistan) zusammenhängende MIT (Nationale Geheimdienstorganisation der Türkei)-Untersuchung als positiv, was keinesfalls einen Grund für die Behauptung darstellen kann, die Hizmet-Bewegung würde sich an einer Verschwörung gegen den Premierminister beteiligen. Zumal wir als Außenstehende ja nicht mal wissen, welches Ergebnis diese bringen wird.

Es sollte auch bekannt sein, dass, abgesehen von irgendeinem Staatsanwalt, noch nicht einmal der Generalstaatsanwalt des Obersten Gerichts die Befugnis hätte, den Premierminister und die Minister ohne entsprechende Ermächtigung durch das Parlament zu verklagen.

[h=3]

9.: „Die Hizmet-Bewegung wird im Vorfeld der Wahlen mit einigen Parteien und Personen ein Bündnis eingehen"[/h]

Die Hizmet-Bewegung ist bis heute mit keiner Partei je in ein Bündnis getreten und sie wird dies auch nie machen. Ein Bündnis mit irgendeiner Partei einzugehen, also Parteipolitik zu betreiben, während man unter den eigenen Sympathisanten Individuen aus allen politischen Richtungen vereint, widerspricht dem Selbstverständnis der Bewegung.

Während die Hizmet-Bewegung keine Allianzen mit politischen Parteien eingeht, unterstützt sie - egal welche Partei dafür einsteht - ihren grundlegenden Prinzipien entsprechende Politikansätze und Praktiken, wie z. B. Demokratie, Pluralismus, Menschenrechte, Religionsfreiheit und Gerechtigkeit, da die Bewegung nicht parteiisch ist. Dies ist nicht nur ein demokratisches Recht, sondern entspringt gleichzeitig der erforderlichen Verantwortung gegenüber dem Land und den künftigen Generationen. In gegenteiligen Fällen zögert die Hizmet-Bewegung nicht, die entsprechende Politik zu kritisieren oder Empfehlungen zu geben, eben da sie nicht parteiisch ist. Dies ist ein überparteilicher Ansatz im Interesse des ganzen Landes, welcher in Übereinstimmung mit der Verfassung steht.

[h=3]

10.: „Die Hizmet-Bewegung hat eine Wanze im Zimmer des Premierministers platziert, um ihn abzuhören"[/h]

Es ist offenkundig, dass die Hizmet-Bewegung zum Prellbock in einem innerinstitutionellen Kampf innerhalb des Staates gemacht werden möchte – auf diese Weise erklärt sich auch, wie eine Behauptung der Art zustande kommt, die Hizmet-Bewegung wolle den Premierminister abhören.

Dennoch müssen wir in manchen Fällen auch die Institutionen des Rechtsstaats nutzen, um zumindest gegen die offenkundigsten Anschuldigungen offenzulegen, die Urheber augenblicklich zu finden und rechtliche Schritte einzuleiten.

Es gehört zur Verantwortung der Regierung und der Justiz, alle Aspekte dieses Themas offenzulegen, die Urheber dieser Behauptung augenblicklich zu finden und mit der verdienten Strafe zu belegen.

[h=3]

11.: „Warum kehrt Fethullah Gülen nicht in die Türkei zurück? Da er sich in den USA befindet, steht er unter dem Einfluss der USA"[/h]

Diese Behauptung ist nicht neu. Man hatte ähnliche schon zu Zeiten aufgestellt, als Gülen sich noch in der Türkei befunden hatte.

Eigenartig ist, dass die meisten Protagonisten dieser These gleichzeitig daran glauben, dass die USA die ganze Welt beherrschen würden. Wäre dem so, würde sich konsequenterweise die Frage stellen, wie Gülen, auch wenn er in die Türkei zurückkehren sollte, diesen Einfluss dann loswerden sollte? Die gleiche Denkweise hängt übrigens ohne jeglichen Beweis auch an anderen Personen, die in ihrem Leben noch nie in den USA waren, das gleiche Schild an. Kaum war die AKP gegründet, wurde ihr vorgeworfen, sie sei ein USA-Projekt.

Warum er nicht in die Türkei zurückkehrt, hat Gülen im Übrigen des Öfteren erklärt. Er befürchtet, dass seine Rückkehr in die Türkei von einigen Kreisen ausgenutzt werden kann, um die demokratischen Errungenschaften auf den Kopf zu stellen. Somit teilte er folgendes mit: „Ich wünsche mir sehr, in die Türkei zurückkehren zu können, doch bevor meine Sorgen nicht verschwunden sind, denke ich nicht daran."

Außerdem hat Gülen bezogen auf die Schnelllebigkeit der Verhältnisse in der Türkei und die auf ihn gerichtete Aufmerksamkeit und Angriffe der Medien wie folgt deutlich geantwortet: „Egal, wann ich in die Türkei zurückkehre, werden ab diesem Tag diejenigen, welche einen Aufruhr gemacht, die Gewehre in Anschlag gebracht, Unterstellungen gemacht oder mir nach dem Leben getrachtet hatten, das Gleiche nochmal tun. In meinem Alter habe ich mir gedacht, dass es zu beschwerlich ist, an einen Ort zurückzukehren, an dem ich Tag für Tag das Gleiche hören werde."

Diejenigen, welche die oben genannten Anschuldigungen erheben, demonstrieren gleichzeitig ihre dunklen Absichten, indem sie sich mit Aussagen brüsten wie „mit einem Staatsanwalt und drei Polizeibeamten erklären wir die Hizmet zur Terrororganisation und machen sie fertig". Auch, dass der Staat daran denkt, Privatschulen zu schließen und eigene Universitätsvorbereitungskurse ins Leben zu rufen, könnte als Schritt in diese Richtung interpretiert werden. Einige wollen auch Entlassungen von Beamten und Zivilangestellten beobachtet haben, die Hizmet nahe stehen sollen. Es ist sehr bedauerlich, hier Tendenzen zu sehen, die an die Vorbereitung des postmodernen Putsches vom 28. Februar 1997 erinnern.

Die Hizmet-Bewegung hat sich stets im Rahmen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung bewegt. Die Institutionen, welche durch die Anstrengungen unseres Volkes gegründet wurden und erfolgreich sind, zu schließen, um ihnen die Grenzen zu zeigen, ist keine Vorgehensweise, die von einem gesunden Menschenverstand akzeptiert werden kann.

Immerhin hat die Hizmet-Bewegung, welche sich zum Zwecke des Dienstes an der Menschheit auf den Weg gemacht hat und aus selbstlosen Freiwilligen besteht, in allen 150 Ländern, in denen sie tätig ist, ist sowohl von den Behörden als auch vom Volk positiv aufgenommen worden. Bisher hat Hizmet nirgendwo gegen demokratische Grundsätze und Menschenrechte verstoßen und wird dies auch nie machen.

Da die Hizmet-Bewegung aus Menschen besteht und es natürlich ist, dass Menschen auch Fehler begehen können, begrüßt die Bewegung nicht nur das Aufzeigen dieser, sondern ist auch für konstruktive Kritik an ihrer Arbeit offen.

Doch kann sie auch zu Diffamierungskampagnen, welche auf falschen und manipulierten Informationen basieren, nicht schweigen. Der Zweck dieser Erklärung ist nicht, konstruktive Kritik von der Bewegung aufzuhalten, sondern stattdessen zu einer noch sachlicheren und offeneren Debatte beizutragen.

Gulen News, 12.09.2013

 

 

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  • 3 Monate später...

[h=1]Jochen Thies: Wir sind Teil dieser GesellschaftReifen hier die neuen Preußen heran?[/h]

Kinder aus türkischen Zuwandererfamilien sind an Gymnasien unterrepräsentiert. Sie zeigen insgesamt schlechtere Leistungen und beenden ihre Schullaufbahn überdurchschnittlich oft ohne Abschluss. Dabei verfügen gerade die Zuwanderer vom Bosporus laut Kinder-Migrationsreport des Deutschen Jugendinstituts (DJI) über „hohe Aufstiegsorientierung sowie einen hohen Aufstiegsoptimismus“. Die Eltern begründen diese Diskrepanz mit mangelnder Chancengleichheit, „weil sie von Vorurteilen der Lehrer, zu wenig Förderung durch die Lehrkräfte und von einer schlechteren Beurteilung ihrer Kinder bei gleicher Leistung ausgehen“. Mit anderen Worten: Türkischstämmige Eltern misstrauen dem deutschen Bildungssystem.

Die Gruppe derer, die das nicht mehr hinnehmen wollen, wächst. Schon in den neunziger Jahren entstanden Nachhilfeinstitute, inzwischen gibt es in Deutschland zwei Dutzend „türkische“ Schulen, in der Mehrzahl Gymnasien. Mehr als dreihundert Bildungseinrichtungen bemühen sich inzwischen, den Nachkommen türkischer Zuwanderer dabei zu helfen, ihre Schulziele zu erreichen. Der Berliner Autor Jochen Thies nennt das „eine Bildungsrevolution im Stillen“.

[h=2]Kritiker Fethullah Gülens[/h]Doch diese „Revolution“ behagt nicht allen. Denn deren Initiator ist Fethullah Gülen. Kritiker sehen in ihm den Anführer einer „Geheimorganisation“, welche die Weltherrschaft des Islams anstrebt. „Der Spiegel“ urteilte, Gülen sei „der Pate“, der sich als der „Gandhi des Islams“ inszeniere, in Wahrheit aber sei die Fethullah-Gülen-Bewegung „islamistisch“. Sie sei Teil des „tiefen Staats“ der AKP, eines dubiosen kriminellen Netzwerks von Politik, Justiz und organisiertem Verbrechen. Gülens „Einfluss auf die türkische Politik scheint ungebrochen“, seine Gegner würden in der Türkei verhaftet, zuletzt der Journalist Ahmet Sik wegen seines Buchs „Die Armee des Imam“, in dem Sik schreibe, „wie es der Gülen-Gemeinde gelungen ist, Polizei und Justiz zu unterwandern“.

Die Publizistin Necla Kelek behauptete schon 2008 in dieser Zeitung, Gülen sei dabei, „ein weltweites Netz muslimischer Intelligenz heranzubilden, das einem machtbewussten islamischen Chauvinismus huldigt“. Er habe „einen weltweiten Verbund von Stiftungen und Schulen gegründet, der vor allem die neue muslimische technische Intelligenz heranbilden soll und wie eine Art Geheimsekte agiert“. Fethullahci, wie sich Gülens Anhänger nennen, hätten inzwischen Positionen bis in türkische Regierungskreise.

[h=2]Thies hält dagegen[/h]Der Berliner Publizist Jochen Thies kennt die Gülen-Bewegung seit 2009. Er schätzt ihren „Beitrag zur Integration - durch Bildung“ und ließ sich in den Beirat des Forums für interkulturellen Dialog einbinden. Zunächst, so Thies, habe er die Gülen-Bewegung mit den europäischen Bettelorden des Mittelalters verglichen, vielleicht sogar mit den Jesuiten. „Heute neige ich jedoch mehr der Auffassung des jüdischen Rabbiners Walter Homolka zu, dem Direktor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, wonach die Bewegung an die Entwicklung des liberalen Judentums im neunzehnten Jahrhundert erinnere, an den Versuch, religiöse Identität mit Bildung und Integration in die säkulare Umwelt zu verbinden.“ Das Bild vom „Paten“ ist für ihn „ein Hirngespinst“.

 

 

 

Thies hat mehrere Schulen über einen längeren Zeitraum begleitet. Er stellt fest, dass deutschtürkische Familien für die Zukunft ihrer Kinder erhebliche finanzielle Opfer bringen - für Schulgeld, Bücher, Schulkleidung und Fahrtkosten für zum Teil stundenlange Schulwege. In den Klassenräumen von Schulen mit merkwürdigen Namen wie TÜDESB in Berlin oder BiL in Stuttgart beobachtete Thies: „Die Kinder sind nicht allzu laut. Es gibt keinen Vandalismus, keine Sachbeschädigung, keine Graffiti.“ In der Mensa hörte er „keine türkischen Laute“, dafür stellte er eine große „Selbstdisziplin der Kinder“ fest, die sogar beim Abräumen der Tische helfen. Die meist deutschen Lehrer und Schulleiter, so Thies, hielten sich an den vielbelächelten Satz: „Kleider machen Leute.“

[h=2]Kein Religionsunterricht, dafür Ethik[/h]Unterrichtssprache ist Deutsch, erste Fremdsprache Englisch. Es gibt keinen Religionsunterricht - für den Autor „die größte Überraschung“ -, sondern Ethikunterricht, während beispielsweise in Berlin evangelische wie katholische Schulen ausdrücklich Religionsunterricht anböten. Der Schulleiter des Kölner Dialog-Gymnasiums, Stefan Völker, erklärt, dass die Schule wie auch jene der katholischen Kirche junge Menschen über Bildung qualifizieren, aber „nicht missionieren“ wolle. Es gibt keinen Gebetsraum. Die meisten Schulen bieten Ganztagsbetreuung an, in der Schule bei Paderborn sind neunzig Prozent der Schüler Internatskinder. Die treibende Kraft dieser Einrichtung, Emin Özel, ist Unternehmer, Mitglied im Rotary Club und Schützenkönig von Paderborn. „Spätestens dann“, so Thies, „ist man bei den Westfalen angekommen.“

Und diese erfolgreichen Deutschtürken werden bleiben, kündigt Thies an: „Wer eine Schule errichtet, plant in Zeiträumen von Generationen.“ Indem sie sich aus dem Unterschichten-Getto löse, nehme die Bedeutung der Religion ab. Thies sagt, die aufstiegswilligen Deutschtürken seien „von der Mentalität her ,Amerikaner’“, weil sie die Dinge selbst in die Hand nähmen; deshalb wüchse bald eine „neue Teilelite der Bundesrepublik“ heran, erfolgreiche Unternehmer, Politiker, Banker, Rechtsanwälte und Künstler. „Die erfolgreichen Deutschtürken“, so Thies, „könnten die neuen Preußen des Landes werden.“

[h=2]Aufklärung gegen Misstrauen[/h]Noch sind deutschstämmige Kinder an den „Gülen-Schulen“ die Ausnahme. Thies diagnostiziert eine „Kluft zwischen theoretischer Bereitschaft zum Zusammenleben“ und dem praktischen Leben, Berührungsangst, wenn nicht Abgrenzung. Aber im Kölner Dialog-Gymnasium hofft die Schulleitung dennoch, „dass der Tag kommen wird, an dem die Hälfte der Kinder von der Mehrheitsgesellschaft entsandt werden wird“. Auch das setzt Bildung voraus - bei der Mehrheit der Bevölkerung. Das Buch dazu hat Jochen Thies geschrieben: ein Buch gegen das Misstrauen.

 

 

 

Jochen Thies: „Wir sind Teil dieser Gesellschaft“. Einblicke in die Bildungsinitiativen der Gülen-Bewegung. Herder Verlag, Freiburg 2013. 184 S., br., 9,99 €.

 

 

Peter Köpf, FAZ, 19.07.2013

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[h=3]Der mächtige Herr Gülen[/h][h=5]Wie ein Prediger mit seiner Bewegung zum Gegenspieler der türkischen Regierung wurde[/h][h=4]von Günter Seufert[/h][h=5][/h]Statt wie bisher als "Global Leader" will sich Recep Tayyip Erdogan seinen Wählern künftig als "Führer der neuen Türkei im Kampf um ihre Unabhängigkeit" präsentieren. Testen will er die Wirksamkeit des neuen Ehrentitels bei den Kommunalwahlen am 30. März 2014. Der neue Lobestitel ist keineswegs ein Zeichen von Bescheidenheit angesichts außenpolitischer Misserfolge. Vielmehr wollen Erdogan und seine Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) die Wähler davon überzeugen, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen einige der Korruption verdächtige Minister einen Anschlag auf die Unabhängigkeit des Landes darstellen.

Glaubt man dem türkischen Ministerpräsidenten, sieht die Türkei sich heute einer besonders perfiden Verschwörung gegenüber. Denn dieses Mal hat das feindliche Ausland eine fünfte Kolonne von Leuten engagiert, die in Habitus und Geisteshaltung - islamische Frömmigkeit, stolzes Türkentum und patriarchalische Sozialmoral - den Wählern und Parteifreunden Erdogans gleichen wie ein Ei dem anderen. Es sind die Anhänger des türkischen Predigers Fethullah Gülen, der seit 1999 in den USA lebt. Laut Erdogan haben sich diese heimlich und unbemerkt in Polizei und Justiz eingenistet und weitere Bereiche der Bürokratie infiltriert. Durch Korruptionsvorwürfe, die allesamt aus der Luft gegriffen seien, würden diese Gülen-Kader die Regierung unterminieren. Und zwar im Interesse jener Staaten - an ihrer Spitze Israel und die USA -, die der Türkei den Zugewinn an Macht und Wohlstand neiden und das Land deshalb attackieren und schwächen wollen.

Wer ist dieser Fethullah Gülen? Wie kommt es, dass ein Prediger so großen Einfluss hat? Und was steckt hinter dem Streit der beiden frommen Männer Gülen und Erdogan?

Das Besondere an Fethullah Gülen ist, dass er grundlegende Strebungen und Orientierungen der Türken bündeln kann wie kein anderer. Der 1938 im ostanatolischen Erzurum - einer Hochburg konservativer Frömmigkeit - geborene Prediger baut Brücken zwischen Lehrmeinungen, Identitäten, Handlungsmaximen und Ideologien, die sich in ihrer Reinform gegenseitig auszuschließen scheinen.

Gülen kann Islam und türkischen Nationalismus verschmelzen, weil er vermittelt, dass sich die religiöse Lehre und eine typisch türkische Moralität gegenseitig perfektionieren. Der türkische Islam sei nicht radikal, nicht gewaltorientiert und damit "menschlicher" als die saudisch-wahhabitische oder die iranisch-schiitische Tradition.(1)

Als Beleg für den Genius der türkischen Muslime sieht Gülen das Osmanische Reich, das er in ähnlich prächtigen Farben malt wie Recep Tayyip Erdogan. Der Prediger sieht auch keinen Widerspruch zwischen der Religion und den modernen Naturwissenschaften, für ihn ist das Studium der Natur sogar ein Weg zur Erkenntnis Gottes. Damit steht Gülen auf den Schultern des spätosmanischen kurdischen Theologen Said-i Nursi (1876 bis 1960). Der hatte erkannt, dass die Naturwissenschaften der Religion ihre Funktion als Mittel der Welterklärung rauben. Um zu verhindern, dass den Menschen damit der Glauben verloren geht, versuchte er die Ergebnisse der Naturwissenschaft in das religiöse Weltbild zu integrieren. Nursi beschrieb die Natur als göttliches "Buch des Universums", das - wie der Koran - Auskunft über ihren Schöpfer gebe. Für ihn war die "Gültigkeit" des Glaubens dadurch gerettet, dass die Ergebnisse der Naturwissenschaften als dessen Bestätigung gelesen werden können.

Von Nursi übernahm Gülen auch den Ansatz, den Koran dem einzelnen Gläubigen direkt zugänglich zu machen. Wie Nursi schreibt er Kompendien zur Auslegung und zum Verständnis des Korans, die seine Anhänger regelmäßig in der Gruppe studieren. Doch anders als Nursi, aus dessen Nurculuk-Bewegung Gülens Anhängerschaft hervorgegangen ist, gab Gülen seiner Gemeinde eine feste Struktur mit einer klaren Rollenverteilung und hierarchischen Strukturen, an deren Spitze er selbst als charismatischer Führer steht.

Damit verbindet Gülens Lehre das traditionelle Strukturmuster islamischer Orden, das auf hierarchischen Beziehungen und charismatischer Führung beruht, mit vertiefter religiöser Bildung des Einzelnen, die aus dem Studium der heiligen Schriften resultiert und auch der Nutzung moderner Kommunikationsmittel zu verdanken ist.

Was die politische und gesellschaftspolitische Orientierung seiner Anhänger betrifft, schuf Gülen ebenfalls eine neue Synthese. Einerseits teilt er die von konservativen religiösen Gemeinschaften der Türkei bekannte Haltung, die staatliche Autorität nicht infrage zu stellen, und lehnt oppositionellen politischen Aktivismus ab, weil er Zwietracht unter den Gläubigen stifte. Seit den 1970er Jahren wendet er sich gegen die direkte Politisierung des Islam und gegen die Indienstnahme der Religion durch eine Partei.

Gleichzeitig jedoch hält er seine Anhänger zu unablässigem gesellschaftlichem Engagement an, das aber gerade nicht auf die direkte Förderung der Religion orientiert sein sollte, also etwa auf die Organisation von Korankursen, das Betreiben von (Untergrund-)Medressen, die Reaktivierung traditioneller Orden oder den Bau und die Unterhaltung von Moscheen und Predigerschulen. Gülen weist seine Anhänger stattdessen an, sich für die Ausweitung und Intensivierung der säkularen - insbesondere naturwissenschaftlichen - Bildung der Muslime einzusetzen und zu diesem Zweck Repititorien (zur Vorbereitung auf die zentrale Aufnahmeprüfung zur Universität), Schulen (meist Gymnasien) und Universitäten zu gründen.

Für Gülen ist also nicht nur das Studium der Naturwissenschaften, sondern auch der Einsatz für die Ausweitung säkularer Bildung unter den Muslimen ein entscheidendes Kriterium für eine vor Gott gerechtfertigte Lebensführung. Damit baut er einerseits auf dem beschriebenen Ansatz Nursis auf. Andererseits resultiert diese Haltung aus Gülens Verschmelzung von Islam und Türkentum sowie aus seiner Wertschätzung des Staats als dem Staat der türkisch-muslimischen Nation. Demnach gilt es, Verantwortung für die so bestimmte Nation und für ihren Staat zu übernehmen und eines der größten Übel - die Unwissenheit - zu bekämpfen. Denn nur eine gebildete Nation könne in der Auseinandersetzung mit den nichtmuslimischen und nichttürkischen Staaten und insbesondere mit dem Westen bestehen.

In diesem Rahmen erscheint die Fethullah-Gülen-Gemeinde als national-religiöse Modernisierungsbewegung. Sie ist das muslimische Gegenstück zum Kemalismus, dem säkularistisch-nationalistischen Modernisierungsprogramm des Staatsgründers Mustafa Kemal, des späteren Atatürk. Gülens Bewegung lehnt zwar die vom Kemalismus erzwungene Säkularisierung und kulturelle Verwestlichung respektive Europäisierung ab. Doch zugleich übernimmt sie das moderne Konzept der türkischen Nation, die es zu stärken und zu entwickeln gelte, und ebenso den Fortschrittsglauben, die aus Europa importierten politischen Institutionen und (bis in die 1990er Jahre hinein) auch das Bild vom Westen als Konkurrenten der Türkei und sogar als potenzielle Bedrohung.

Politisch eröffnet dieses weltanschauliche Sammelsurium vielfältige Anschlussmöglichkeiten für islamisch-konservative, türkisch-nationalistische, kemalistisch-modernistische, aber auch für proeuropäische liberale Kreise und Diskurse. Tatsächlich war Gülen in den 45 Jahre seines öffentlichen Wirkens bereit, sich je nach politischer Großwetterlage mit jedem der genannten politischen Lager auf eine konjunkturelle Zusammenarbeit einzulassen. Gerade die Ausrichtung auf Europa hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.(2 )

Die Verschmelzung von Frömmigkeit und Bildungshunger wie auch die Vereinbarkeit von religiösem Bewusstsein und zivilgesellschaftlichen Engagement, wie sie Gülen lehrt, bietet seinen Anhängern ganz neue Möglichkeiten. Nach diesem Konzept können sie - über den Erwerb säkularer Bildung - sozial aufsteigen und doch frommer Muslim bleiben. Besonders für die Landflüchtigen der zweiten und dritten Generation, die in den schnell wachsenden Zentren der Türkei mittlerweile die Mehrheit stellen, erweist sich Gülens Lehre als höchst funktional. Dies erklärt zu einem großen Teil das außerordentlich Wachstum der Bewegung, die heute als die größte zivilgesellschaftliche Strömung im türkischen Islam gilt.

Öffentlich tritt die Gülen-Bewegung heute in fünferlei Gestalt auf. Als Bildungsbewegung betreibt sie nach eigenen Angaben in über 140 Ländern mehr als 1 500 Schulen sowie 15 Universitäten, an denen insgesamt mindestens 15 000 Lehrer beschäftigt sind.(3) Schulen und Universitäten hat das Netzwerk seit dem Ende des Kalten Kriegs auch in den vormals sowjetischen Staaten Zentralasiens und in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens gegründet. Seitdem sind Schulen auch in den USA, in den Ländern Zentraleuropas und in Afrika dazugekommen.

In der Türkei unterhält die Bewegung rund 330 Schulen; zudem betreibt sie etwa jedes sechste der circa 6 000 Repetitorien, die Absolventen des Gymnasiums auf die zentrale Aufnahmeprüfung zur Universität vorbereiten.(4) Jüngeren Datums ist die Gründung von Zentren für den interreligiösen und interkulturellen Dialog, besonders in den USA und in Europa. In der Türkei gilt Gülen als Pionier des interreligiösen Dialogs. Die von ihm initiierte Stiftung für Schriftsteller und Journalisten hat wesentlich zur Verständigung zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen in der Türkei beigetragen. Finanziert werden all diese Aktivitäten von einfachen Mitgliedern, aber auch von Gülen nahestehenden Unternehmern, meist anatolischer Herkunft, die sich in der Türkei zum Dachverband Tuskon zusammengeschlossen haben. Zu den größten dieser Unternehmen zählt die Bank Asya und die Versicherungsgruppe Isik. Mit weitgehend einheitlicher Stimme sprechen die Medien der Bewegung, an ihrer Spitze die Tageszeitung Zaman,ihre englischsprachige Schwester Today's Zaman und der Fernsehsender Samanyolu. Alle diese Institutionen sind formal voneinander unabhängig, machen jedoch keinen Hehl daraus, dass sie Gülen als Spiritus Rector und moralische Autorität anerkennen.

Viel schwerer identifizierbar ist der fünfte Strang der Bewegung: Seilschaften in der Bürokratie, insbesondere in der Justiz und bei der Polizei, aber auch in anderen Bereichen der Verwaltung bis hin zum Militär. Sprecher der Bewegung stellen die Existenz solcher Seilschaften nicht in Abrede, weisen aber den Vorwurf zurück, diese Kader würden konzertiert für politische Aktionen eingespannt. Doch die Ereignisse der letzten Jahre sprechen klar für die Existenz eines effektiv agierenden Netzwerks von Gülen-Anhängern in der Bürokratie.

Für Erdogan sind diese Kader vaterlandslose Gesellen, die sich nicht scheuen, die Regierung der Türkei zu schwächen und die Interessen fremder Staaten zu bedienen. Der von Erdogan kontrollierte Nationale Geheimdienst (MIT) bezeichnet die Seilschaften als Terrornetzwerk, das er unter dem Akronym PDY bekämpft. Das Kürzel steht für "Parallelstaat" oder "Schattenstaat", soll aber ersichtlich auch an die PKK erinnern. Die Regierung rechnet die Staatsanwälte, die all die aktuellen Korruptionsverfahren eingeleitet haben, aber auch die Polizisten, die in ihrem Auftrag tätig wurden, allesamt einem von der Regierung nicht kontrollierten "Staat im Staate" zu. Dasselbe gilt für die Techniker der Sicherheitsbehörden, die seit Jahren nahezu unbegrenzt und systematisch Geschäftsleute, Politiker und Beamte abhören.

Wie erklärt sich aber, dass Erdogans AKP, die seit elf Jahren als Einparteienregierung an der Macht ist, von diesem Staat im Staate noch bis vor Kurzem nichts gewusst haben will? Und dies, obwohl liberale Beobachter lange vor der ersten AKP-Regierung vor Seilschaften Fethullah Gülens, besonders in der Polizei, gewarnt haben!(5) Die Antwort lautet, dass die Partei noch bis vor Kurzem auf das Netzwerk angewiesen war, das sie heute als Bedrohung an die Wand malt.

Das Bündnis zwischen der AKP und der Fethullah-Gülen-Bewegung gegen das Militär hat ihre Wurzeln im politischen Islam. Die erste AKP-Regierung stand deshalb im streng säkularistischen System des Landes unter der Vormundschaft der kemalistischen Elite. Dieser Machtblock bestand aus dem Militär, der hohen Richterschaft, der etablierten Großindustrie, der Bildungselite sowie der Republikanischen Volkspartei (CHP) als wichtigster Oppositionspartei.

Dieser Machtblock engte den politischen Spielraum der AKP-Regierung stark ein. Der Generalstab meldete sich in autoritärem Ton zu fast jedem politischen Thema zu Wort; das Verfassungsgericht annullierte eine Vielzahl von Gesetzesänderungen; der Staatspräsident (bis 2007 der Exrichter Ahmet Sezer) blockierte unablässig die Beförderung von Personen, die der AKP nahestanden, auf Spitzenpositionen in der Bürokratie. Als eine AKP-Mehrheit im Parlament im Mai 2007 Abdullah Gül zum Staatsoberhaupt wählen wollte, veränderte das Verfassungsgericht die Verfahrensregeln so, dass die Opposition die Wahl blockieren konnte. Vorausgegangen war ein Memorandum des Generalstabs, das ultimativ vor der Wahl eines "Islamisten" warnte.(6) 2008 begann vor dem Verfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die AKP, die ein Jahr zuvor von 47 Prozent der Wähler in der Regierung bestätigt worden war.

Damit war offensichtlich, dass die AKP - selbst nach zweimaliger Bestätigung durch die Wähler - nicht in der Lage war, die Vormundschaft der kemalistischen Elite mit den üblichen Mitteln zu brechen. Daher entschied sich die Regierung, Polizei und Justiz für ihre Zwecke zu mobilisieren. Sie griff dabei auf eine jüngere Generation von Richtern, Staatsanwälten und Polizeioffizieren zurück, die aus dem konservativen Spektrum stammten. Die wurden alsbald verdächtigt, mit der Gülen-Bewegung in Verbindung zu stehen.

Die Ermittlungen führten zu einer Reihe spektakulärer Strafprozesse, die als Ergenekon-Verfahren bekannt wurden. Ins Uferlose ausufernde Anklageschriften behaupteten oder konstruierten die Existenz einer terroristischen Vereinigung, der gewöhnliche Kriminelle, dem Militär nahestehende (extrem nationalistische) NGOs, Journalisten sowie ehemalige und aktive Offiziere bis in die höchsten Ränge angehören sollten. Diese Konstruktion erlaubte es, eine Vielzahl von Einzelaktionen und Straftaten verschiedener Gruppen und Personen mit ähnlicher (laizistisch-nationalistischer) Weltanschauung einem in sich geschlossenen Terrornetzwerk zuzurechnen. Das führte zu einer Serie von Prozessen vor Sondergerichten, die ihre Urteile nach der restriktiven Antiterrorgesetzgebung fällten.

All diese Prozesse wurden im Namen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geführt und auch von liberalen Kreisen als historischer Fortschritt begrüßt. Schwere Verfahrensmängel und Indizien für die nachträgliche Fabrikation von belastendem Material wurden hingenommen. Schließlich galt es, die seit Beginn der Republik bestehende Herrschaft des vom Militär geführten Machtblocks zu brechen, der für drei veritable Staatsstreiche, für eine autoritäre politische Kultur und Verfassung sowie für die lange Tradition ununterbrochener Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden konnte. Dabei wurde übersehen, dass die Kampagne das Werk eines Polizeiapparats und einer Justiz war, die keine ausgeprägte rechtsstaatliche Tradition kannten und deren Handeln stets politisch gefärbt und von Partikularinteressen bestimmt gewesen war.

Die Mitglieder der Gülen-Bewegung in Polizei und Justiz müssen in dieser Auseinandersetzung eine zentrale Rolle gespielt haben. Zwar opponieren auch andere Gruppen mit starker religiöser Identität gegen den laizistischen Machtblock, aber keine andere religiös-konservative Bewegung verfügt über so viele formal gebildete Mitglieder in der Bürokratie sowie über eine ausdifferenzierte und funktionierende innere Hierarchie, die entschlossenes und planvolles Handeln erst möglich macht.

Die AKP war in diesem Kampf auf die Unterstützung der Kader der Gülen-Bewegung angewiesen. Trotz ihres großen Rückhalts bei den Wählern hatte sie es nicht vermocht, genügend Anhänger in die Bürokratie zu schleusen. Das hatten die Kräfte verhindert, die der Partei im kemalistischen System noch immer einen "Paria-Status" zuwiesen.

Heute bricht dieses Bündnis der verdeckten Seilschaften von Gülen-Bewegung und AKP auseinander. Die Härte der Auseinandersetzung rührt daher, dass Bewegung und Partei aus unterschiedlichen politischen Traditionen kommen und bereits von 1970 bis 2000 als Konkurrenten agiert hatten.

Damals hatte sich Gülen dem Staat als muslimische Alternative zum politischen Islam angedient und beispielsweise den Staatsstreich des Militärs von 1980 gerechtfertigt. Zu dessen Gegner wurde Gülen erst Ende der 1990er Jahre, als das Militär die explizit islamistische Wohlfahrtspartei (Refah), den Vorläufer der AKP, zerschlug. Damals glaubten die Generäle, auf Gülen verzichten zu können, und nahmen dessen Bewegung selbst ins Visier.

Die aktuelle Auseinandersetzung hat zwei Dimensionen. Sie ist vor allem eine Konkurrenz um von der Regierung zu verteilende Ressourcen, also um Posten in Bürokratie und Parlament, um Staatsaufträge, Bauland und wirtschaftliche Subventionen. Zugleich treten politische Differenzen zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung immer klarer zutage, vom Umgang mit der Kurdenfrage bis zur Außenpolitik.

Gut und Böse sind bei dieser Konfrontation schwer zu bestimmen. Auf der einen Seite steht eine demokratisch gewählte und damit politische legitime Regierung, die dabei ist, alle rechtsstaatlichen Grundsätze über Bord zu werfen; auf der anderen Seite die klandestin organisierten Kader einer Bewegung, die mit der Aufdeckung von Korruptionsfällen und prowestlicher Rhetorik punkten will.

Fußnoten:

(1) Dogu Ergil in: Gürkhan Celik (Hg.) "Mapping the Gülen Movement - A Multidimensional Approach", Amsterdam 2010, S. 24 f.

(2) Siehe Günter Seufert, "Überdehnt sich die Bewegung von Fethullah Gülen? Eine türkische Religionsgemeinde als nationaler und internationaler Akteur", SWP-Studie 2013/S23, Dezember 2013.

(3) Zahlen nach Mustafa Yesil in der Tageszeitung "Taraf, 7. Mai 2012.

(4) Dorian Jones auf Eurasianet.org, 7. Januar 2013, und Koray Caliskan in "Radikal Online, 11. Oktober 2013.

(5) Ahmet Insel im Interview mit Nese Düzel in der Tageszeitung "Milliyet, 26. Juni 1999.

(6) In dem Text erklärte sich das Militär zum "absoluten Verteidiger des Säkularismus", siehe:news.bbc.co.uk/2/hi/europe/6602775.stm.

Günter Seufert ist Türkeiexperte und -forscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

©" Le Monde diplomatique, Berlin

Le Monde diplomatique Nr. 10336 vom 14.2.2014, 524 Zeilen, Günter Seufert

 

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  • 2 Wochen später...

[h=1]RECEP TAYYIP ERDOĞANDer Feind im eigenen Lager[/h]

Premierminister Erdoğan bekämpft die konservative Gülen-Bewegung. Der Streit bedroht die türkische Demokratie VON ÖZLEM TOPÇU, ZEIT, 13.02.2014

 

Wer dieser Tage durch Istanbul läuft, sieht Premierminister Recep Tayyip Erdoğan auf riesigen Plakatwänden von Häuserwänden und Baustellen herunterblicken. Er ist einfach überall. Sich selbst genug. Machterfüllt. Ein Herrscher, der sagt: Ich bin die Türkei. Es gibt keinen außer mir. Zwei Wörter stehen in großen, weißen Buchstaben auf seiner Brust: "Sağlam irade", fester Wille. Auf Parteitreffen seiner AKP, auf denen er nicht physisch erscheinen kann, wird Erdoğan neuerdings auf die Bühne projiziert, als Hologramm. "Erdogramm" sagen manche dazu.

Es ist kein Zufall, dass der Premierminister gerade jetzt so allgegenwärtig wirken will. Zum ersten Mal in seiner elfjährigen Regierungszeit bedroht ihn ein offener Machtkampf. Der islamisch-konservative Politiker führt ihn nicht gegen alte Feinde wie das Militär, gegen Säkulare, Liberale oder die Generation Gezi. Der natürliche politische Gegner der AKP, die Republikanische Volkspartei (CHP), gegründet von Atatürk, ist verknöchert, desolat und diskreditiert. Umfragen sehen sie bei den Kommunalwahlen am 30. März stabil unter 30 Prozent. Es gibt keine ernst zu nehmende Oppositionskraft. Oder besser gesagt: Es gibt sie nicht in der Politik.

Die eigentliche Opposition im Land ist nicht wählbar oder abwählbar. Sie ist keine Partei. Viele Beobachter in der Türkei sind überzeugt: Sie ist viel mächtiger, als sie es als Oppositionspartei jemals hätte werden können. Die Leute, die Erdoğan fürchtet, blicken ähnlich auf die Welt wie er selbst: konservativ und religiös. Es ist die Bewegung um den Prediger Fetullah Gülen.

Seit am 17. Dezember in einer breit angelegten Operation gegen Korruption und Amtsmissbrauch mehr als 70 Verdächtige festgenommen wurden, unter anderem die Söhne von drei Ministern, befindet sich das Land in einer historisch völlig neuen Situation. Die Türkei kannte seit der Republikgründung 1923 und der radikalen Modernisierung durch Staatsgründer Atatürk immer nur einen wirklich großen politischen und gesellschaftlichen Kampf: den zwischen Laizisten und Religiösen. An den hatte man sich gewöhnt, der war einfach zu verstehen und gehörte zum Land wie Mondsichel und Stern zur Flagge. Der Kampf innerhalb des religiösen Lagers ist neu.

Viele Beobachter in der Türkei halten die Gemeinde von Fetullah Gülen für sehr einflussreich. Sie hat Millionen Anhänger. Die Gülen-Bewegung gibt Bildung als göttliches Gebot aus und ließ Tausende Schulen, Nachhilfeeinrichtungen und Studentenwohnheime in der ganzen Welt bauen. Zeitungen (darunter die Zaman,die auflagenstärkste Zeitung des Landes), Fernsehsender, eine Bank und unterschiedliche Firmen stehen der Bewegung nahe. Sie erscheint als eine nicht versiegende Quelle, aus der gebildete und fromme Menschen sprudeln. Sie hilft beim gesellschaftlichen Aufstieg. Und sie stieß, stärker als andere religiöse Bewegungen in der Türkei, in ein Vakuum, das der Staat nicht zu füllen vermochte: Mit Beginn der 1980er Jahre fing sie an, Bildung und Solidarität zu predigen – zu einer Zeit, in der die Regierung eine neoliberale Politik verfolgte. Viele Menschen begeisterte das.

Vor allem Fetullah Gülen selbst zog die Leute an. Das Time- Magazin zählte den Religionsgelehrten vergangenes Jahr zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Er predigt seinen Anhängern den Dialog der Religionen, er sagt, dass Moderne und Religion sich nicht ausschließen. Einmal empfing ihn sogar Papst Johannes Paul II. Gülens Anhänger, so heißt es in einer seiner Schriften, sollen so tolerant sein, "dass euer Herz offen werde wie der Ozean. Lasst euch inspirieren von dem Glauben und der Liebe für den nächsten. Reicht eure Hand denen, die Sorgen haben, und sorgt euch um andere." Von der Politik hält man sich lieber fern, obwohl Gülen immer gute Beziehungen zu Politikern nachgesagt wurden, auch zu erzlaizistischen. Einer der geistigen Väter der Bewegung soll einmal gesagt haben: "Vor der Schlechtigkeit des Teufels und der Politik suche ich Zuflucht bei Gott."

Das ist die eine Wahrnehmung. Die andere ist: Das sind nicht einfach nur fromme Leute, die viel Wert auf Bildung legen und einen Prediger verehren, der sich hin und wieder mit Videobotschaften aus dem fernen Pennsylvania meldet, sondern Islamisten. Nein, Gülen und seine Anhänger verfolgen eine eigene Agenda, und über die Richtung entscheidet der Hocaefendi (ehrwürdiger Meister) mit seinen engsten Beratern. Sie sind alles andere als unpolitisch. Einige sagen: Diese Leute wollen einen islamischen Staat errichten wie im Iran. Andere sagen, es handelt sich hier um eine streng hierarchische Organisation, vergleichbar mit Opus Dei, die ihre gut ausgebildeten Anhänger an wichtige Schaltstellen des Staates setzt, um die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzugestalten. In der Polizei, der Justiz, im Militär. Es waren denn auch Gülen nahestehende Leute, die hinter den Korruptionsermittlungen und den Festnahmen vom Dezember steckten. Auf Anordnung der Regierung wurden sie nun zu Tausenden versetzt.

 

Deshalb spricht Erdoğan von einem "parallelen Staat", von illegalen Abhörmaßnahmen gegen sich, von Putsch und Sabotage. Deshalb sieht man überall den Riesen-Erdoğan mit dem "festen Willen". Und deshalb sagt er: "Wir werden bis in ihre Höhlen hinabsteigen und alles auf den Kopf stellen." Diese Gegenkraft hat ihn empfindlich getroffen. Vielleicht heftiger als die landesweiten Proteste im vergangenen Jahr. Seine Reaktion zeigt, was für eine Macht er selbst der Bewegung zuschreibt.

Dabei sind die Gülen-Anhänger und Erdoğans AKP jahrelang einen gemeinsamen politischen Weg gegangen. Ihre Gegner waren das türkische Militär und die Säkularen, die ihrerseits unter allen Umständen verhindern wollten, dass Religion nach dem Untergang des Osmanischen Reiches in der Politik jemals wieder eine Rolle spielt. Als die AKP an die Macht kam, diskutierten die strengen Laizisten darüber, ob eine First Lady mit Kopftuch bei einer Militärparade dabei sein darf. Oder ob Abgeordnete und Studentinnen sich das Haupt in Parlament und staatlichen Universitäten bedecken durften.

[h=2]Die AKP war seit ihrer Gründung die natürliche Partei für Gülen-Anhänger[/h]Die AKP und die Gülen-Bewegung haben ähnliche Vorstellungen von einer sittlich und moralisch gefestigten islamischen Gesellschaft. Auch die Anhänger sind die gleichen. Sie wirken oft etwas spießig, haben aber einen ungehemmten Willen zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg, der ihnen bislang von den alten Eliten verwehrt wurde. Sie haben nichts dagegen, dabei einer Vaterfigur zu folgen, die ihnen zeigt, wie sie dieses sittlich und moralisch gefestigte Leben führen können.

Die AKP war seit ihrer Gründung im Jahr 2001 die natürliche Partei für Gülen-Anhänger. Sie machte die Politik, Gülen gab den spirituellen Input und warb bei den Anhängern um Unterstützung. Beide Lager haben sich gegenseitig groß gemacht.

[h=2]Die Türkei ist verschlossen, alles ist auf eine autoritäre Führung ausgerichtet[/h]Solange es gemeinsame Feinde gab, fielen die Unterschiede nicht ins Gewicht. Jetzt sind die alten Feinde besiegt, und die einstigen Verbündeten sind zu politischen Konkurrenten geworden. Anders als Erdoğan, der in den vergangenen Jahren mit Kritik an den USA und Israel Fans auf der arabischen Straße sammelte, gilt Gülen als ausgesprochen amerikafreundlich – schließlich lebt er seit Jahren dort. Er wirbt dafür, weniger polternd in der Welt aufzutreten. Und nach innen pflegt seine Bewegung traditionell eine nationalistische Haltung. Gülen-Anhänger finden nicht, dass mit kurdischen "Separatisten" über die Lösung des Kurdenkonflikts verhandelt werden sollte, so wie es die AKP-Regierung in den vergangenen Jahren gemacht hat.

In der Türkei bestreitet kaum jemand, dass die Gülen-Bewegung den Premierminister vor sich hertreibt. Auf viele wirkt sie intransparent, fast geheimnisvoll. Ihre Anhänger halten sich bedeckt, nennen sich höchstens "Sympathisanten". "Manchmal habe ich das Gefühl, dass Fetullah Gülen das einzige Mitglied in dem Verein ist!", so drückt es ein Journalist aus. Es ist unklar, für wen die Bewegung spricht und handelt. Wen sie repräsentiert. Wie groß ihre Macht, ihr Einfluss ist. Was ihr erklärtes Ziel ist. Und ob sie demokratisch ist. Es gibt sehr viele, die das bezweifeln.

Einer, der sowohl unter der AKP als auch unter der Gülen-Bewegung gelitten hat, ist der in der Türkei bekannte investigative Journalist Ahmet Şık. Er hat viel zur Gülen-Bewegung recherchiert, es ist sein Lebensthema. Şık hat ein Buch über den Einfluss der Gülen-Bewegung auf den türkischen Sicherheitsapparat geschrieben, es heißt: "Die Armee des Imams". Gemeint ist Fetullah Gülen. Şık zeichnet ein unheimliches Bild seines Landes, das in diesem Machtkampf zerrieben wird. Für ihn greifen beide, Erdoğan und Gülen, die türkische Gesellschaft an. Kurz vor der Veröffentlichung 2011 wurde Şık festgenommen, wegen "Unterstützung einer terroristischen Gruppe". Der Prozess gegen ihn läuft noch.

Über die Gülen-Bewegung sagt Şık: "Es ist Unsinn, zu befürchten, dass diese Leute einen Gottesstaat errichten wollen. Das Gefährliche an ihnen ist, dass sie jemandem wie mir 13 Monate meines Lebens stehlen können. Etliche meiner Kollegen sitzen noch im Gefängnis." Für ihn steckt die Bewegung hinter seiner Festnahme.

Über den Premierminister sagt Şık: "Kurz nachdem ich festgenommen wurde, verglich der Premierminister mein Buch mit einer Bombe. Jetzt war er gerade in Brüssel und sagte, an meinem Fall sehe man, wie gefährlich die Gülen-Bewegung sei."

 

Politik, so scheint es, wird in der Türkei nur noch als eine Abwehr gegen diese Oppositionskraft benutzt. Eine Versuchung für Erdoğan, die Justiz und das Internet unter Kontrolle zu bringen.

Anhänger mag es mit Stolz erfüllen, dass "ihr" Premier so stark und präsent ist. Andere finden das unheimlich. Sie sagen, dass sie sich bedrängt und verfolgt fühlen. In den Sozialen Medien wird diskutiert. "Dieser monströse RTE, der dich von der Seite anstarrt, Big Brother, und das gleich morgens. Ich habe die Straßenseite gewechselt, um ihn nicht sehen zu müssen. Aber es ist unmöglich, ihn nicht zu sehen", schreibt ein Nutzer in der türkischen Wikipedia unter dem Eintrag "Sağlam irade".

Gut möglich, dass auch solche Einträge bald verschwinden. Gerade hat das Parlament ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem die Regierung Internetseiten ohne richterlichen Beschluss sperren lassen kann. Sie sagt: zum Schutz von Persönlichkeitsrechten. Von Kindern und Familien. Kritiker sagen: zum Schutz des Premierministers und der Regierung. Es gehe hier um Kontrolle und Zensur eines der letzten freien Räume. Am Wochenende gab es kleinere Proteste gegen das Gesetz.

Die türkische Tragik ist: Dass Erdoğan so vorgehen kann und dass eine gesellschaftliche Bewegung wie die Gülen-Gemeinde überhaupt so einflussreich werden konnte, liegt am politischen System selbst. Die Türkei ist verschlossen. Alles ist auf eine autoritäre Führung ausgerichtet. Es gab in der politischen Klasse der alten kemalistischen Elite der Türkei immer ein Misstrauen dem Bürger und anderen politischen Kräften gegenüber. Wehe, sie wären doch muslimischer, als man das vorgeschrieben hatte! Oder linker! Oder rechter! Staatsgründer Atatürk hat das Land deshalb so angelegt, dass alle wichtigen Entscheidungen in der Hauptstadt Ankara gefällt werden. Er hat das Militär so in Stellung gebracht, dass es den Laizismus stets verteidigen konnte.

Drei Putsche hat das Land seit Gründung der Republik erlebt. Atatürk wollte alles kontrollieren, ihn trieb die Sorge, der Staat könne jederzeit zerfallen. Eine Zehnprozenthürde wurde installiert, gegen die kleinen politischen Parteien. Opposition wurde und wird nicht als notwendiger Bestandteil der Demokratie verstanden, sondern als Störfaktor. Und wer Putsch um Putsch erleben musste, brachte seinen Kindern bei, dass Politik etwas Schlechtes ist, dass man Politikern nicht trauen kann. In diesem System konnte die Gülen-Bewegung, die sich unpolitisch geriert und keine Partei ist, zu einer starken Kraft werden.

Premierminister Erdoğan hätte in die Geschichtsbücher eingehen können. Mit einem Versprechen von mehr Demokratie, mehr Rechten für Minderheiten und der Aussicht auf eine gesellschaftliche Versöhnung zwischen Frommen und Säkularen hatte dieser etwas ungehobelte, aber rhetorisch brillante Politiker es geschafft, sogar die Liberalen und Intellektuellen auf seine Seite zu ziehen. Endlich war da einer, der nicht zur knöchrigen alten Elite des Landes gehörte. Kein "weißer Türke" aus einer wohlhabenden Akademikerfamilie, dessen Weg in die Politik mit der Geburt vorgezeichnet war, sondern ein anatolischer Aufsteiger aus dem Armenviertel, der als Kind Limonade und Sesamkringel verkaufte, um sich etwas dazuzuverdienen. Dank ihm sprach die Welt plötzlich von einem "Modell Türkei", einer muslimischen, wirtschaftlich dynamischen, halbwegs funktionierenden Demokratie, offen, modern und konservativ. Ein Vorbild für viele andere Staaten der Region.

Die Hoffnung war, dass Erdoğan das System wirklich ändert. Nun hat das System wohl ihn verändert.

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  • 9 Monate später...

Süddeutsche, 13. Dezember 2014, 08:20

 

Erdoğan-KritikerGülen verurteilt "Hexenjagd" in der Türkei

 

Erdoğan-Kritiker Gülen in seinem amerikanischen Exil in Saylorsburg, Pennsylvania.*

 

(Foto:*AFP)Der im US-Exil lebende islamische Prediger Fethullah Gülen bezeichnet das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Andersdenkende als "Hexenjagd".Gülens "Hizmet"-Bewegung kämpfte früher vor allem gegen die Macht des Militärs in der Türkei, mittlerweile wende sich das Engagement gegen die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gegründete Regierungspartei AKP.Unter der Herrschaft von Erdoğan sei das Land zu einem "Parteienstaat und eigentlich sogar Ein-Mann-Staat" geworden, kritisiert Gülen im Interview mit der*Süddeutschen Zeitung.Von*Christiane SchlötzerEin Jahr nach Korruptionsvorwürfen gegen seine engsten Vertrauten sitzt*Recep Tayyip Erdoğan, der starke Mann der Türkei, fester im Sattel denn je. Erdoğan, seit gut*100*Tagen Staatspräsident, residiert in einem neuen Riesenpalast, lässt Polizeigesetze verschärfen und regierungskritische Journalisten*anklagen.Am*17. Dezember vor einem Jahr waren Ministersöhne, ein Staatsbankchef und rund*50Politiker und Unternehmer mit besten Beziehungen zur regierenden*AKPfestgenommen worden. Es ging um Millionen an Schwarzgeld in Schuhschachteln, Bauspekulation in Istanbul, illegale Goldgeschäfte mit*Iran.Die Vorwürfe bezeichnet Erdoğan bis heute als Komplott, als "zivilen Coup". Und wer dahintersteckt, ist für ihn klar: ein ehemaliger Weggefährte, der Prediger*Fethullah Gülen. Ihn hat Erdoğan zum Staatsfeind Nummer eins*erklärt.

 

Die Türkei erlebe eine Polarisierung

 

Gülen wehrt sich nun. Im Interview mit derSüddeutschen Zeitung*wirft der 76-Jährige Erdoğan vor, die Türkei in einen "Ein-Mann-Staat" zu verwandeln. "Nachdem das Land vom Joch des Militärs befreit war", habe die AKP "das Joch einer Partei" errichtet, kritisiert Gülen von seinem Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania aus. Die Türkei erlebe eine "Polarisierung" im Inneren, im Ausland verliere sie jeden Tag an Ansehen und werde einsamer. "Der Zustand, in den mein Land versinkt, macht mich traurig", so*Gülen.Der Islamgelehrte hat in der Türkei eine beträchtliche, konservative Anhängerschaft. Auch unter Türken in der Diaspora gibt es Millionen Gülen-Fans, die mithalfen Schulen und private Universitäten in*163*Ländern zu errichten. Dies gilt auch für Deutschland. In den USA, wo Gülen seit*1999*im Exil lebt, ist die Bewegung in mehr als*20*Städten mit Kulturzentren präsent. Vor dem Zerwürfnis mit Erdoğan fungierten diese quasi wie diplomatische Vertretungen der*Türkei.Erdoğan hat von US-Präsident Barack Obama die Auslieferung Gülens an die Türkei verlangt. Dazu sagt Gülen in dem SZ-Interview: "Die USA sind ein demokratischer Rechtsstaat. Hier ist kein Platz für Willkür." Mit der Auslieferungsforderung "ohne gesetzliche Grundlage" ruiniere die Türkei nur ihren internationalen*Ruf.Auch die EU und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußerten sich zuletzt besorgt über den innenpolitischen Kurs der Türkei. Sie nannten es bedenklich, dass Polizei und Geheimdienste mit immer größeren Vollmachten ausgestattet würden. Kritisiert wird, dass künftig Wohnungen ohne richterliche Anordnung durchsucht werden könnten und bei Protesten "vorsorgliche Festnahmen" möglich seien. Die Regierung sagt, die Änderungen entsprächen Gesetzen innerhalb der EU. Zunehmenden Druck auf die Medien beklagte auch der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Der Zeitung*Hürriyet*sagte Pamuk: "Das Schlimmste ist die Angst. Ich sehe, dass alle Angst haben, das ist nicht*normal."

 

Hunderte Korruptionsermittler und Staatsanwälte wurden versetzt

 

Erdoğan hatte im Zug der Korruptionsaffäre auch Twitter und Youtube sperren lassen, nachdem im Internet kompromittierende Telefonmitschnitte aufgetaucht waren.*Das Verfassungsgericht beendete die Blockade wieder. Die Regierung sorgte zudem dafür, dass Hunderte Korruptionsermittler, Polizisten und Staatsanwälte versetzt oder kaltgestellt wurden. Ihnen wurde vorgeworfen, im Auftrag Gülens einen "Parallelstaat" errichtet zu haben. Inzwischen sind alle Korruptionsprozesse "aus Mangel an Beweisen"*eingestellt.Erdoğan und sein Nachfolger im Amt des Premiers, Ahmet Davutoğlu, werfen der Gülen-Bewegung aber weiter vor, den Staat zu unterwandern. Sie nennen die Anhänger des Predigers "Agenten" oder "eine Bande" und*"Verräter".

 

Aktuelle Entwicklungen in der Türkei: Die Inflationsrate sinkt, mehr Menschen stimmen für die Regierungspartei AKP.

 

Gülen bestreitet nicht, dass auch zahlreiche türkische Staatsdiener mit seiner Bewegung sympathisieren, er sieht darin aber kein Problem. "Ein Bürger eines Landes kann nicht die Institutionen seines Landes unterwandern, er dient ihnen", sagt Gülen. Die Regierung wolle sich mit einer "Hexenjagd" nur derer entledigen, "die nicht der Macht nahestehen oder Geschäfte mit ihr machen*wollen".

 

Vorwurf der Intransparenz

 

Kritiker auch in Europa werfen der Gülen-Gefolgschaft vor, ihre Organisation sei nicht transparent. Bekannt sind weder Mitglieder- noch Spenderlisten. Islamische Bruderschaften ähnlich der Gülen-Bewegung waren von Republikgründer Atatürk einst in den Untergrund gedrängt worden. Die*AKP*hatte nichts gegen deren Wiedergeburt. Erdoğan sagte mehrmals, er wünsche sich in der Türkei eine "religiöse Generation". Zuletzt verlangte er, an den Schulen wieder Osmanisch zu*lehren.Gülen aber sagt, es könne "nicht Aufgabe eines Staates sein, eine religiöse Generation heranzuzüchten". Damit schaffe man einen "Zwang für Andersdenkende". Auch Gülen beklagt, hier ausnahmsweise mit Erdoğan einig, dass viele junge Muslime wenig Ahnung von ihrer Religion hätten. Damit würden sie auch leicht Opfer der Propaganda von radikalen Islamisten, wie dem "Islamischen Staat". Zum IS, so Gülen, habe die "islamische Welt nicht klar genug Stellung*bezogen".

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  • 3 Wochen später...

FETULLAH GÜLENS HIZMET-BEWEGUNGIslamische Bekehrung oder offenes Dialogforum?

 

Von Ulrich PickFethullah Gülen: Der muslimische Prediger ist Begründer eines weltweiten Netzwerkes. (Picture Alliance / dpa / Selahattin Sevi / Handout Zaman Da)Der muslimische Prediger Fetullah Gülen stammt aus der Türkei. Die Hizmet-Bewegung des Gegners von Staatspräsident Erdogan ist aber weltweit aktiv, betreibt auch in Deutschland Bildungseinrichtungen. Doch nicht nur hier wächst die Kritik. Stichwort: mangelnde Transparenz.Die Stuttgarter Bil-Schule ist Bildungszentrum mit drei verschiedenen Schultypen im Stadtbezirk Bad Cannstatt. Sie ist eine private Ganztagsschule. Gegründet wurde sie vom aus der Türkei stammenden Industriemechaniker und Pädagogen Muammer Akin:"Wir haben vor zehn Jahren angefangen mit der Realschule und dem Gymnasium. Seit einem Jahr haben wir das Wirtschaftsgymnasium im Hause. Und insgesamt sind es 430 Schüler. Wir haben einen hohen Anteil an Migranten, so wie es in Stuttgart oft üblich ist. Also, der geht so Richtung 80, 90 Prozent etwa."Mit seiner Schulgründung wollte Muammer Akin zur Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund beitragen. Denn diese, so sagt er, würden im staatlichen Schulsystem aufgrund mangelnder Betreuung und Förderung allzu oft auf der Strecke bleiben. Seinen Einsatz darf man als weitgehend gelungen bezeichnen, denn in der Bil-Schule schneiden sogenannte Gastarbeiterkinder überdurchschnittlich gut ab. Geistiger Pate des Projektes war der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen, der bereits vor Jahrzehnten in seiner türkischen Heimat Schulen statt Moscheen forderte. Obgleich Akin eine geistige Nähe zu den Ideen des islamischen Gelehrten nicht abstreitet, möchte er seine Schule dennoch nicht als Gülen-Schule bezeichnet wissen. Das suggeriere, betont er, eine verzerrte Perspektive:"Wir wehren das erst einmal ab, weil wir eine Stuttgarter Schule sind, die aus der Notwendigkeit hier im Umfeld entstanden ist. Der Bezug zu Gülen wird eher von Externen hier hineingetragen als das wir das selber thematisieren hier. Wir arbeiten nach den Bildungsplänen des Landes Baden-Württemberg und auf der Grundlage des Schulgesetzes hier, und das spielt auch in der Schule keine Rolle."

 

Heimliche Islamisierung der Welt?

 

Fethullah Gülen, dem Kritiker vorwerfen, er wolle die Welt heimlich islamisieren und verfüge über erhebliche Finanzressourcen ungeklärter Herkunft, ist einer der einflussreichsten muslimischen Gelehrten weltweit. 1941 in der osttürkischen Provinz Erzurum geboren, stand er lange als Imam im Dienst der staatlich-türkischen Religionsbehörde, die er Anfang der 80er-Jahre verließ und als freiberuflicher Prediger arbeitete. Seit 1999 lebt er in den USA. Gülen versucht, einen konservativen Volksislam türkischer Prägung mit zeitgemäßer Bildung und wirtschaftlichem Erfolg zu verbinden. Als Probleme der Muslime erachtet er nicht das Christentum oder die sogenannten imperialistischen Amerikaner, sondern Unwissenheit und Armut.Entsprechend wurde er zum Initiator einer großen islamischen Bildungsbewegung, die mittlerweile Schulen in mehr als 140 Ländern errichtet hat. Baute man anfangs vor allem Gymnasien und Nachhilfeeinrichtungen, gibt es mittlerweile auch Kindertagesstätten und Realschulen. Darüber hinaus unterhält man Fernsehsender, Radiostationen, Zeitungen und anderes mehr, denn Kommunikation und Dialog will die Bewegung großgeschrieben wissen. Die Anhänger Fethullah Gülens arbeiten weltweit als Netzwerk unter der türkischen Bezeichnung Hizmet, was im Deutschen so viel wie Dienst bedeutet. Ansprechpartner in Deutschland ist vor allem die in Berlin ansässige Stiftung Dialog und Bildung – besonders ihr Vorsitzender Ercan Karakoyun:"Also ganz einfach gesagt, ist Hizmet eine Gemeinschaft von Menschen, die versuchen, soziale Verantwortung zu übernehmen für die Gesellschaft. Und das tun sie inspiriert von den Ideen des muslimischen Gelehrten Fethullah Gülen. Es ist ein loses Netzwerk. Wir wissen natürlich wie viele Vereine es gibt, es sind etwa 150 Nachhilfeinstitutionen, es gibt etwa 25 Schulen in Deutschland und etwa 15 Dialogvereine, die sich im Dialogbereich engagieren."Da die Gülen- oder Hizmet-Bewegung lediglich ein loses Netzwerk sei, gebe es von ihr, so heißt es, kein Organigramm. Natürlich kenne man sich untereinander weitgehend, dennoch aber seien die einzelnen Vereine auf lokaler Ebene autonom und keiner zentralen Leitungsebene verpflichtet. Entsprechend könnten auch keine genauen Angaben gemacht werden, wer alles zum Netzwerk gehöre, sagt Eyüp Besir, Vorstandsmitglied im Forum für Interkulturellen Dialog Hessen in Frankfurt am Main:"Es gibt keine Mitgliedschaft, es gibt keine Registrierung der Menschen, die sagen, ich bin Hizmet-nah oder ich bin nicht Hizmet-nah. Es gibt Menschen, die ihre Kinder zum Beispiel auf Einrichtungen schicken, die von Hizmet-nahen Menschen gegründet sind, aber persönlich eigentlich mit Hizmet nichts zu tun haben. Deshalb ist es sehr schwierig, zu sagen, wer ist Hizmet-nah und wer ist nicht Hizmet-nah. Und jetzt eine spekulative Zahl zu nennen, wäre auch nicht richtig."Ähnlich antwortet Ercan Karakoyun auf Fragen, die sich auf das Finanzgebaren der Gülen-Bewegung beziehen. Ein gemeinsames Vermögen des Netzwerkes gebe es nicht, sagt er, weshalb er auch keine konkreten Zahlen nennen könne. Man sei schließlich nur lose miteinander verbunden und handle dezentral."Hizmet finanziert sich über eigenständige Vereine, die lokal entstanden sind. Von daher finde ich es auch ganz normal, dass sie ihre eigene Finanzierung haben. Sie haben ihre Mitglieder, sie haben ihre Sponsoren, sie haben ihre Spender und sind eigenverantwortlich für ihre Arbeit sozusagen. Und das, was sie dann erreichen müssen, ist, dass sie das Vertrauen der Spender gewinnen."

 

Grundzüge der Gülen-Bewegung

 

Schaut man sich die ethischen Handlungsimpulse der Gülen-Bewegung an, sieht man, dass sie sich aus dem Koran, aus den Handlungen des Propheten Mohammad sowie aus den Schriften des osmanisch-türkischen Sufi-Gelehrten Said Nursi ableiten. Konkret spielen drei Begriffe eine zentrale Rolle. Sie stammen alle aus dem Türkischen. Da ist als Erstes Müspet Hareket. Dies bedeutet so viel wie positives, konstruktives Handeln. Denn wichtiger, so heißt es, als über die Dunkelheit zu klagen, sei ein Licht aufzustellen. Der zweite Begriff ist Ihlas. Hiermit ist die innere Aufrichtigkeit des Handelns gemeint, die Reinheit der Intention. Der dritte Begriff lautet Allah rizasi: Das Wohlwollen Gottes, wie Eyüp Besir sagt."Also, Allah rizasi oder das Wohlwollen Gottes ist für einen gläubigen Muslim natürlich das Höchste der Ziele. Und wir glauben, dass der Dienst an den Menschen auch der Dienst an Gott ist. Das ist halt die religiöse Motivation, warum ich persönlich jetzt mich für die Gesellschaft einsetze."Die genannten Begriffe Müspet Hareket, Ihlas und Allah Rizasi beschreiben die individuelle, nach innen gerichtete Perspektive der Hizmet-Bewegung. Ergänzt werden sie durch eine gesellschaftlich-politische Perspektive. Diese zeigt sich vor allem durch ihr Engagement in Dialoggruppen und interreligiösen Foren, wie Ercan Karakoyun darlegt."Also im Dialogbereich sieht das dann zum Beispiel so aus, dass sich Menschen mit Andersgläubigen treffen, dass sie Plattformen ausbilden, wo Juden, Christen, Muslime, Buddhisten, Atheisten und Aleviten auch zusammenkommen, wo sie sich austauschen und wo sie sozusagen einen Dialog starten. Wo sie sich gegenseitig kennenlernen. Und das versucht man dann zu erreichen durch unterschiedlichste Aktivitäten, die organisiert werden, wie zum Beispiel Konferenzen, Tagungen oder auch wie in Berlin, wo beispielsweise Juden, Christen und Muslime gemeinsam ein gemeinsames Bet- und Lehrhaus aufbauen werden."

 

Prominente Unterstützung für Hizmet

 

Ziel der Hizmet-Bewegung ist es, nicht nur eine zahlenmäßig große und gut gebildete Öffentlichkeit anzusprechen, sondern auch Kontakte zu prominenten Repräsentanten aus Politik und Religion aufzubauen und diese für die eigenen Projekte zu gewinnen. So sind beispielsweise im Beirat des Forum für Interkulturellen Dialog in Berlin der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel sowie der Direktor des Abraham-Geiger-Kollegs der Uni Potsdam, Rabbiner Walter Homolka. Diese Kontakte haben die Gülen-Anhänger zu einer der größten und einflussreichsten Gruppen mit türkisch-islamischem Hintergrund in Deutschland gemacht. Entsprechend sagt Professor Joachim Valentin, der Direktor des katholischen Zentrums Haus am Dom in Frankfurt an Main:"Von der Struktur her ist die Gülen-Bewegung eine solide arbeitende, große und nicht zu unterschätzende Gruppe in Deutschland türkischer Herkunft, die mit Multiplikatoren arbeitet, die sehr viele junge Studierende in ihren Reihen hat. Wenn man so will: eine Kaderschmiede der aufstiegswilligen türkischen Migranten islamischen Glaubens."Immer wieder ist Kritik an der Hizmet-Bewegung zu vernehmen. Zwar sei das Netzwerk keineswegs gefährlich, so heißt es, allerdings trete es oft in irritierender Weise mit unterschiedlichen Gesichtern auf. Und das bedürfe einer Klärung, sagt Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin."Die Bewegung agiert intransparent. Das heißt, nach außen wird eben diese Offenheit und der Dialog interkulturell und so weiter gestellt, nach innen ist es ein doch straff, auch hierarchisch organisierte Bewegung, die ganz klare religiöse Ziele hat und das auch formuliert. Also wenn man die Schriften zur Kenntnis nimmt – es ist nur die Frage, wer das tut?"Noch deutlicher formuliert es der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban. Für ihn gehört die Gülen-Bewegung zum politischen Islam. Sie unterscheide sich zwar von der dort üblichen Parteiarbeit islamistischer Organisationen, verfolge aber letztlich ähnliche Ziele:"Der Dienst am Menschen bei denen bedeutet auf keinen Fall Nächstenliebe, wie wir das im Christentum verstehen, sondern das Heil der Menschen - wie im klassischen Islam - findet man erst dadurch, dass man in diesem Leben die Sharia-Vorschriften einhält. Und das ist etwas, was Gülen selber sagt und das ist keine Interpretation. Ihr Ziel ist es, langfristig einen Shariastaat zu errichten genau wie die andern."Ist für die dialogfreudige Gülen-Bewegung wirklich das islamische Gesetz die eigentliche Messlatte? Will sie tatsächlich die Sharia einführen? Konfrontiert man ihre führenden Mitglieder mit diesen Fragen, so fällt die Antwort relativ kurz aus wie bei Eyüp Besir, dem Vorstandsmitglied des Forum für Interkulturellen Dialog in Frankfurt:"Also das Wort oder das Thema Sharia ist innerhalb der Hizmet-Bewegung eigentlich kein Thema. Weil schon Nursi vor hundert Jahren gesagt hat: Es ist viel wichtiger, dass der Mensch moralisch und ethisch sich entwickelt."Dennoch hält Ralph Ghadban seine Kritik aufrecht. Die Hizmet-Bewegung, sagt er, wolle weniger einen Dialog und Brückenschlag zwischen den Religionen als vielmehr ihr eigenes islamisches Gedankengut in die Gesellschaft bringen."Hizmet bedeutet nach Fethullah Gülen der Dienst an den Menschen. Und der findet erst statt, wenn man ihnen den Islam beibringt oder sie dazu bewegt, nach den Vorschriften der Sharia zu handeln. Damit erreichen sie ihr Seelenheil, das heißt: Die Bewegung ist im Grunde genommen im wesentlichen eine missionarische Bewegung."Dass sie missionieren wollen, bestreiten aber die Anhänger des islamischen Predigers. Gerade mit Blick auf die zahlreichen Schulen der Gülen-Bewegung gebe es überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, entgegnet Ercan Karakoyun, der Vorsitzende der Berliner Stiftung Dialog und Bildung:"Es hat bisher keinen einzigen Fall gegeben, wo zum Beispiel Eltern sich beschwert haben sollen, dass irgendwelche Kinder konvertiert sein sollen. Das heißt: Das ist für mich eigentlich ein Zeichen dafür, dass es da nicht um Islamisierung geht, sondern einfach um die Vermittlung von Wissen."

 

Lichthäuser sind umstritten

 

Allerdings wollen gewisse Hinweise nicht verstummen, dass zu den Aktivitäten der Bewegung auch eine gezielte islamische Indoktrination gehört. Diese soll zwar nicht in den Schulen stattfinden, wohl aber in Einrichtungen, die mit den Schulen in Verbindung stehen und für Nichtmuslime im Grunde genommen unzugänglich sind: den sogenannten Lichthäusern. Ercan Karakoyun hält diese Behauptung für überzogen:"Also Lichthäuser, das ist eine Metapher, die Gülen mal in den 70er-Jahren in einer seiner Predigten verwandt hat, um zu beschreiben, dass Menschen, wenn sie in ihrer Wohnung Gott predigen sozusagen, dass dort dann auch Gott auch dort anwesend ist. Also auch ein Prinzip, das auch im Christentum und auch im Judentum überhaupt nicht unbekannt ist. Heute, würde ich sagen, sind das ganz normale WGs, in denen junge Muslime zusammenwohnen, die gemeinsam beten, wie es im Islam üblich ist. Die gemeinsam dann über bestimmte Themen diskutieren und, natürlich, dem gemeinsamen Bildungsideal Hizmets entsprechend auch, sich versuchen für die Gemeinschaft zu engagieren."Trotz dieser Erklärungen aber herrscht unter Experten, die sich intensiv mit der Gülen-Bewegung auseinandergesetzt haben, nach wie vor Diskussionsbedarf. Es würden nämlich, sagt Friedmann Eißler von Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, nach wie vor einige Irritationen bestehen in Bezug auf die Position Gülens und seiner Anhänger zu den Werten der modernen Gesellschaft:"Das betrifft etwa das Verständnis von Demokratie, von Religion und Politik oder Gewaltenteilung etwa, und das betrifft auch individuelle Menschenrechte etwa wie die Religionsfreiheit."Hauptkonfliktpunkt hierbei ist vor allem das Problem der Apostasie – des sogenannten Abfalls vom Glauben. Denn immer wieder stellen Kritiker die Frage, ob sich Fethullah Gülen und die Hizmet-Bewegung tatsächlich und uneingeschränkt für das Recht auf eine freie Religionswahl aussprechen. Anlass hierzu war eine Äußerung des islamischen Gelehrten, die sich in seinen Werken findet und Zweifel an dieser Haltung aufkommen lässt, da er dort Apostasie mit Hochverrat vergleicht. Ercan Karakoyun hält diesen Fall für geklärt:"Also in Bezug auf Apostasie zum Beispiel sehe ich ganz klar, dass Gülen für die Religionsfreiheit ist. Das hat er in zahlreichen Interviews ganz klar beantwortet, und hat sich ganz klar dafür ausgesprochen, dass jeder Mensch seine Religion wechseln kann, wie er will."Zudem wird auf das Anfang Oktober in deutscher Sprache erschienene Buch des Predigers mit dem Titel "Was ich denke, was ich glaube" hingewiesen, in dem der islamische Gelehrte sich ebenfalls uneingeschränkt für die Religionsfreiheit stark macht. Dieser Hinweis will Friedmann Eißler jedoch nicht überzeugen. Denn nach wie vor, so sagt er, seien auch ältere Schriften Fethullah Gülens mit anderen Inhalten im Umlauf:"Wenn die Anhängerinnen und Anhänger sagen, Gülen versteht das aber heute ganz anders, dann darf es meines Erachtens nicht auf Deutsch unkommentiert in Offenbach 2012 und 2013 gedruckt werden und verbreitet werden, das heißt, die Positionen, die dort zu lesen sind, die sollen ja doch auch Fuß fassen in Deutschland."Ercan Karakoyun wiederum will diese Argumentation nicht akzeptieren. Denn er wittert hinter der Position Eißlers eine gewisse Haarspalterei und fordert deshalb mehr Augenmaß in der Auseinandersetzung."Es ist nicht fair, wenn man Zitate aus dem Zusammenhang reißt. Das heißt: Ein Gülen kann natürlich in den 60er-Jahren Sachen gesagt haben über bestimmte Themen, die heute nicht mehr gültig sind. Was ich da verlange, ist, dass sich die Kritiker den Werken Gülens nicht wie Salafisten nähern, das heißt, nur das Wort sehen, sondern dass sie verstehen, dass das Ganze auch in einem Umfeld, in einer Region, in einer bestimmten Zeit veröffentlicht wurde."

 

Diskussion um Aussagen Gülens

 

Dass gewisse, heute diskussionsbedürftige Aussagen Gülens in ihren inhaltlichen wie zeitlichen Zusammenhängen zu sehen sind, bestreitet Friedmann Eißler nicht. Es sei aber zu wenig, sagt er, wenn Ercan Karakoyun die Schwierigkeiten alter, problematischer Passagen aus dem Werk Gülens mit dem Hinweis auf aktuelle Interviews des Gelehrten als im Grunde genommen erledigt erklären wolle."Das ist für mich Teil eben der Intransparenz. Ich frage, warum wird dann zur gleichen Zeit Material auf Deutsch gedruckt eben nicht revidiert und nicht kommentiert, das dem entgegen steht. Ich sehe eine Diskrepanz. Schauen Sie in die die Koranausgabe des Ali Ünal mit der Kommentierung. Das ist haarsträubend, was da steht zur Polygamie, zur charakterlichen Schwäche der Frau, die die Unterstützung des Mannes braucht - und das ist die Ausgabe, die groß beworben wurde und breite Verwendung in der Bewegung findet."Mit seinem Vorwurf, die Bewegung agiere intransparent, ist Friedmann Eißler mittlerweile nicht mehr alleine. Auch von anderen Personen, die Hizmet durchaus mit Offenheit gegenüber stehen, ist immer öfter zu vernehmen, sie möge zu Fragen hinsichtlich der eigenen Struktur und Vorgehensweise unmissverständlich Position beziehen. So lässt derzeit beispielsweise Professor Joachim Valentin, der Direktor des katholischen Zentrums Haus am Dom in Frankfurt, als Zeichen des Protests sein Mandat im Beirat des Forums für Interkulturellen Dialog Hessen ruhen. Er spricht von Verschleierungsmanövern der Hizmet-Bewegung und fordert:"Bitte beantwortet die Fragen bezüglich der Lichthäuser, bezüglich der Geschlechtertrennung, bezüglich der angeblichen ideologischen Indoktrinierung von jungen Menschen, aber auch, was die Offenlegung eurer internen Organisationsstruktur angeht. Wer hat bei euch eigentlich das sagen, wie kommuniziert ihr untereinander, woher kommt das Geld? All diese Fragen sind im Grunde bis heute nicht schlüssig beantwortet. Und das waren Gründe für mich, hier dieses Zeichen zu setzen."Inzwischen sind auch wohlwollende Politiker wie Rita Süßmuth und Omid Nouripour auf Distanz zur Gülen-Bewegung gegangen. Die ehemalige Bundestagspräsidentin der CDU und der Außenpolitiker der Grünen haben beide – wie Joachim Valentin – ihre Mandate in den Beiräten der Foren für Interkulturellen Dialog ruhen lassen. Rita Süßmuth in Berlin, Omid Nouripour in Hessen. Ob diese Schritte etwas in der Hizmet-Bewegung ausgelöst haben, ist bislang nicht bekannt. Ercan Karakoyun gibt sich aber nachdenklich:"Ich glaube, dass wir eine sehr schwer verständliche Bewegung sind. Weil wir sind zum einen muslimisch. Dann sind wir Türkei-stämmig. Diese Faktoren machen sehr schwierig, Hizmet zu verstehen. Und das, was wir halt erreichen müssen, ist wirklich, auf die Leute zuzugehen, Hizmet zu erklären. Wir müssen die Menschen in die Schulen einladen. Wir müssen die Menschen in die Nachhilfezentren einladen. Wir müssen die Menschen in unsere Vereine einladen, damit sie sehen, dass das Institutionen sind, die wichtige Beiträge im Bildungsdialog und im Bereich des Zusammenlebens in Deutschland leisten."Es bleibt also abzuwarten, ob es in absehbarer Zeit gelingt, die bestehenden Probleme zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen. Dabei geht es keineswegs um die Verurteilung von Personen und Gruppen, sondern um klare Antworten auf drängende Fragen. Dies heißt aber nicht automatisch, dass diese Klärung auch ein schmerzfreier Prozess wird – unterstreicht abschließend Friedmann Eißler:"Es bedarf keiner Stigmatisierung und keiner Abgrenzung. Es ist keine gefährliche Bewegung, die sozusagen abgelehnt werden muss. Wir brauchen aber hier Anstöße von außen. Auch Kirchen haben sich gelegentlich nur unter Schmerzen und Schwierigkeiten bewegt auf deutliche Anstöße von außen."*

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  • 3 Monate später...

Erdoğan und Putin schließen Bündnis gegen Gülen-Bewegung

 

Deutsch Türkische Nachrichten**|**22.04.15, 14:54Erdoğan und Putin sehen die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen als Sicherheitsbedrohung. Deshalb wollen die die Bewegung gemeinsam bekämpfen. Ein ehemaliger FBI-Berater sagt, dass die CIA und die Gülen-Bewegung kooperieren.Themen:*Bewegung,*CIA,*Erdogan,*FBI,*Fethullah Gülen,*Islam,*Islamismus,*Lehrer,*Putin,*Russland,*Schulen,*Türkei,*USA,VerbotPremierminister Recep Tayyip Erdoğan und Präsident Wladimir Putin sind sich in vielerlei Hinsicht einig. (Screenshot via Youtube)Die Gegner des islamischen Predigers Fethullah Gülen mehren sich. Der türkische Premier Erdoğan soll sich deshalb bei einem Russland-Besuch im vergangenen Jahr mit Präsident Putin auf die Bekämpfung Gülens geeinigt haben.Der russische Politologe Vitaly Naumkin schreibt in einem Beitrag von*Al-Monitor:„Paradoxerweise ist es die gemeinsame negative Einstellung gegen die Aktivitäten Fethullah Gülens, die die Annäherung zwischen Russland und der Türkei gefördert hat.“Die Schulen des islamischen Predigers wurden in Russland 2002 geschlossen. Auslöser war ein schwerwiegender Vorwurf, den der Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation (FSB) als erwiesen ansah. Die Mitglieder der Gemeinde sollen für die CIA spioniert haben. Der ehemalige FBI-Berater Paul L. Willams sagte im März 2014 der*Zeitung Akşam, dass die CIA die Aktivitäten der Gülen-Bewegung in Zentralasien unterstützt habe.Die Bewegung sollte die muslimischen Staaten Zentralasiens politisch und wirtschaftlich erschließen. Doch der eigentliche Urheber dieser Idee sei der US-Geostratege Zbigniew Brzezinski gewesen. Deshalb seien die Schulen des islamischen Predigers in der Russischen Föderation und in der Ukraine geschlossen worden. In der Türkei sollen die Schulen ab dem 1. September 2015 geschlossen werden (mehr*hier).Aktuell sollen weltweit 130 Gülen-Gefolgsleute für die CIA arbeiten, sagte Williams. Das Vermögen der Bewegung belaufe sich auf 50 Milliarden US-Dollar. Doch Gülen werde letztendlich vom US-Geheimdienst ausgenutzt.In Bezug auf die türkische Politik sagt Williams, dass die Bewegung versuche, die CHP gegen die AKP aufzubauen. Dieser Kurswechsel sei auf der Farm des islamischen Predigers in Pennsylvania festgelegt worden. Das US-Außenministerium unterstütze die Bewegung in ihrem Vorhaben.Bemerkenswert ist, dass Williams im Akşam-Interview explizit die CIA -und nicht das FBI – als Kooperationspartner der Bewegung nennt. Offenbar gibt es innerhalb der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden unüberbrückbare Differenzen.

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  • 7 Jahre später...

Gülen-Bewegung

 

Das islamistische Netzwerk

 

Von*RÜDIGER SOLDT

 

08.08.2016*•Die Gülen-Bewegung ist in fast allen großen deutschen Städten vertreten, betreibt dort Schulen und Wohnheime. Nach außen gibt sie sich säkular und offen – ihre Ziele sind ganz andere.

 



 



 

 

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©*REUTERS/BEARBEITUNG F.A.S., F.A.S.

 

Wie viel Einfluss hat die Bewegung des Predigers Gülen in Deutschland?

 

Wer die Anhänger der Gülen-Bewegung treffen will, muss nicht in eine Hinterhof-Moschee gehen. In Stuttgart reicht es, die Calwer Straße in der Innenstadt aufzusuchen, eine Parallelstraße zur Haupteinkaufsstraße. Dort residiert die „Gesellschaft für Dialog“. In einem Konferenzraum empfängt Burak Alpertonga, 31 Jahre alt, gelernter Vermessungsingenieur; er ist der Geschäftsführer der Gesellschaft. Die Einrichtung ist neutral gehalten, kein Halbmond an der Wand, kein Koran in der Glasvitrine.

 

Stattdessen ein schlichtes Rednerpult und Gegenwartskunst. Dass es sich bei der zur Gülen-Bewegung gehörenden Gesellschaft um eine islamische Organisation handelt, ist nicht zu erkennen. Kein Wunder, denn die Gülen-Bewegung ist stets auf ein weltanschaulich neutrales Auftreten bedacht. In ihren Schulen gibt es statt Religions- nur Ethikunterricht.

 

Alpertonga zeigt ein paar abfotografierte Tweets: „Feto wird gehängt“ und „Feto-Bastarde – sterbt, ihr Hurensöhne.“ Feto, das ist*Fethullah Gülen. Seit dem Militärputsch in der Türkei, für den die Regierung den Prediger verantwortlich macht, werden dessen Anhänger beschimpft.

 

Die Auseinandersetzung zwischen der islamistischen AKP Erdogans und der ebenso islamistischen Gülen-Bewegung findet seit Wochen mitten in Deutschland statt. Alpertonga spricht von „schwarzen Listen“ und „Drangsalierung“, um dann schnell auf das Thema Dialog zurückzukommen. „Wir wollen, dass man sich begegnet, toleriert, versteht, das gelingt nur durch Dialog und Bildung“, sagt er.

 

Positives Bild in der Öffentlichkeit

 

Nach einer Studie des Politikwissenschaftlers Hakan Yavuz soll Gülen weltweit einen Stab von dreißig engen Mitarbeitern und etwa 5000 hauptamtlichen Regionalverantwortlichen haben. Die Gülen-Bewegung unterhält in Deutschland keine Moscheen, sie ist auch nicht Mitglied in islamischen Verbänden. Sie wirkt öffentlich vor allem über Bildungseinrichtungen und nichtöffentlich über Lesekreise und die Familien.

 

 

©*PICTURE-ALLIANCE, F.A.S.

 

Seit dem Putschversuch von der Polizei bewacht: Die türkische Bil-Schule steht der Gülen-Bewegung nahe.

 

Sie übt Einfluss über 24 staatlich anerkannte Privatschulen aus, es gibt etwa 300 Vereine und mindestens 150 Nachhilfevereine, die zur Gülen-Bewegung gehören. Zudem veranstaltet sie sogenannte Pangea-Mathematikwettbewerbe, deutsch-türkische Kulturolympiaden – und verleiht gleich dutzendweise Preise, wenn aus ihrer Sicht der interkulturelle Dialog gelungen ist. Das produziert ein positives Bild in der Öffentlichkeit. Einen Unternehmerverband und ein jährliches Kulturfestival hat die Gülen-Bewegung in Stuttgart auch noch aufgebaut.

 

In fast allen großen deutschen Städten gibt es Koran-Lesekreise und sogenannte Lichthäuser. Das sind Wohngemeinschaften, in denen Studenten gemeinsam den Koran und Gülens Schriften lesen. So wird der Nachwuchs rekrutiert. Auch Alpertonga hat in Schorndorf in einem solchen Lichthaus gewohnt. „Mein Vater hat mir das empfohlen, ich war auf der Suche nach Gleichgesinnten, wir haben gemeinsam gebetet und gemeinsam Gülens Bücher gelesen.“

 

„Islamisierung durch Bildung“

 

In den Wohngemeinschaften soll nach den Vorstellungen Gülens eine Avantgarde gut ausgebildeter junger Menschen heranwachsen, eine „goldene Generation“, die den Menschen später wahrhaftige spirituelle Werte und eine wissenschaftliche Bildung vermittelt. Kritiker sprechen von einer „Islamisierung durch Bildung“ und monieren die Intransparenz der Bewegung. Einige deutsche Politiker dagegen loben den Einsatz der Gülen-Anhänger für Bildung und Integration.

 

Burak Alpertonga ist jedenfalls den klassischen Weg eines Gülen-Schülers gegangen: Sozialisation im Lichthaus, gute akademische Ausbildung, schließlich die berufliche Tätigkeit als Funktionär. Die Frage, warum er sich nicht für einen gutbezahlten Job als Vermessungsingenieur beworben hat, beantwortet er so: „Die Dialogarbeit ist für mich sehr bereichernd. Ich fühle mich sehr wohl. Es gibt sehr viele gute Freundschaften.“ Derzeit bietet die Stuttgarter Dialog-Gesellschaft aber gar keine Veranstaltung an, und in den Büroräumen stapeln sich nicht gerade die Akten.

 

SPD überrepräsentiert

 

Im Flur hängen Bilder, die Begegnungen von Gülen-Funktionsträgern mit wichtigen Politikern des Landes dokumentieren sollen. Ein Foto zeigt den baden-württembergischen MinisterpräsidentenWinfried Kretschmann*in seinem Amtszimmer. Auf anderen Fotos sind der frühere Wirtschaftsminister Nils Schmid und der frühere Oberbürgermeister von Stuttgart Wolfgang Schuster zu sehen.

 

Sozialdemokraten sind auf den Fotos deutlich überrepräsentiert, was daran liegt, dass Gülens Bildungsgedanke zum sozialdemokratischen Aufstiegsgedanken passt. Auch der frühere Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion*Claus Schmiedel*ist auf einem Foto abgebildet. Er sitzt sogar im Beirat der „Gesellschaft für Dialog“, erinnert sich aber auf Nachfrage an keine Beiratssitzung.

 

Politiker haben die Gülen-Bewegung viele Jahre mit großer Sympathie oder zumindest Indifferenz behandelt. Große Sorgen über eine Infiltration der Gesellschaft hierzulande, wie sie die Gülen-Bewegung in der Türkei betreibt, gibt es unter deutschen Politikern nicht. Denn auch für diese ist es schwer zu beurteilen, ob es sich um eine islamistische Sekte oder eine verdienstvolle Bildungsorganisation handelt.

 

Ordnung nach den Vorstellungen Mohammeds

 

Das liegt daran, dass es keine wahrnehmbare Organisationsstruktur gibt, sondern die assoziierten Familien eine Art informelles Netzwerk bilden. Manche beschreiben die islamische Gesinnungsgemeinschaft als Mischung aus „Super-Lions-Club“ und „religiöser Studentenverbindung“.

 

Vor zwei Jahren haben der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta und der Grünen-Landtagsabgeordnete Jörg Fritz begonnen, zur Arbeit der Gülen-Bewegung kritische Fragen zu stellen. Ergebnis war auch ein Prüfbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz, der herausfinden sollte, ob es „Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ der Gülen-Bewegung gibt.

 

Das Ergebnis lautete: In den Veröffentlichungen und Predigten Gülens gebe es inhaltliche Aussagen, die mit wichtigen Elementen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kollidierten. Weil der Islam nach Gülens Vorstellung die umfassende Lebensordnung der Welt ist, vertrage sich seine Lehre nicht mit dem Prinzip der Volkssouveränität. Und wenn Gülen verlange, dass die politische, religiöse und soziale Ordnung nach den Vorstellungen Mohammeds errichtet werde, sei dies mit dem Prinzip der Gewaltenteilung ebenso nicht kompatibel, so die Verfassungsschützer.

 

Moderne Prediger

 

Weil es aber keine Anhaltspunkte für ein „ziel- und zweckgerichtetes Vorgehen“ der Bewegung zur Beseitigung von Verfassungsgrundsätzen gebe, seien die Voraussetzungen für eine nachrichtendienstliche Beobachtung nicht vorhanden.

 

Der Widerspruch zwischen dem säkularen Auftreten der Gülen-Funktionäre in den Schulen oder Vereinen einerseits und den intransparenten, jenseits der Öffentlichkeit stattfindenden Koran-Auslegungen andererseits fällt nicht nur den Fachleuten des Verfassungsschutzes auf. Auch ehemalige Gülen-Mitglieder berichten von einer Außen- und einer Innenwelt der Bewegung. Der Unternehmer Mutlu D. gehört zu diesen Aussteigern.

 

20 Jahre unterstützte er den heute in den Vereinigten Staaten lebenden Prediger. „Am Anfang habe ich gedacht, Bildung und Dialog, was kann es denn Besseres geben“, sagt Mutlu D. Er habe ein erfolgreiches Unternehmen gegründet, deshalb hätten sich Gülens Leute am Anfang intensiv um ihn bemüht. „Die kamen ins Geschäft zu mir und haben mich sehr umworben.“ Gülen habe moderne Prediger geschickt: „Die trugen Anzug und Krawatte. Es waren gute Rhetoriker, die über türkischen Nationalstolz und den Islam gesprochen haben.“ Einmal in der Woche habe man sich in einer Privatwohnung getroffen.

 

5000 Mitglieder in Mannheim

 

Es sei immer sehr gut organisiert gewesen: „Besser als der Staat, das kann Gülen nicht mit ein paar Leuten machen.“ Mutlu D. schätzt, dass es derzeit allein in Mannheim zehn bis 15 Mitarbeiter gibt, die hauptamtlich für den Prediger arbeiten, insgesamt habe die Organisation in der Stadt etwa 5000 Mitglieder und es gebe 20 Lichthäuser für Studenten.

 

„Die Wellenlänge bei diesen privaten Treffen sollte immer stimmen, man hat den Großintellektuellen nicht mit dem Bauarbeiter zusammengebracht.“ Wichtig seien die „großen Brüder“, die Agabey, in den Lesezirkeln gewesen. Häufig habe es auch Treffen in der Mannheimer Redaktion der Zeitung „Zaman“ und in den studentischen Gülen-Wohngemeinschaften gegeben.

 

 

©*DPA, F.A.S.

 

Fethullah Gülen in seiner Wohnung in Saylorsburg, Pennsylvania

 

„Die Studenten mussten uns bis spät in die Nacht bedienen und Tee kochen, diese neue Generation, die dort herangewachsen ist, wird Gülen noch sehr weit bringen“, sagt Mutlu D. Sogar im Ausland, etwa auf einer Messe in Mailand, sei man von Gülens Leuten bestens betreut worden.

 

Sektenähnlicher Charakter

 

Vor ein paar Jahren sei er dann in Ankara gewesen, ein Gülen-Mann habe ihm dort gesagt, dass man den Geheimdienst schon unter Kontrolle habe, wenn man an der Macht sei, gebe es auch für ihn einen Posten. Da sei er nachdenklich geworden und habe den Entschluss gefasst, dieser Bewegung den Rücken zu kehren. „Dann kamen viele Anrufe und SMS, mit denen ich bedrängt wurde, doch zu bleiben.“

 

Die Erzählungen von Mutlu D. sprechen für den sektenähnlichen Charakter der Gülen-Bewegung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta sieht das ähnlich: „Es ist sehr schwer, über die Arbeit der Gülen-Bewegung aufzuklären. Ich hatte schon Veranstaltungen, zu denen neben den normalen Besuchern viele Gülen-Leute kamen, die dann durch ihre Wortbeiträge versuchten, vom eigentlichen Thema abzulenken, sie reden immer ellenlang über Bildung und Dialog, gehen aber nie auf die eigentlichen Kritikpunkte ein: das strukturkonservativ-orthodoxe Islamverständnis, die mangelnde Transparenz bei der Finanzierung oder das, was in den Lichthäusern passiert.“

 

„Tarnmantel von Bildung und Dialog“

 

Es sei eine Illusion, so Lasotta, zu glauben, dass die Gülen-Bewegung ein liberaleres Islamverständ

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Erdoğans lange Liste

 

Im Gegensatz zum Mutterblatt kann die Deutschland-Ausgabe der „Zaman“ nicht von der Türkei verboten werden. Doch der Druck Ankaras ist groß.VON PASCAL BEUCKER

 

 

Vom türkischen Staat beschlagnahmt: die Zentrale der Zeitung „Zaman“ in Istanbul*Foto:* dpa

 

BERLIN*taz*| In der Berliner Deutschland-Redaktion der Zeitung*Zaman*versuchen die RedakteurInnen, sich auf ihren Job zu konzentrieren. Das fällt schwer. Wie lange die in Deutschland erscheinende Ausgabe der einst größten türkischen Tageszeitung noch erscheinen kann, ist ungewiss.

 

„Unsere Leser werden von Erdoğan-nahen Aktivisten unter Druck gesetzt“, berichtet Chefredakteur Dursun Çelik. „Wer mit unserem Blatt gesehen wird, muss damit rechnen, bei den türkischen Behörden denunziert zu werden.“

 

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Bis sie im März unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt wurde, galt dieZaman*mit einer offiziellen Auflage von über einer halben Million Exemplaren als das publizistische Flaggschiff der Gülen-Bewegung in der Türkei. Nach der Gleichschaltung des Mutterblattes machte sich die Redaktion in Deutschland selbstständig.

 

Der türkischen*Zaman*hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan per Notstandsdekret am Mittwochabend den endgültigen Todesstoß versetzt. Auf seiner Schließungsliste, die im türkischen Amtsblatt*T. C. Resmî Gazeteveröffentlicht wurde, stehen noch 44 weitere Zeitungen, 15 Zeitschriften, drei Nachrichtenagenturen, 16 Fernsehstationen und 23 Radiosender.

 

Betroffen sind neben lokalen Medien unter anderem die Tageszeitungen*Yarına Bakış,*Yeni Hayat*und*Taraf*sowie die NachrichtenmagazineAksiyon*und*Nokta.*Verboten wurden kurioserweise auch Zeitungen, die bereits nicht mehr existieren, wie die im Februar eingestellten Titel*Bugün*und*Millet.

 

„Jene privaten Funk- und Fernsehunternehmen sowie Zeitungen und Zeitschriften als auch Verlage und Distributionskanäle, die der terroristischen Gülen-Bewegung angehören, mit ihr in Verbindung stehen oder sich in ihrer Haftung befinden und deshalb eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen, werden geschlossen“, heißt es in dem vom Ministerrat abgesegneten Erlass Erdoğans. Ihr Vermögen wird konfisziert, Immobilien beschlagnahmt.

 

Zuvor waren am Mittwoch bereits Haftbefehle gegen 47 ehemalige MitarbeiterInnen der*Zamanerlassen worden. „Regierung und Justiz der Türkei haben in ihrem Eifer, Kritiker auszuschalten, offensichtlich jedes Maß verloren“, kritisierte der „Reporter ohne Grenzen“-Geschäftsführer Christian Mihr.

 

Aus der Türkei bekommt die Berliner*Zaman-Redaktion inzwischen kaum mehr Beiträge. Von sieben Journalisten, die vor Ort berichtet hatten, sind nur noch zwei aktiv. Die anderen hätten schlichtweg Angst, berichtet Chefredakteur Çelik.

 

Noch etwa 14.000 AbonnentInnen bekommen die deutsche*Zaman*täglich. Doch seit dem gescheiterten Putschversuch und der Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei werden es beinahe stündlich weniger. Mehr als 500 Kündigungen gab es bis jetzt. Nach Angaben von CNN Türk hat der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Donnerstag nun auch noch von Deutschland die Auslieferung von Gülen-Anhängern gefordert. Die Auflage dürfte weiter bröckeln.

 

„Es macht mich fassungslos, wie weitreichend die Auswirkungen des Ausnahmezustands in der Türkei sind und wie weit sie sogar nach Deutschland reichen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, der taz. Die Bundesregierung müsse endlich mit deutlichen Worten Partei für die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei ergreifen.

 

Taz 29.07.2016

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24.07.2016

 

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Das Gülen-Netzwerk: Eine CIA-Kreation zur besseren Kontrolle der islamischen Welt

 

F. William Engdahl

 

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli wurde in den Medien viel darüber spekuliert, ob nicht möglicherweise der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan selbst dahinterstecke, weil der Putsch ihm den Vorwand liefert, den Ausnahmezustand auszurufen und alle Gegner seiner Politik einzusperren. Gegenwärtig deutet vieles darauf hin, dass dies keineswegs der Fall ist. Tatsächlich handelt es sich um einen vom amerikanischen Geheimdienst CIA initiierten Putschversuch, bei dem sich die CIA ihres wichtigsten Aktivpostens in der Türkei, des Netzwerks von Fethullah Gülen, bediente. Er hatte sich vor einigen Jahren der Strafverfolgung in der Türkei durch Flucht entzogen.

 

 

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Analysiert man genauer, »was« Fetullah Gülen eigentlich ist, so entdeckt man schnell, dass es sich hier mitnichten um einen großväterlich wirkenden, moderaten 75-jährigen Gelehrten und islamischen Prediger handelt. Seine Netzwerke wurden von Islamexperten als die gefährlichste Bewegung in Deutschland bezeichnet und wurden in verschiedenen zentralasiatischen Ländern verboten.i*Nun soll die Gülen-Bewegung auch in der Türkei laut einer Kabinettsentscheidung als »Terrorgruppe« eingestuft werden. Immer mehr zeichnet sich ab, dass es sich bei dem gescheiterten Putschversuch offenbar um einen Testballon der Gülen-Führungsoffiziere aus Langley handelt, um zu sehen, wie Erdoğan auf eine solche Situation reagieren würde. Washington war mit der außenpolitischen Wende Erdoğans, der eine Wiederannäherung an Russland und möglicherweise sogar an den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ins Auge fasste, überhaupt nicht einverstanden.

 

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Bei Fethullah Gülen geht es weniger um die Frage, »wer«, sondern »was« er ist. Und dieses »was« ist eines der ausgedehntesten und ausgeklügelsten Netzwerke zur Ersatzkriegsführung, das jemals von der amerikanischen Geheimdienstgemeinschaft geschaffen wurde. Es ist in zahlreichen Ländern wie den USA und Deutschland sowie in den geschichtlichen Siedlungsregionen der Türken und Turkvölker in Zentralasien aktiv, die sich von der Türkei bis zum Volk der Uiguren in der erdölreichen chinesischen Autonomen Provinz Xinjiang erstrecken.

 

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Das Spinnennetz des Fethullah Gülen

 

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Die folgende Darstellung basiert auf Recherchen für mein Buch*Amerikas heiliger Krieg – Was die USA mit dem »Krieg gegen den Terror« wirklich bezwecken.*Zur Einstimmung ein Zitat aus einer Rede Gülens, die er in den 1990er-Jahren vor Anhängern hielt, als er noch in der Türkei lebte:

 

»Ihr müsst in die Arterien des Systems eindringen, ohne dabei bemerkt zu werden, bis ihr in alle Schaltstellen der Macht vorgedrungen seid … Ihr müsst bis zu dem Moment warten, da ihr genug seid und die Lage reif ist, bis wir die gesamte Welt auf unsere Schultern nehmen und tragen können … Ihr müsst warten, bis der richtige Moment gekommen ist, bis ihr alle staatliche Macht … in der Türkei … in Händen haltet … Bis zu diesem Zeitpunkt wäre jeder Schritt voreilig. Es wäre so, als zerbräche man ein Ei, ohne die 40 Tage zu warten, bis das Küken schlüpft.«

 

Noch als die CIA die arabischen Mudschahedin (»Gotteskrieger«) Osama bin Ladens in den 1990er-Jahren in Tschetschenien und dem Kaukasus einsetzte, begann sie auch in Zusammenarbeit mit einem Netzwerk selbsternannter »Neokonservativer« in Washington, ihr bisher ehrgeizigstes Vorhaben im Zusammenhang mit dem politischen Islam zu verwirklichen.

 

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Dieses Projekt wurde als »Gülen-Bewegung« bezeichnet, in der Türkei ist sie als »Cemaat« oder »Die Gesellschaft« bekannt. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist Hizmet, was sie als »Dienst« an der islamischen Gemeinschaft versteht. Interessanterweise wird diese türkische Bewegung seit 17 Jahren von einem kleinen Ort namens Saylorsburg im amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania aus gesteuert. Von dort aus baute der zurückgezogen lebende Namensgeber der Bewegung, Fethullah Gülen,*ein weltweites Netzwerk*von Islamschulen, Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen mit Geldern auf, deren Herkunft nicht zurückverfolgt werden kann. Seine Gülen-Bewegung verfügt weder über eine Adresse, noch ein Postfach, noch einen offiziellen Eintrag als Organisation oder Verein, kein Hauptkonto, nichts. Seine Anhänger haben niemals für die Scharia oder den Dschihad demonstriert – ihre Aktivitäten erfolgten und erfolgen alle im Verborgenen.

 

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2008 wurde der weltweite Finanzwert des Gülen-Imperiums in von der amerikanischen Regierung eingereichten Gerichtsdokumenten mit zwischen 25 Milliarden und 50 Milliarden Dollar beziffert. Niemand konnte genau belegen, wie groß das Vermögen ist, da es keine unabhängigen Gutachter gab. In einer Aussage vor einem amerikanischen Gericht erklärte ein loyal zur Cemaat stehender Journalist während der Anhörung zu Gülens Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Amerika zum Gesamtumfang des Gülen-Imperiums:

 

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»Die Anzahl der Projekte, die von Anhängern Gülens heute unterstützt werden, geht in die Tausende. Sie sind grenzübergreifend und kostenintensiv, was Human- und Finanzkapital angeht. Zu diesen Initiativen gehören mehr als 2000 Schulen und sieben Universitäten in mehr als 90 Ländern auf fünf Kontinenten sowie zwei moderne Krankenhäuser, die Zeitung*Zaman,*die in einer türkischen und einer englischen Ausgabe erscheint, der Fernsehsender Samanyolu, ein Radiosender (BurcFM), die bedeutende türkische Nachrichtenagentur CHA, das wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazin*Aksiyon, nationale und internationale Gülen-Konferenzen, religionsübergreifende Ramadan-Abendessen, religionsübergreifende Dialogreisen in die Türkei aus vielen Ländern der Welt und die vielen Programme, die von der Stiftung ›Journalisten und Schriftsteller‹ unterstützt werden. Hinzu kommen noch die Versicherungsgesellschaft Isik sowie die Bank Asya, eine islamische Bank, die auch mit der Gülen-Bewegung in Verbindung steht.«ii

 

Die*Bank Asya*wurde von dem in London erscheinenden Magazin*Banker*unter den führenden 500 Banken der Welt aufgelistet. Sie betreibt gemeinschaftliche Bankgeschäfte mit anderen Instituten im gesamten muslimischen Afrika, vom Senegal bis Mali, und ist eine strategische Zusammenarbeit mit der Tamweel Africa Holding*der Islamischen Entwicklungsbank mit Sitz im Senegal eingegangen.

 

*

 

Die Zeitung*Zaman,*zu der auch die englischsprachige Ausgabe*Today’s Zaman*gehört, war die auflagenstärkste Tageszeitung der Türkei. Im März dieses Jahres stürmte die türkische Polizei das Redaktionsgebäude und stellte die Zeitung unter Zwangsverwaltung.

 

*

 

Gülen und seine Bewegung verfolgen kein geringeres Ziel, als die Überbleibsel des modernen säkularen*Kemalismusin der Türkei zu zerstören und wieder zum Kalifat von einst zurückzukehren. In einer seiner Schriften seiner Anhängererklärte er: »Mit der Geduld eine Spinne spinnen wir unser Netz, bis sich die Menschen darin verfangen.«

 

*

 

Ein islamisches*Opus Dei

 

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Das türkische Fernsehen strahlte 1999 eine Predigt Gülens aus, die er vor zahlreichen Anhängern gehalten hatte und in der er sein Streben nach einer islamistischen Türkei darlegte, in der die Scharia (das religiöse Gesetz des Islam) herrschen sollte. Er ging aber auch auf die besonderen Methoden ein, die eingesetzt werden sollten, um dieses Ziel zu erreichen. In jener geheimen Predigt, aus der ich schon oben ausführlich zitiert habe, mahnte Gülen:

 

»Die Arbeit besteht darin, sich der Welt entgegenzustellen. Ich habe euch jetzt alle meine Gefühle und Gedanken dargelegt – im Vertrauen auf eure Loyalität und Verschwiegenheit.«iii

 

1998 setzte sich Gülen in die USA ab, nachdem kurz zuvor eine an Hochverrat grenzende Rede, die er vor seinen Anhängern bei einem privaten Treffen gehalten hatte, aufgezeichnet worden war und er damit rechnen musste, dass sie veröffentlicht würde. Dort hatte er, wie die Aufzeichnung belegt, seine Unterstützer aufgefordert, »Geduld zu üben und die staatlichen Institutionen zu unterwandern,*um dann die staatliche Macht zu übernehmen«. Dies erfüllt ohne Frage den Straftatbestand des Verstoßes gegen die Verfassung, in der Atatürk seine kemalistischen Prinzipien verankert hatte. Kurz nach seiner Flucht nach Pennsylvania forderten türkische Staatsanwälte eine zehnjährige Haftstrafe für ihn, weil er »eine Organisation gegründet hat, die den säkularen Staatsapparat zerstören und ein theokratisches Staatswesen errichten will«.

 

*

 

Gülen hat seit seiner Flucht die USA nicht mehr verlassen, obwohl ihn die*Gerichte des Islamisten Erdoğan*2006 von allen Vorwürfen freisprachen. Seine Weigerung, in die Türkei zurückzukehren, verstärkte die Überzeugung seiner Gegner in der Türkei, er verfüge über enge Beziehungen zur CIA.

 

*

 

Im Jahre 2000 wurde Gülen von den damals noch säkular orientierten türkischen Gerichten wegen des Verdachts auf Landesverrat angeklagt. Unter dem Vorwand, er leide unter Diabetes, gelang es Fethullah Gülen mithilfe einiger sehr einflussreicher Freunde in der CIA und im amerikanischen Außenministerium, sich in die USA abzusetzen und dort eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten,bevor Anklage erhoben wurde. Es wurde der Verdacht laut, er sei vorab gewarnt worden.

 

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Ein Wolf im Schafspelz – mit CIA-Hilfe

 

*

 

Die CIA entschied, Fethullah Gülen ein ganz anderes Image in der Öffentlichkeit zu verschaffen als etwa den dschihadistischen »Gotteskriegern« wie*Gulbuddin Hekmatyar*in Afghanistan oder*Naser Oriin Bosnien. Statt als blutrünstiger, köpfender und Menschenherzen verspeisender Dschihadist wurde Gülen der Weltöffentlichkeit als Mann des »Friedens, der Liebe und der Brüderlichkeit« präsentiert. Man arrangierte sogar ein Treffen mit Papst Johannes Paul II. Ein Foto dieser Begegnung veröffentlichte Gülen stolz an prominenter Stelle auf seiner Internetseite.

 

*

 

Kurz nach seiner Ankunft in den USA engagierte die Gülen-Bewegung eine der bestbezahlten Washingtoner Expertinnen für Öffentlichkeitsarbeit, George W. Bushs frühere Wahlkampfleiterin*Karen Hughes, die Gülens Image als Galionsfigur eines »moderaten« Islams weiter polieren sollte. Das »Projekt Gülen« der CIA zielte auf die Schaffung eines neuen osmanischen Kalifats ab, das die eurasische Großregion des früheren Osmanischen Reiches »zurückholen« sollte.

 

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Als Gülen 1999 die Türei überstürzt wegen eines drohenden Hochverratsprozesses verlassen musste, entschied er sich – mithilfe der CIA – für die USA als neuen Wohnsitz. Au

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[h=2]Religiöse BewegungAussteiger berichten über die Gülen-Bewegung: Wie eine Sekte[/h]Höflich, gebildet, modern angezogen – so wünscht sich der islamische Prediger Fetullah Gülen seine Anhänger. Sie sollen Geld spenden und deutschen Parteien beitreten, dürfen aber keine eigene Meinung äußern. Drei Aussteiger berichten.

29.08.2016, von RÜDIGER SOLDT

 

Erdogan machte Gülen für den Putsch im Juli verantwortlich - Demonstranten hängen eine Puppe mit dem Gesicht des Predigers.

Eine Zeitung der religiösen Bewegung von Fetullah Gülen heißt „Sizinti“. Das kann man mit „Infiltrieren“ übersetzen. In der Türkei macht Präsident Erdogan die Bewegung für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich. Gülen weist alle Vorwürfe zurück. Er stellt sich als harmloser Reformer dar, als Vertreter eines aufgeklärten Islams. Doch Leute, die seine Hizmet-Bewegung von innen kennengelernt haben, machten ganz andere Erfahrungen. Nachdem die Frankfurter Allgemeine Sobnntagszeitung Anfang August darüber berichtete, meldeten sich drei weitere Aussteiger. Sie warnen vor „der sektenartigen Organisationsform“ der islamischen Glaubensgemeinschaft.

 

Es handelt sich um die Juristin Tülay aus Mannheim, den Ingenieur Ercan aus Ulm und den Betriebswirt Hasan aus Stuttgart. Die Namen wurden geändert, weil die Aussteiger anonym bleiben möchten. Alle drei Aussteiger haben eine gute akademische Ausbildung und sind als Angestellte oder Selbstständige beruflich erfolgreich. Sie sind bekennende Muslime und beurteilen die Politik Erdogans durchaus skeptisch. Zwei Begriffe fallen immer wieder in ihren Berichten: „Sekte“ und „Scientology“.

 

 

Ercan hat sich gut zehn Jahre lang für verschiedene Vereine der Gülen-Bewegung engagiert, die Dialog-Vereine und auch einen Unternehmerverband. „Es wurde mir vorgeschrieben, für was ich zuständig sein sollte“, sagt er. „Das Merkwürdige ist, dass es formal Vereine gibt, ich habe aber nie etwas von einer Mitgliederversammlung oder Vorstandswahlen mitbekommen. Wichtig war denen, dass auf der Homepage möglichst Ärzte und Juristen standen, weil sie damit besser Werbung bei den Deutschen machen konnten.“ Manchmal seien auch Beiräte für die Vereine gegründet worden, aber Sitzungen dieser Beiräte habe es nicht gegeben.

 

[h=2]Große Brüder und Schwestern[/h]Die Arbeit in den Vereinen werde über die großen Brüder und die großen Schwestern gesteuert, die Abis und die Ablas. Diese bekämen ihre Anweisungen von den für die Region zuständigen Imamen, die wiederum würden von dem für Deutschland zuständigen Iman Hayrettin Özkul angewiesen, das Vorgehen sei streng hierarchisch. „Die Vereine funktionieren nicht nach Satzung und deutschen Gepflogenheiten. Ich habe gesagt, dass mir das nicht passt. Das Ergebnis war, dass ich weniger wichtige Aufgaben übertragen bekommen habe und für die Gülen-Leute kein wichtiger Ansprechpartner mehr war“, sagt Ercan. Mehrmals sei er von dem „großen Bruder“ angewiesen worden, Funktionen in anderen Vereinen oder Regionen zu übernehmen. Immer ohne Absprache.

Der Abi oder die Abla kontrolliere alles. Vereinzelt habe es auch die Aufforderung gegeben, sich im Sinne der Gülen-Bewegung in deutschen Organisationen zu engagieren, so Ercan. „Es gab immer mal wieder auch die Anweisung: Werdet Mitglied der SPD oder CDU oder auch der Grünen. Oder es hieß, bewirb Dich als Schöffe.“ Ercan zweifelt an der Behauptung der Gülen-Schulen, dass sie unabhängig seien und sich, wenn überhaupt, von den Ideen des in den Vereinigten Staaten lebenden Predigers nur „inspirieren“ ließen: „Das stimmt nicht. Ich habe Sitzungen in den Räumen von Gülen-Schulen erlebt, wo Imame auch Anweisungen gegeben haben. Auf die muslimischen Kinder wird außerhalb der Schule schon ein Einfluss ausgeübt.“ Transparente und demokratische Vereinsstrukturen gebe es in der Gülen-Bewegung nicht. „Die Beschlüsse in den Vereinen zählen nicht, es zählt die Meinung des externen Abi.“ Wenn der Abi nicht einverstanden sei, werde ein Beschluss einfach ignoriert.

Bei Tülay, der Juristin aus Mannheim, liegt das Engagement ein paar Jahre zurück, in guter Erinnerung hat sie diese Zeit nicht. „Ich war in der Jugendzeit ziemlich engagiert in der Gülen-Bewegung. Ich bin ein paar Mal umgezogen, von einer Gemeinde zur nächsten Gemeinde, Cemaat heißt das bei den Gülen-Leuten. Interessant war, dass die fast alles über mich und meine Familie wussten, als ich in der neuen Cemaat ankam. Die hatten sogar Fotos von mir gesammelt.“ Inhaltlich werde man bei den Sohbets (Unterhaltungen) religiös fortgebildet. „Wenn man selbst Sohbets machen will, dann muss man die inhaltliche Vorbereitung dem Abi oder der Abla vorstellen. Man darf nur die Schriften Gülens oder die Zeitschriften der Bewegung benutzen und zitieren.“

 

 

[h=2]In der Gemeinschaft aufgehoben[/h]Für den Nachwuchs gebe es häufig Empfehlungen, was man studieren solle. Wenn man eine Aufgabe übertragen bekomme und dann etwas kritisiere oder verweigere, heiße es sofort, dass diese Aufgabe jemand anderes übernehmen könne. „Man wird wie in einer Sekte unter Druck gesetzt, indem suggeriert wird, man sei eigentlich auserwählt“, berichtet Tülay. Am Anfang sei sie für die Gülen-Leute nicht so interessant gewesen, weil sie keinen einflussreichen Beruf ausgeübt habe. „Dann habe ich zufällig mal erzählt, dass sich mein Mann demnächst selbständig machen will. Plötzlich waren die total interessiert und wollten meinen Mann ständig kontaktieren.“ Es gebe für jede Berufsgruppe und für jede Lebensphase die Sohbets. Ein Gülen-Mitglied solle sich nie allein, sondern immer in der Gemeinschaft aufgehoben fühlen.

 

 

Bei anderen Gelegenheiten, den Himmet-Sitzungen, würden Spendengelder eingesammelt. „Man wollte das Vertrauen von Entscheidungsträgern gewinnen und die Gesellschaft infiltrieren, deshalb hieß es, merke Dir die Geburts- oder Hochzeitstage von den wichtigen Leuten, den VIPs, wichtige Politiker hat man auch geködert und sie in die Türkei eingeladen“, erinnert sich Tülay. „Meinem Mann haben sie dann auch noch gesagt, werde jetzt Mitglied der SPD.“ Die Imame der Bewegung legten großen Wert darauf, dass man Kontakte zu wichtigen Entscheidungsträgern knüpfe. „Es hieß immer, Du musst die wichtigen Leute kennen lernen. Es gibt auch einen Verhaltens-Knigge, den bekommen nur diejenigen, die mit wichtigen Leuten in Kontakt sind.“ Dieser Knigge schreibe vor, wie man sich in der Öffentlichkeit verhalten solle, die Auftritte sollen höflich sein und einen gebildeten Eindruck hinterlassen. „Modern und gut angezogen, auch das war wichtig“, erzählt Tülay, „so sollte jeder Gesprächspartner für die Gülen-Bewegung gewonnen werden.“

 

Auch Hasan, ein junger Betriebswirt aus Stuttgart, beschreibt die Gülen-Bewegung als Sekte. „Es läuft so wie bei den Scientologen, das Einsammeln des Geldes spielt eine große Rolle. Typisch ist auch, dass die alle wie Papageien das gleiche dogmatische Zeugs reden.“ Das Vorgehen sei häufig konspirativ. Wenn sich die hauptamtlichen Führungsleute träfen, würden die Handys im Nebenraum eingeschlossen. Die Hierarchie sei ziemlich klar, es gebe einen obersten Imam für Europa, Abdullah Aymaz, dann Imame für verschiedene Länder und darunter auch einige für die Regionen. In Baden-Württemberg gebe es in Stuttgart einen Imam, der für Württemberg zuständig sei. Für Baden gebe es auch einen Imam, der die Arbeit dort koordiniere. „Merkwürdig ist, dass die sich alle mit Codenamen ansprechen“, sagt Hasan.

[h=2]„Gehorsam und Opferbereitschaft“[/h]Wichtig für die Rekrutierung von Mitgliedern seien die Jugendcamps – türkisch „kamps“. Sie wollten vor allem Kinder aus ärmeren Familien an sich binden, weil so jahrelange Abhängigkeiten und eine gewisse Dankbarkeit entstehen sollten. „Jeder Imam berichtet über die Mitglieder der Gemeinde, vor allem die Geschäftsleute werden regelrecht durchleuchtet. Sie führen Buch über jedes Mitglied, sie wollen die Mitglieder so gut kennen, um sie manipulieren zu können.“

Das Bild, das die Aussteiger von der Gülen-Bewegung zeichnen, deckt sich mit einigen Beobachtungen, die Friedmann Eißler gemacht hat. Eißler ist Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen und beobachtet verschiedene Glaubensgemeinschaften. Von einer Sekte will er nicht sprechen, wohl aber von einer „hohen Sozialkontrolle“, die es durch Abis oder Ablas in den Lichthäusern gebe. „Gehorsam und Opferbereitschaft sind absolute, zentrale Werte, an denen natürlich auch das Verhalten der Anhängerinnen und Anhänger gemessen wird“, sagt Eißler. Über Aussteiger würden häufig negative Geschichten verbreitet. Das „Problem der Indoktrinierung“ entstehe nicht direkt in den Schulen und Nachhilfeeinrichtungen, sondern in deren Umfeld. „Indem die jungen Menschen für die inneren Kreise interessiert und angeworben werden – mit Hilfe von Hausbesuchen, mit Geschenken, mit intensiven Gesprächen mit den Eltern – kann auch ein gewisser Druck entstehen.“

Man müsse sich immer wieder klar machen, s0 Eißler, dass Gülen die islamischen Werte in seinen Schriften immer wieder in einen Gegensatz zu „westlichen“, also „christlichen“ Werten bringe. Gülen verteidige die Gebote und Verbote der Scharia ausnahmslos. Eißlers Fazit: „Er ist ausdrücklich kein Reformtheologe, sondern passt (lediglich) die Vermittlung der konservativ-islamischen Inhalte geschickt den Umständen der umgebenden Gesellschaft an.“

 

FAZ,

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